Von Markus van Appeldorn
Kaum eine Branche hat mit den Folgen des Ukraine-Kriegs, den steigenden Energiepreisen und vor allem osteuropäischer Konkurrenz so zu kämpfen wie die Transportbranche. Nun hat es ein alteingesessenes Unternehmen erwischt: Über das Transportunternehmen Behner aus Neugersdorf hat das Amtsgericht Dresden am 1. Dezember die Insolvenz eröffnet. Schon jetzt ist klar: Das Unternehmen hat keine Chance mehr – wird abgewickelt. Der zweite Schlag für das Transportwesen im Kreissüden – erst jüngst wurde bekannt, dass die Eibauer Spedition Priebs wegen der gleichen Problem-Gemengelage erheblich schrumpfen musste, um nicht insolvent zu gehen.
Täglich kommt Alexander Behner (54) noch ins Büro seines Transportunternehmens an der Eibauer Straße in Neugersdorf – obwohl es dort für ihn nichts mehr zu tun gibt. „Von meinen Aufgaben als Geschäftsführer bin ich entbunden – es ist einfach irgendwie Gewohnheit“, sagt er der SZ am Telefon. Eine Sekretärin ist noch geblieben, die Anrufe entgegennimmt. Das war’s. Und neun Lastzüge stehen noch auf dem Hof – und dort bleiben sie auch stehen, bis der Insolvenzverwalter sie verwerten kann. „Seit dem 1. Dezember rollt hier nichts mehr“, sagt Behner.
Hauptkunde macht eigene Spedition in Polen auf
Das Aus eines Traditionsbetriebs. 1978 hat Behners Vater das Unternehmen gegründet. Und gerade nach der Wende ist die Firma stark gewachsen – vor allem wegen eines einzelnen Kunden. „30 Jahre sind wir für den gefahren, unser absoluter Hauptkunde“, sagt Behner. In Spitzenzeiten standen 27 Lastzüge auf dem Hof, die speziell die Waren dieses Kunden durch ganz Europa fuhren. Doch vor drei Jahren dann erfolgte ein Schlag ins Kontor, von dem sich Behners Unternehmen nie mehr erholen sollte. „Der Kunde hat ein eigenes Transportunternehmen in Polen gegründet und wir waren von jetzt auf gleich raus“, sagt Behner – polnische Fahrer und Lkw fahren eben wesentlich günstiger. „Die haben da einen Mindestlohn von fünf Euro“, sagt er.
Diese Konkurrenz für heimische Unternehmen durch Frächter aus dem osteuropäischen EU-Ausland würde auch durch die aktuellen EU-Kabotage-Bestimmungen befördert. Diese Bestimmungen regeln, unter welchen Bedingungen ausländische Frächter auch innerhalb Deutschlands oder anderen westlichen EU-Staaten Transporte durchführen dürfen – sie sollen eigentlich die jeweils einheimischen Frächter schützen, bewirken in der Realität jedoch das Gegenteil. „Da hat die EU für die Polen ein nettes Mobilitätspaket geschnürt“, sagt Behner.
Ruinöser Wettbewerb dank EU-Regelung
Kabotage bedeutet begrifflich die Tätigkeit von Transportunternehmen außerhalb ihres Heimatlandes. Nach den Bestimmungen darf etwa ein polnischer Frächter, der zuvor Waren aus Polen nach Deutschland ausgeliefert hat, hier vor der Rückkehr nach Polen bis zu drei Transportaufträge annehmen. Und: Er muss nicht einmal wirklich Fracht von Polen nach Deutschland befördern – leere Paletten reichen schon aus. Beispiel: Ein polnischer Lkw fährt von Wroclaw (Breslau) erst mit Ladung (leerer Paletten) nach Görlitz und lädt diese dort ab, nimmt dort Ladung für München auf, dort dann wieder für Hamburg und eine dritte Ladung nach Berlin. Ebenso kann’s aber auch von Wroclaw erst nach Paris, dann weiter nach Amsterdam, München und Wien gehen. Was bleibt: drei mal voller Laderaum, ein paar leere Paletten in Görlitz – so einfach geht das.
Diese Kabotage-Situation führt zu einem ruinösen Wettbewerb für deutsche Frächter. „Ich kann eine einträgliche Fracht aus der Oberlausitz heraus fahren“, sagt Behner – aber am Entladeort fangen die Probleme eben an. „Um den Lastzug nicht leer zurückfahren zu lassen, muss ich mir eine Fracht auf dem sogenannten Spot-Markt suchen“, erklärt er. Dort bieten etliche Kunden Ladungen an. Aber: „Dieser Spot-Markt ist in Deutschland in der Hand polnischer Frächter auf der Suche nach Kabotagefracht, die mit ihren geringen Kosten eben die Preise bestimmen“, sagt er. Viele Verlader würden diesen Umstand mittlerweile gnadenlos ausnutzen. „Besonders vor dem Wochenende, wenn die wissen, die Polen oder auch unsere Leute wollen heim, bieten die Ladungen für eine Frachtrate von unter einem Euro pro Kilometer an und sagen: Nimm es, oder lass es – mehr gibt’s nicht.“
Bei solchen Frachtraten muss Behner drauflegen. Er rechnet vor: „Allein Diesel und Maut kosten 70 Cent pro Kilometer. Und davon ist dann noch kein Lohn gezahlt, kein Unternehmerlohn und keine Abschreibung für das Fahrzeug.“ Allein die Fahrzeugtechnik sei seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs 30 Prozent teurer geworden, der Kraftstoffzusatz AdBlue 300 Prozent. „Für eine rentable Fracht bräuchten wir Minimum eine Rate von 1,70 bis 1,80 Euro pro Kilometer“, sagt er. Und die Kostensteigerung nimmt kein Ende: Seit dem 1. Dezember wird ein CO₂-Zuschlag auf die Maut erhoben und ab 2024 würden sämtliche Straßen in Deutschland für Lkw bemautet – „34,8 Cent pro Kilometer“, sagt er. Zu einem großen Teil aber könne er diese Mehrkosten nicht an Kunden weitergeben – wie man am harten Poker um die Frachtraten sieht.
Alexander Behner hat auch einfach keine Lust mehr. „Fahrpersonal findet man eh nicht mehr und die Zustände auf den Autobahnen werden immer unzumutbarer“, sagt er. Verzweiflung. Frust. Und so enden 45 Jahre Unternehmensgeschichte. Abgewickelt.