Von Ulf Mallek
Die Spätfröste im April waren für alle Winzer und Obstbauern in der Region dramatisch. So etwas hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Wegen eines sehr warmen und niederschlagsreichen Winters sowie einem fast schon sommerlichen Frühlingsbeginns mit Spitzenwerten Anfang April beispielsweise in Radebeul von bis zu 28,6 Grad erfolgte der Austrieb der sächsischen Reben und Obstblüten flächendeckend rund einen Monat früher als im langjährigen Mittel.
Nach einem Temperatursturz zur Monatsmitte folgte das schwerste Spätfrostereignis der letzten Jahrzehnte: Vor allem die Nacht vom 22. auf den 23. April mit mehr als acht Stunden Dauerfrost in der Luft und am Boden, sowie Temperaturen von minus 5 Grad Celsius und kälter verursachte im gesamten Wein- und Obstanbaugebiet Sachsen erhebliche Schäden.
Jetzt liegen die Ergebnisse einer genauen Schadensermittlung vor, teilten beide Anbauverbände am Freitag mit. Beim Wein liegt der durchschnittliche Ausfall pro Weingut bei 83 Prozent, wobei je nach Lage und Rebsorte große Unterschiede gibt. Auf einzelnen Flächen sei sogar ein Totalausfall zu verzeichnen.
Die Ernteausfälle haben die sächsischen Winzer mit rund 34 Millionen Euro beziffert. Das ist mehr als doppelt so viel wie ursprünglich geschätzt. Nach Angaben von Weinbauverbandschef Felix Hößelbarth errechnet sich die Summe wie folgt: „Ernteausfall in Höhe von 83 Prozent mal „2,5 Millionen Liter durchschnittliche Erntemenge im Weinbaugebiet Sachsen mal 16 Euro/Liter durchschnittlicher Nettoerlös“.
Totalausfall beim Kernobst
Auch die Obstbaubetriebe befragten ihre Mitglieder und kamen auf eine Schadenshöhe von 50 Millionen Euro. Das entspricht in etwa auch den Schätzungen. „Unsere Hoffnungen auf einen geringeren Frostschaden haben sich leider nicht erfüllt“, so Verbandsgeschäftsführer Udo Jentzsch.
Die Verbandsbetriebe melden annähernd ein Totalausfall bei allen Baumobstarten und beim Strauchbeerenobst. Ausgenommen seien hierbei die Erdbeeren, die den Frost mit nur 50 Prozent Verlust besser überstanden haben. Pflaumen, Sauerkirschen, Aprikosen/Pfirsiche, Süßkirschen und Äpfel fallen zu 100 Prozent aus. Auf einzelnen Flächen bei Süßkirsche und Äpfeln beträgt der Schaden nur zwischen 70 bzw. 80 und 100 Prozent, dennoch sei eine Ernte hier unwirtschaftlich, da es durch den Frost Qualitätseinbußen gebe. Bei Birnen betragen die Verluste zwischen 70 und 100 Prozent, beim Beerenobst zwischen 50 und 100 Prozent.
Trotz des Totalverlustes fallen in dieser Saison Kosten für notwendige Pflegemaßnahmen an, wie Pflanzenschutz, Schnitt und Baumpflege. Es entfallen jedoch die kompletten Ernte- und Vermarktungskosten. Nach Angaben des Obstbauverbandes Sachsen seien Zuschüsse in Höhe von 27,3 Millionen Euro nötig, um die Pflegearbeiten bis zur nächsten Ernte zu finanzieren und die Existenz der Obstbaubetriebe zu erhalten,
Nicht berücksichtigt seien in dieser Summe die Erdbeerbetriebe mit 200 Hektar Anbaufläche. Bei einer durchschnittlichen Schadensquote von 50 Prozent schätzt der Verband für diese Obstart eine Schadensumme in Höhe von ca. 3 Millionen Euro. In den Berechnungen finden Produktionsbetriebe, die nicht im Obstbauverband „Sachsen & Sachsen-Anhalt e.V.“ organisiert sind keine Berücksichtigung.
Eine derartige außergewöhnliche und flächendeckende Schädigung, sei es durch Hagel, Frost oder andere Unwetterereignisse, gab es seit Einführung des modernen Obstbaus noch nicht. Damit sind fast 10 Prozent der deutschen Obstproduktion, das wären die komplette Region Sachsen und Sachsen-Anhalt, in ihrer Existenz bedroht. Dabei liege der Selbstversorgungsgrad in Deutschland mit Obst gerade einmal bei 22,7 Prozent. Ein weiterer Rückgang droht.
20 Prozent weniger Ertrag beim Wein in 2025
Auch beim Wein sind die Schäden größer als nur der aktuelle Ernteausfall. Für die noch nicht vollständig regenerierten Rebstöcke wird eine Ertragsminderung von ca. 20 Prozent erwartet. Die extremen Spätfröste haben insbesondere bei den jüngeren Anlagen signifikante Schäden hinterlassen, so der Weinbauverband. Da bei den jungen Stöcken das Holz noch schwächer ist, konnte der Frost viel tiefer in die Pflanzen eindringen. Für die bestehenden sächsischen Rebanlagen bis zum 5. Standjahr gehen die Winzer von zusätzlichen Folgeschäden in Höhe von 10 Millionen Euro aus.
Neben dem bereits geleisteten Mehraufwand durch Spätfrostbekämpfungsmaßnahmen, wie Rauchfeuer und Frostkerzen haben die Winzer in den zurückliegenden Wochen zusätzlich pro Hektar mehr als 4.000 Frostruten herunter binden müssen und werden die geschädigten Triebe jetzt ausschneiden. Auch bei der Lese ist in diesem Jahr mit einem deutlichen Mehraufwand zu rechnen: verschiedene Traubengenerationen mit unterschiedlichen Reifezeitpunkten an den Rebstöcken werde zu mehreren Lesedurchgängen führen.
Sowohl Winzer als auch Obstbauern sind auf staatliche Finanzhilfen angewiesen. Insbesondere der Obstbau befürchtet, dass die geschädigten Betriebe in Existenznot geraten könnten. Zahlreiche Arbeitsplätze in den Obstbaubetrieben sowie in den vor und nachgelagerten Bereichen der gesamten Wertschöpfungskette seien gefährdet.
Die Staatsregierung hatte zuvor mitgeteilt, dass sie auf die Schadensermittlung warte und möglichen Hilfe prüfe. Landwirtschaftsminister Wolfram Günther erklärte, an der Seite der Betroffenen zu stehen. Da die Schadenshöhe jetzt ermittelt ist, könnte konkret über mögliche Hilfsprogramme gesprochen werden.