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Nabelschnurblut – Baustein der Gesundheitsvorsorge

Die Leipziger FamiCord AG kümmert sich um die Einlagerung und sieht die Zukunft in der Zelltherapie.

Lesedauer: 3 Minuten

Eine Frau untersucht eine Probe in einem Labor
Ziel von Famicord, früher Vita 34, ist es, den Markt für Stammzell-Banking in Europa und insbesondere in Deutschland weiter auszubauen. Foto: Michael Bader

Von Ulrich Milde

Leipzig. Es erinnert an eine Versicherung. Da schließt man eine Hausratpolice ab in der Erwartung, sie nie in Anspruch nehmen zu müssen. Gibt es doch einen Wasser- oder Feuerschaden, dann soll das Assekuranzunternehmen einspringen und den Vorgang regulieren. Ähnlich ist das mit dem Einlagern von Nabelschnurblut. Das lassen Eltern machen und hoffen natürlich, dass ihre Kinder nie ernsthaft erkranken. Und wenn doch, dann könnte das eingelagerte Blut womöglich helfen, das Leiden zu besiegen. Für die FamiCord AG in Leipzig ist dabei klar, dass körpereigene Zellen ein wertvolles medizinisches Ausgangsmaterial sind. Sie werden im Dampf von flüssigem Stickstoff am Leben erhalten, um solches zu retten. Kunden aus 50 Ländern haben sich für das Biotech-Unternehmen aus der Messestadt entschieden, eine Million Einheiten sind es mittlerweile, der Preis beginnt bei 1654,10 Euro. „Das Einlagern von Nabelschnurblut ist für uns ein zentraler Baustein einer modernen, personalisierten Gesundheitsvorsorge“, betont Vorstandschef Jakub Baran. Nabelschnurblut enthalte „einzigartige Stammzellen“, die heute bereits bei einer Vielzahl von schweren Erkrankungen eingesetzt würden und deren medizinisches Potenzial durch laufende Forschung stetig wachse.

Medizinischer Fortschritt

Es handele sich nicht um ein „nice to have“, sondern um eine medizinisch sehr sinnvolle Maßnahme, sekundiert Holger Stepan. Bei der gegenwärtigen Datenlage und vor allem aufgrund des dynamischen medizinischen Fortschritts auf diesem Gebiet „werden sich noch weitere zukunftsreiche Perspektiven eröffnen“, meint der Medizin-Professor, der Chef der Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Leipzig ist. So gehen zahlreiche Studien der Frage nach, ob Nabelschnurblut auch bei Krankheiten wie Autismus und Zerebralparese helfen kann. Von einem Durchbruch sind diese Versuche noch weit entfernt.

Unabhängig davon ist Nabelschnurblut seit längerer Zeit ein fester Bestandteil der Medizin. Die Abnahme gilt als einfach und schmerzfrei – Mutter und Kind merken fast gar nichts davon, heißt es. Stammzellen aus dem Nabelschnurblut vermehren sich leicht und schnell. Ihr Erbgut ist frei von Umweltschäden und tolerant. Bei einer Fremdspende attackieren sie seltener den Körper des Empfängers. Falls ein Geschwisterkind erkrankt, sind laut der Wissenschaft Stammzellen aus der Nabelschnur oft die beste Lösung. Es besteht eine Chance von etwa 25 Prozent, dass sich das Blut für eine Transplantation eignet.

Genug für ein Kind

Transplantierten Blutstammzellen wird die Eigenschaft zugeschrieben, die Blutbildung zu erneuern und so zur Heilung verschiedener Erkrankungen beizutragen. Vor allem bei unterschiedlichen Formen der Leukämie kommt eine Spende von Nabelschnurblut deshalb zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Krebserkrankungen, bei denen sich in der Regel krankhafte weiße Blutkörperchen (Leukozyten) unkontrolliert vermehren und dadurch die Immunabwehr beeinträchtigen. Allerdings enthält die Nabelschnur nur wenig Blut. Das ist in der Regel genug für die Behandlung von Kindern, nicht aber für Jugendliche und Erwachsene.

Der Fortschritt macht natürlich auch vor FamiCord nicht halt. „Wir verbessern kontinuierlich unsere Technologie zur Aufbereitung von Zellen und Geweben“, berichtet Baran. In einigen europäischen Ländern sei bereits die Einlagerung von Plazentagewebe als zusätzliche Dienstleistung eingeführt worden. „Ich hoffe, in rund sechs Monaten auch in Deutschland die entsprechende Lizenz zu erhalten.“ Dieses Genehmigungsverfahren ziehe sich bereits sehr lange hin, kritisiert der gebürtige Pole. Darüber hinaus erhalte seine Firma regelmäßig Fördermittel zur Entwicklung verschiedener stammzellbasierter Therapien, derzeit allerdings außerhalb Deutschlands. Parallel dazu würden die Dienstleistungen in der Auftragsentwicklung und Produktion weiter ausgebaut – „mit einem klaren Fokus auf Zell- und Gentherapien“.

Gründung als Vita 34

Vita 34 wurde 1997 als Gesellschaft für Zelltransplantate gegründet. Nach eigenen Angaben war sie damit die erste Nabelschnurblutbank in Europa. 2021 schlossen sich die Leipziger und die polnische Famicord zusammen. In diesem Jahr wurde Vita34 umgetauft und erhielt FamiCord als neuen Namen. Durch die Fusion ist die mit Abstand größte europäische Familien-Stammzellbank mit Hauptsitz in Leipzig entstanden, mit Präsenz in über 30 Ländern. Die Bündelung der Kräfte habe die finanzielle Basis gestärkt, um neue Projekte und mögliche weitere Akquisitionen voranzutreiben, sagt Baran. Zudem seien Kostensynergien erzielt worden, „wenn auch in geringerem Umfang als zunächst erwartet“. Bemerkenswert sei darüber hinaus, dass dieser Zusammenschluss die erste jemals durchgeführte Aktientausch-Transaktion eines Unternehmens war, das sowohl an der Deutschen Börse als auch an der Warschauer Börse gelistet ist.

Vorrangiges Ziel ist es laut Baran, den Markt für Stammzell-Banking in Europa und insbesondere in Deutschland weiter auszubauen. „Wir sind vermutlich das einzige Unternehmen in Europa, das über die notwendige Stärke und Reichweite verfügt, um dies zu leisten.“ FamiCord beschäftigt knapp 800 Mitarbeiter und rechnet für dieses Jahr mit einem Umsatz zwischen 85 und 95 Millionen Euro sowie einem Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) zwischen 8,7 und 10,3 Millionen Euro. Baran bleibt jedenfalls zuversichtlich, auch wenn die private Vorsorge mit Nabelschnurblut in Teilen eine Spekulation darstellt. „Wir sehen eine Zukunft, in der Zell-Banking und fortschrittliche Zelltherapien ein integraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung sind und allen Menschen zugängliche, lebensverbessernde Möglichkeiten bieten“, sagt er.

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