Luisa Zenker
Dresden. Bei der Energiewende geht es nicht nur um Strom. Die Wärmeversorgung muss auch bis 2045 umgestellt werden – nach den Plänen der Bundesregierung auf Wärmepumpe und Fernwärme. Um das anzugehen, treffen sich derzeit 450 Vertreter aus Politik und Wirtschaft beim Fernwärmekolloquium in Dresden. Sie diskutieren zwei Tage lang nicht nur über die Carolabrücke, sondern auch über steigende Preise und den Ruf der Fernwärme.
Wie ändert sich die Fernwärmeversorgung durch den Brückeneinsturz in Dresden?
Seit dem Brückeneinsturz auf der Carolabrücke ist nicht nur der Verkehr eingeschränkt, sondern auch die Fernwärmeversorgung. Bis zum Kollaps wurden die Dresdner auf der Neustädter Seite vorrangig über eine Leitung auf der Carolabrücke versorgt. Doch die Trasse ist mit dem Einsturz abgerissen. Glücklicherweise hatte Sachsen-Energie 2021 einen Elbdüker unterhalb der Marienbrücke installiert, um über zwei Wege die Dresdner im Norden zu versorgen. Nun läuft dort die gesamte Energieversorgung hindurch. Eine Lösung, die momentan funktioniert, im Winter aber nicht.
Rutger Kretschmer von Sachsen-Energie plant deshalb neue Baustellen, damit die Dresdner bei Minusgraden ihre Wohnungen heizen können. Aktuell laufen die Vorbereitungen für eine Baustelle auf dem Carolaplatz, wo man mehr heißes Wasser durch die Leitung schicken will. Denn die Anschlussleitungen wurden auch hier zerstört, weshalb das heiße Wasser momentan durch dünnere Röhre gejagt wird. Ab der kommenden Woche verlegt Sachsen-Energie dann 300 Meter neue Fernwärmerohre mit einem Durchmesser von 50 Zentimetern am Carolaplatz, nahe dem Neustädter Brückenabschnitt.
Rutger Kretschmer schlägt zudem eine alternative Fernwärmetrasse über die Elbe vor. Sie müsste bis zum Winterbeginn dieses Jahres errichtet werden. Welche Brücke das sein könnte, nennt er nicht. Sollte eine Elbquerung nicht möglich sein, plant Sachsen-Energie eine Fernwärmeleitung auf der Königsstraße. Da es sich um ein Provisorium handelt, würde sie überirdisch errichtet werden. Der Energieversorger prüft derzeit die Alternativen, um sie der Stadt vorzulegen. „Wir müssen hier Deutschlandtempo vorweisen“, so Rutger Kretschmer. „Sie brauchen sich aber keine Sorgen zu machen, dass sie frieren werden.“
Wie viel kostet der Fernwärmeausbau?
100.000 Gebäude pro Jahr sollen an das Fernwärmenetz in Deutschland angeschlossen werden – für die Wärmewende. Die Fernwärmenetztrassen müssen sich dafür verdreifachen – bedeutet ein halber Erdumfang von 22.000 Kilometern. Zum Vergleich: In den letzten hundert Jahren wurde eine Fernwärmetrasse von 35.000 Kilometerlänge in Deutschland errichtet. Zudem soll die Energieerzeugung grün werden, durch Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, grünen Strom, Wasserstoff. 100 Milliarden Euro müssen dafür in den Infrastrukturausbau investiert werden.
Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und Kraftwerke AGFW prognostiziert einen Förderbedarf von 3,5 bis 5 Milliarden Euro jährlich, um die Energieversorger bei der Mammutaufgabe zu unterstützen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte zuletzt eine Förderung von insgesamt 6 Milliarden Euro bis 2028 zugesichert. „Das ist nicht ausreichend“, sagt der Präsident des AGFW Hansjörg Roll. Eines ändert sich mit Förderung nicht: „Die Fernwärmepreise werden steigen“, sagt der Geschäftsführer Werner Lutsch. „Fast jede Stadt wird zur Großbaustelle“, fügt er zudem hinzu. Ein Kraftakt, um die Klimaschutzziele einzuhalten.
Wo steht Sachsen bei der Wärmeplanung?
Bis 2026 müssen Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern eine Wärmeplanung vorweisen, bis 2028 brauchen dann auch alle kleineren Orte einen Wärmeplan, so schreibt es das Wärmeplanungsgesetz vom Bund vor. Die erste Gemeinde in Sachsen hat das bereits gemacht: Wilthen stellte Anfang September ihre kommunale Wärmeplanung vor. Dieser Wärmeplan bietet den Anwohnern Planungssicherheit, um zu wissen, ob auf eine Fernwärmeleitung zählen können, oder eine Wärmepumpe installieren müssen.
Lutsch betont außerdem: „Fernwärme wird den Menschen nicht übergestülpt, sie können mitentscheiden.“ Während sich in Großstädten das Investitionsvolumen verdoppeln wird, rechnet Agora Energiewende mit einer Verfünffachung der Investition für die Wärmewende in Kleinstädten.
Die Verbraucherzentrale kritisiert Fernwärmeunternehmen als lokale Monopolisten, die Preise setzen können. Wie reagiert die Branche auf den Vorwurf?
„Warum redet man hier von einem Monopol?“, fragt Lutsch vom Verband AGFW. In den meisten Städten und Gemeinden könnten Mieter und Eigentümer entscheiden, ob sie die Fernwärme vor Ort oder eine alternative Heizmöglichkeit nutzen. Nur wenige kleine Kommunen haben ihm zufolge einen Benutzungszwang vorgeschrieben.
Dennoch gerieten die Energieversorger zuletzt für eine intransparente Preisgestaltung in Kritik, schwanken doch die Fernwärmepreise zwischen den deutschen Städten um mehr als 20 Cent pro Kilowattstunde. Auch hier hat man reagiert und seit zwei Monaten das Portal Wärmepreise.info eingerichtet, hier kann man die Preise an den verschiedenen Orten vergleichen. „Strom wird national gehandelt, Wärme ist lokal“, erklärt Lutsch die Differenzen. Wie hoch der Preis vor Ort ist, habe mit den lokalen Begebenheiten zu tun. „Wurde gerade ein neues Biomasseheizkraftwerk errichtet, dann ist das teurer.“