Die Zukunftsperspektiven, wie es mit der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden nach dem geplanten Auslaufen der Fertigung Ende 2025 weitergehen soll, verdichten sich.
Zum einen verhandelt offenbar die Technische Universität Dresden (TUD) mit Volkswagen Sachsen über eine strategische Kooperation, um die Gläserne Manufaktur zu einem Innovationsquartier mit internationaler Sichtbarkeit umzuwandeln. Die Universität beabsichtigt, die Hälfte der 60.000 Quadratmeter großen Gesamtfläche anzumieten, um dort mit ausgewählten Exzellenzclustern zwei von insgesamt drei Innovationscampus zu realisieren. Die Themenschwerpunkte sind unter anderem Künstliche Intelligenz und effiziente Chiptechnologien, Robotik, Mobilität der Zukunft, Neue Materialien und Digitaler Zwilling.
Verhandlungen mit der TU Dresden zu Gläserner Manufaktur
Es wird angestrebt, neben Partnerschaften mit führenden Unternehmen etwa aus der Halbleiterindustrie und innovativen Startups auch eine strategische Zusammenarbeit mit dem European Institute of Innovation and Technology (EIT) – dem größten europäischen Netzwerk aus Industrie und Wissenschaft zur Beschleunigung von Innovationen – und der Bundesagentur für Sprunginnovationen in Deutschland (SPRIND) in Leipzig – aufzubauen.
Die TU Dresden bestätigte auf Nachfrage von Sächsische.de, dass es dazu Gespräche gibt. Auch bei VW Sachsen wurden „intensive und konkrete“ Gespräche bestätigt. „Volkswagen sieht großes Potenzial in einer möglichen Zusammenarbeit“, heißt es.
Jan Vogler wirbt in Wolfsburg für seine Wagner-Akademie
Die große Frage ist nun, was soll auf der anderen Hälfte der Manufakturfläche passieren. Volkswagen hatte angekündigt, ein Gesamtkonzept für die Zukunft der Gläsernen Manufaktur vorzulegen. Im kleinsten Werk der Marke VW arbeiten derzeit rund 330 Menschen in der Fertigung des ID.3, in der Auslieferung von VW-Fahrzeugen und im Eventbereich.
Um einem Großteil von ihnen eine berufliche Perspektive zu sichern, würde man davon ausgehen, dass VW bemüht ist, der TU Dresden ein Umfeld zu bieten, in dem sie auch inhaltlich anknüpfen kann. Konkret bedeutet dies, dass der Konzern versucht, Forschungsthemen und eigene Innovationseinrichtungen wie etwa das Data-Lab in München Cariad, MOIA, Elli, oder Catena-X nach Dresden zu bringen, um gemeinsame Innovationsprojekte voranzutreiben.
Doch stattdessen scheint der Leiter der Konzernforschung andere Prioritäten zu verfolgen. Aus Konzernkreisen ist zu hören, dass der Intendant der Dresdner Musikfestspiele, Jan Vogler, in Wolfsburg vehement für seine Idee einer Richard-Wagner-Akademie in Dresden wirbt und dabei bei Nikolai Ardey, dem Innovationschef der Volkswagen-Gruppe und einem ausgebildeten Sänger, scheinbar auf offene Ohren stößt. In internen Meetings mit der Konzernforschung gehe es wenig um Forschung, aber viel um Jan Vogler und Musik, heißt es. Die Abteilung ist seit Monaten aufgefordert, ihren Teil zum Zukunftskonzept der Gläsernen Manufaktur auszuarbeiten. „Bis auf ein paar wohlklingende Überschriften ist bislang nichts passiert“, so der Unmut.
In dem Entwurf eines „Letter of Intends“ zur Kooperation mit der TU Dresden, der Sächsische.de vorliegt, heißt es: „Entsprechend ihrer heutigen Positionierung soll die GMD (Gläserne Manufaktur Dresden) weiterhin eine offene, und lebendige Schnittstelle zur öffentlichen Gesellschaft sein. Dabei hat sich die GMD nicht nur als Schaufenster von Technologie und Industrie, sondern auch als besondere innovative Kulturstätte für Musik und Kunst etabliert, was sich u.a. durch regelmäßige Konzerte hochkarätiger Künstler dokumentiert, die einen großen Publikumsmagnet bilden.“
Gespräche am Rande der Kulturstadt-Eröffnung in Chemnitz
Es sollen regelmäßig hochkarätige Konzerte mit renommierten Künstlern veranstaltet werden. Zu den Gerüchten, dass die Richard-Wagner-Akademie ebenfalls in die Gläserne Manufaktur einziehen soll, will sich der Sprecher von VW Sachsen nicht äußern. „Wir schätzen Jan Vogler als Intendant und Künstler nach wie vor sehr. Die Zusammenarbeit mit Volkswagen ist jedoch seit mehreren Jahren beendet“, heißt es nur. Dem Vernehmen nach wollen offenbar hochrangige VW-Manager heute am Rande des Festakts zur Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres in Chemnitz mit Ministerpräsident Michael Kretschmer über diese Idee sprechen.
Im vergangenen September hatte Vogler, Intendant der Dresdner Musikfestspiele, mit Plänen für eine neues Konzerthaus am Königsufer überrascht. Für rund 60 Millionen Euro sollte in einem Neubau ein Kammermusiksaal, Probenraum und eine Richard-Wagner-Akademie entstehen. Der Freistaat wie die Stadt Dresden sollten jeweils 20 Millionen Euro beisteuern. Der Stadtrat hatte dem Projekt im Dezember einen Riegel vorgeschoben, in Zeiten massiver Einsparungen bei Kulturstätten und einer extrem angespannten Haushaltslage wäre das nicht realisierbar. Das Projekt hatte für heftige Debatten gesorgt, weil Vogler ohne Kenntnis von Stadt und Landesregierung bereits für Fördergelder beim Bund gesorgt hatte.
Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) mahnt VW zu seinem Wort zu stehen, die Gläserne Manufaktur zu erhalten und weiterhin aktiv mitzugestalten. Das umfasse auch eine Perspektive für die aktuelle Belegschaft. „Tragfähige Lösungen, die bestehende Arbeitsplätze erhalten und möglichst den industriellen Charakter der Gläsernen Manufaktur bewahren, würden wir sicherlich unterstützen“, betont Panter. Dazu brauche es jetzt aber Gespräche und nicht Spekulationen, heißt es.
Konzernbetriebsrat begrüßt Gespräche mit TU Dresden
Der Konzernbetriebsrat von VW begrüßt die Gespräche mit der Technischen Universität Dresden nach eigenen Worten „außerordentlich“. „Spitzenforschung und Innovation würden gut zu den bisherigen Aktivitäten in der Gläsernen Manufaktur passen, die bei vielen Entwicklungen und Anwendungen erfolgreich half, neue Technologien schrittweise reifen zu lassen und schließlich auf reale Großserienprozesse zu übertragen“, betont ein Sprecher des Konzernbetriebsrats. Eine Partnerschaft mit der TU Dresden wäre auch „attraktiv für den bestehenden Charakter der Gläsernen Manufaktur als Marken-Erlebniswelt für möglichst viele Interessierte sowie unsere Kundinnen und Kunden“, heißt es weiter. In den Tarifverhandlungen Ende 2024 habe für den Konzernbetriebsrat nie zur Debatte gestanden, die Gläserne Manufaktur aufzugeben. Daher müsse nun laut dem Verhandlungsergebnis ein Gesamtkonzept entstehen, in dem Volkswagen am Standort präsent und möglichst viele Arbeitsplätze bestehen bleiben, fordert der Konzernbetriebsrat.
SZ