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Neuer Pendler-Rekord: Viele Sachsen zieht es zum Arbeiten in den Westen

Noch nie pendelten so viele Sachsen zur Arbeit in ein anderes Bundesland wie aktuell. Der Abstand zu den Einpendlern wird wieder größer. Aus Expertensicht sind die Rückkehrerprogramme der vergangenen Jahre „für die Tonne“.

Lesedauer: 2 Minuten

Andreas Dunte

Leipzig. Hoher Verdienst, interessante Tätigkeit, gute Aufstiegschancen – es gibt viele Gründe, warum Sachsens Einwohner für den Job oft lange Wege in Kauf nehmen. Trotz gestiegener Spritpreise, Staus und zahlreichen Bahnverspätungen – die Zahl der Sachsen, die zur Arbeit in andere Bundesländer pendeln, hat mit 157.900 einen neuen Höchststand erreicht.

Damit pendelt jeder zehnte sächsische Beschäftigte in ein anderes Bundesland, wie die Landesarbeitsagentur auf Nachfrage mitteilte.

Bayern, NRW und Hessen besonders beliebt

Die Hälfte von ihnen zieht es zu einem Arbeitgeber in westdeutsche Bundesländer, angeführt von Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen. Ihr Anteil ist im Vorjahr um 3,5 Prozent gestiegen.

Zugleich gibt es aber auch mehr Beschäftigte von außerhalb, die nach Sachsen zur Arbeit fahren. „Das ist ein Indiz für die zunehmende Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Sachsen und hängt natürlich damit zusammen, dass die Firmen Fachkräfte suchen“, so Agentursprecher Frank Vollgold.

Sowohl die Zahl der Auspendler als auch die der Fachkräfte, die zum Arbeiten nach in Sachsen kommen, ist auf ein neues Rekordniveau gestiegen.

Sachsen gehen Fachkräfte verloren

Die Zunahme bei den Einpendlern innerhalb eines Jahres ist allerdings mit 464 auf 145.470 weit geringer als das Plus von 4490 bei den Auspendlern. Die meisten Einpendler kommen aus Sachsen-Anhalt, dem Ausland, Thüringen, Brandenburg und Bayern. Der Trend sei besorgniserregend, denn damit gingen dem sächsischen Arbeitsmarkt Fachkräfte verloren, was in Zeiten des demografischen Wandels besonders schmerzlich sei.

Sachsen, die für den Job in andere Bundesländer pendeln, arbeiten vor allem als leitende Angestellte, in der Forschung, im Handel, im Büro sowie in IT-Berufen etwa als Softwareentwickler.

Die ganzen Rückkehrerprogramme sind für die Tonne, wenn die Arbeitsbedingungen in Sachsen nicht stimmen. – Markus Schlimmbach, Sachsens DGB-Chef

„Jeder Mensch entscheidet für sich selbst, zu welchen Bedingungen er arbeitet und welche Kompromisse er dafür bereit ist, einzugehen“, sagt Sprecher Frank Vollgold. In westdeutsche Bundesländer zu pendeln, lohne sich rechnerisch allein wegen des Mehrverdienstes unterm Strich nicht immer.

„715 Euro verdient man mehr, wenn man in Sachsen wohnt und in Westdeutschland arbeitet.“ Der Medianlohn (mittlere Lohn) beträgt in Ostdeutschland 3182 und Westdeutschland 3898 Euro brutto.

Vollgold: „Von diesem Mehrverdienst gehen dann aber die Kosten des Pendelns ab. Dazu gehören beispielsweise zusätzliche Kosten für die doppelte Haushaltsführung, für Pendelfahrten zwischen Wohnort und Arbeitsort, Kosten für die Unterhaltung des Pkw und nicht zu unterschätzen: die verlorene Zeit für Kinder und Familie.“

Lukrativ: Vier-Tage-Woche und Homeoffice

Auch neue Arbeitsformen, wie hybrides Arbeiten, die Vier-Tage-Woche oder Homeofficeangebote, machten längere Arbeitswege vertretbarer als noch früher, heißt es aus der Landesarbeitsagentur. Zudem würden Auspendler wegen der günstigeren Lebenshaltungskosten in Sachsen wohnen und in Hochlohnregionen arbeiten.

Für Markus Schlimbach, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB in Sachsen, kommt der Zuwachs zwar überraschend, wie er sagt, bestätigt aber einen langfristigen Trend. „In Sachsen fehlt es an gut bezahlten und sicheren Arbeitsplätzen. Vor allem für Studienabsolventen, aber auch für gut qualifizierte Facharbeiter gibt es zu wenig Job-Perspektiven, die mit guten Arbeitsbedingungen einhergehen“, so der DGB-Chef.

„Da werden lieber stundenlange Anfahrtszeiten und Wochenend-Pendelei in Kauf genommen, um einen guten und sicheren Job zu haben. Die ganzen Rückkehrerprogramme sind für die Tonne, wenn die Arbeitsbedingungen in Sachsen nicht stimmen“, sagt Schlimbach. „Wir brauchen mehr tarifvertraglich abgesicherte Arbeitsplätze in Sachsen und einen grundlegenden Mentalitätswandel bei den sächsischen Arbeitgebern: Wer gute Leute will, muss auch gute und verlässliche Arbeitsbedingungen bieten.“

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