Von Ulrich Milde
Freyburg. Alt, aber jung geblieben. Das trifft offenbar auf Rotkäppchen zu. 1856 wurde der Sekt erstmals vertrieben. Im Laufe der vielen Jahre hat er sich, allen geschichtlichen Wirrungen zum Trotz, behauptet und ist in der Bundesrepublik mit einem Marktanteil von 38 Prozent die Nummer eins. Und das als ostdeutsches Produkt – eine märchenhafte Geschichte. „Unsere strategische Ausrichtung mit innovativen Marken, ein vielfältiges Portfolio und eine langfristige Geschäftspolitik sind das Fundament unseres Erfolgs“, sagte Christof Queisser, der im März seinen Posten an der Spitze des Sekt-, Wein- und Spirituosenherstellers an Silvia Wiesner übergab.
Zum Abschied schenkte Queisser, der inzwischen Chef der Beteiligungsgesellschaft Maxingvest in Hamburg ist, zu der 100 Prozent von Tchibo und mehr als die Hälfte der Beiersdorf AG (Nivea, Tesa, Florena) gehören, seiner Nachfolgerin zwei neue Produkte: „Secconade“ und „Seccomate“, neue Getränke mit Kohlensäure speziell für den Teil der Generation Z (Gen Z), der mindestens 18 Jahre alt ist. Gen Z umfasst generell junge Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden.
Partner in der Produktentwicklung
Das Besondere dabei: Das Unternehmen aus Freyburg an der Unstrut im südlichen Sachsen-Anhalt hat Secconade und Seccomate – ein Mix aus Secco und Limo beziehungsweise Secco als Matevariante mit Koffein – in enger Zusammenarbeit mit der Gen Z entwickelt. Secco ist eine moderne Bezeichnung für Perlweine. Sie sind relativ preiswert, da sie nicht der Sektsteuer unterliegen, und verfügen über einen höheren Anteil an Kohlensäure. „Wir haben wir uns erstmals an den Trends hausgemachte Limonade, Schaumwein und Low-Alcohol orientiert“, so Rotkäppchens Marketingchefin Stephanie Schieszl.
Der Getränkehersteller, der im vorigen Jahr auf einen Umsatz von 1,28 Milliarden Euro kam (plus ein Prozent), hat die jungen Menschen nicht nur als Zielgruppe, sondern als Partner in der Produktentwicklung betrachtet. Bundesweit etwa 2000 Vertreter dieser Generation „haben wir im Rahmen verschiedener Marktforschungsstudien in den Entwicklungsprozess mit eingebunden“, berichtet Wiesner. „Wir sind überzeugt: Wer die Gen Z erreichen will, darf nicht nur über sie reden, sondern muss mit ihr reden.“ Marketingexpertin Dora Osinde ergänzt das. „Die Gen Z über 18 will aktiv in die Gestaltung von Produkten und Botschaften einbezogen werden.“
Sehnsucht nach Status
Marken, die dies berücksichtigten, könnten eine langfristige Beziehung zu dieser Zielgruppe aufbauen und hätten einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. „Das Image einer ‚woken Klima-Kleber‘-Generation ist falsch“, betont Zukunftsforscher Tristan Horx. Es sei eine Gegentrend-Generation, die sich in unsicheren Zeiten nach Stabilität und Status sehne und nichts gegen Konsum habe.
Dabei ist sie weitaus nüchterner als ihre Vorgänger. Sprich: Sie trinkt weniger Alkohol. Weshalb die neuen Rotkäppchen-Marken auch nur 5,5 beziehungsweise 7 Prozent Alkohol enthalten. Wiesner spricht da von einem „moderaten Alkoholgehalt“. Hochprozentiges ist nicht so gefragt. Nach Ansicht von Experten spielen zwei Entwicklungen in diese Tendenz hinein. So beschränken sich viele Begegnungen auf den virtuellen Raum. Schließlich handelt es sich bei dieser Generation um Digital Natives, also Menschen, die von klein auf mit digitalen Technologien aufgewachsen sind. Abendliche Treffen, bei denen Alkohol getrunken wird, gibt es dadurch seltener. Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen während der Corona-Pandemie hätten das verschärft. Für Menschen jeden Alters soll es also das passende Getränk geben. „Wir verbinden Generationen“, heißt es dazu bei Rotkäppchen.