Einen traurigen Anblick bietet der Setzling, den Heiko Belger in der Hand hält. Völlig ausgedörrt, braun. Belger konnte den Trieb ohne Mühe einfach so aus dem Boden ziehen. Eigentlich sollte aus dem Setzling mal ein Christbaum für ein Oberlausitzer Wohnzimmer werden. Doch nun steht Belger inmitten seiner Tannenplantage in Niedercunnersdorf und schaut auf einen Hektar Wüste. „Es tut schon weh“, sagt er, „die Herbstanpflanzung ist komplett verloren.“ An die 10 000 Tannen-Triebe müsse er hier jetzt neu setzen.
Mit 20 Hektar Anbaufläche ist das Tannengut Belger einer der größten Anbieter von Weihnachtsbäumen in der Region. Im Wesentlichen pflanzt Belger Nordmanntannen und die ebenfalls als Weihnachtsbaum beliebten Blaufichten an. Kosten und Arbeit hat er auf seinem Gut das ganze Jahr über – Ernte und Umsatz dagegen nur vor Weihnachten. Viele Kunden holen sich im Dezember ihren Baum direkt von seiner Plantage. Außerdem betreibt er zahlreiche Verkaufsstellen in der Oberlausitz. Etwa 15 Prozent seiner Ernte, so schätzt er, verkauft er in den Landkreis Bautzen. Auch Ulrich Kleinstäuber von der gleichnamigen Gärtnerei in Stolpen blickt in diesem Jahr auf braune Felder. Er verkauft etwa ein Drittel seiner Bäume in den Kreis Bautzen. Von „gravierenden Schäden“ spricht er, etwa anderthalb bis zwei Hektar seiner Jungpflanzen haben den trockenen Sommer nicht überstanden. „Nachpflanzen lohnt sich nicht“, stellt Kleinstäuber fest, „wir werden das gesamte Feld umbrechen.“ Der finanzielle Schaden sei schwer zu schätzen. Allein die Pflanzen kosten zwischen 15 000 und 20 000 Euro pro Hektar, der Ausfall im Verkauf wird sich in etwa zehn Jahren bemerkbar machen.
Für die verdorrten Nordmanntannen kam der Vernichtungsschlag in zwei Wellen. „Erst hatten wir im März noch starken Frost unter minus zehn Grad, aber ohne Schnee“, erklärt Heiko Belger. Der tiefe Frost habe verhindert, dass die noch jungen Pfahlwurzeln der Tannen ausreichend Bodenschluss bekommen. „Dadurch haben die Triebe Schaden genommen“, sagt er. Die Hitzewelle gab ihnen dann den Rest. 15 bis 20 Euro bringen die Bäume je nach Größe im Verkauf. „Allein die Vorbereitung des Bodens mit der Fräse verbraucht Kraftstoff für rund 250 Euro“, rechnet Belger vor.
Ein Weihnachtsbaum-Engpass wegen des Dürre-Sommers droht aber nicht. Die Bäume, die in diesem Winter verkauft werden, stehen schließlich schon ein paar Jahre auf dem Feld. „Wenn die Setzlinge nach etwa einem Jahr richtig Wurzeln gefasst haben, kommen sie auch mit der Trockenheit klar“, sagt Heiko Belger. Sogar einen Vorteil habe die Hitze gehabt: „Wegen der Trockenheit haben wir keine Pilzerkrankungen an den Bäumen.“ Dennoch: Er hofft, dass sich so ein Sommer so schnell nicht wiederholt.
Der Stolpener Ulrich Kleinstäuber blickt mit Sorge ins kommende Jahr. Denn nicht nur der Sommer war entscheidend, auch die Zeit jetzt ist es. Gerade im Herbst durchleben die Bäume eine zweite Phase des Wurzelwachstums, doch jetzt ist es ebenfalls zu trocken. Weil das Wasser und die Nährstoffe im Wurzelbereich fehlen, ziehen die Bäume ihre Energie aus den Ästen. Dort wiederum fehlt sie dann. Das bedeutet: kürzere Triebe, dünnere Nadeln.
Falk Wünderlich betreibt eine Baumschule in Bautzen. In seinem Kleinbetrieb pflanzt er deutlich weniger Weihnachtsbäume an als Belger und Kleinstäuber. So konnte er all seine Pflanzen in der trockenen Zeit bewässern. „Uns sind zum Glück keine Jungpflanzen eingegangen“, bilanziert er.
Gottfried Loitsch aus Herrnhut hat ebenso versucht, seine 2 000 Jungtriebe durch den Sommer zu kriegen. „Ich bin jeden Tag ein paar Stunden raus und habe mit 30 000 Liter bewässert“, sagt er. Trotz der Dürre habe er das Glück, dass sein eigener Brunnen so viel Wasser hergebe. „Ein Drittel der Triebe ist dennoch verdorrt.“
Hohe Wasserkosten, langfristig weniger Bäume auf dem Markt – wird das diesjährige also ein teures Weihnachtsfest? Mit einer Preiserhöhung rechnen Belger, Kleinstäuber und Wünderlich in diesem Jahr nicht. „Der Verlust betrifft ja Bäume, die erst in sechs bis zehn Jahren erntereif gewesen wären“, sagt Belger. Gottfried Loitsch hingegen will trotz bester Versorgung für Weihnachten 2018 eine Preiserhöhung nicht komplett ausschließen. „Wir müssen sehen, was sich auf dem Markt bewegt“, sagt er.
Von Markus van Appeldorn & Theresa Hellwig
Bildquelle: Markus van Appeldorn