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Programmieren: „Man muss den Mädels einen extra Stups geben“

Informatik ist noch immer Männersache. Auch die Dresdnerin Finja Adam ist eine der wenigen Frauen in ihrer Informatik-Klasse. Wie sie das ändern will.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht drei Schülerinnen, die gerade lernen wie man einen Laptop auseinander baut
Programmieren soll Frauensache werden: Deshalb lernen die Grundschülerinnen Clara, Isabella und Alma, wie sie einen Laptop auseinander bauen. © Jürgen Lösel

Von Luisa Zenker

Aufgeschraubt liegt der Laptop auf dem Tisch. Die elfjährige Isabella blickt auf die grün-silberne Platine in der Mitte. „Das ist das Rathaus vom Computer und das ist das Kurzzeitgedächtnis“, zeigt sie auf den schwarzen Arbeitsspeicher.

Sie nimmt eine Schraube in die Hand und versucht die beiden Teile zusammenzufügen. Isabella hat eigentlich Ferien, trotzdem wollte sie heute in die Schule kommen. Denn in dieser Woche lernen die Grundschülerinnen, wie sie einen Laptop auseinanderbauen und programmieren können. „Ich bin eigentlich eine Niete in Computern, aber das macht Spaß.“

Ein Programm nur für Mädchen

Es ist das erste Angebot dieser Art an Sachsens Grundschulen. Und es richtet sich nur an Mädchen. „Warum studieren noch immer so wenig Frauen Informatik“, hat sich die Dresdnerin Finja Adam gefragt. Die 20-Jährige absolviert momentan ein Studium der Medieninformatik an der Dresdner Berufsakademie.

Ihre Klasse besteht aus 27 Schülern. Und fünf Schülerinnen. In ihrem Studienfach gibt es eine einzige Dozentin. „Und das für Design.“ Die restlichen Lehrer sind alle männlich. Informatik ist in ganz Deutschland noch immer Männersache. Im Jahr 2022 waren von 138.000 Informatik-Studierenden 26.000 weiblich, zeigen Daten des Centrum für Hochschulentwicklung. Das sind gerade mal 19 Prozent.

Junger Nachwuchs für Techfirmen: Die – Schülerinnen Lilli und Elena werden von Brianna Njeri Hinz extra angeleitet. Die 16-jährige Brianna Njeri Hinz macht gerade ihren Ferienjob bei dem Softwareunternehmen und überlegt, Programmiererin zu werden
© Jürgen Lösel

Informatik-Studierende sind vor allem männlich

Finja Adam will das ändern und mehr Frauen fürs Programmieren begeistern. Darum hat sie mit ihrem Ausbildungsunternehmen „Sandstorm“ einen zweitägigen Unterricht für die Melli-Beese-Grundschule in Dresden entwickelt. Zehn Schülerinnen sitzen deshalb jetzt vor ihr und schauen konzentriert in die Computer.

„Ich habe noch nie einen Laptop benutzt“, sagt die siebenjährige Lilli und klickt mit der Maus auf das Programm „Calliope“. Eine Software, die Kindern spielerisch das Programmieren beibringt. Lilli soll eine Leiterplatte zum Leuchten bringen. Nach einer halben Stunde Zuhören und Nachmachen blinkt tatsächlich die Platine in Rot: Erst ein lächelnder, dann ein trauriger Smiley erscheinen abwechselnd auf der Leiterplatte. „Ich fand es cool, aber es war auch kompliziert“, sagt Lilli, die jetzt erstmal eine Pause braucht und mit ihren Freundinnen verstecken spielt.

Die Leiterplatte sollen die Mädchen mit Musik und leuchtenden Symbolen zum Leben erwecken.
© Jürgen Lösel

Männer programmieren Software für Männer

„Die Jungs haben meist schon viel Erfahrung mit Computern. In der siebten Klasse zocken sie mit ihren Freunden. Man muss den Mädels einen extra Stups geben“, begründet Karoline Bünker, warum sie an Grundschulen den Unterricht nur für Mädchen ausprobiert. Die 41-Jährige ist verantwortlich für die nachhaltige Geschäftsentwicklung des Dresdner Softwareunternehmens Sandstorm. Das 35-köpfige Team hat sich auf die Fahne geschrieben, mehr Frauen einzustellen. Während 2018 noch keine einzige weibliche Person in dem Betrieb arbeitete, sind es jetzt 30 Prozent. „Wir stellen nach Talent ein, nicht nach Erfahrung“, so Karoline Bünker, die weiß, dass Jungs nach der Schule größtenteils mehr übers Programmieren wissen und sich deshalb eher für ein Informatikstudium entscheiden. Aber das hat Folgen auf den Alltag. „Weiße Männer programmieren Software für weiße Männer“, erklärt Karoline Bünker.

Sie nennt als Beispiel Spracherkennungssoftware, die zu Beginn schlecht auf Frauenstimmen reagierte. Ein Unesco-Bericht kommt außerdem zu dem Schluss, dass Produkte wie Siri, Microsofts Cortana oder Amazons Alexa dazu beitragen, Geschlechtervorurteile zu fördern, hatten sie doch anfangs nur Frauenstimmen vorgesehen.

Aber die Folgen seien noch viel tiefgreifender, so Karoline Bünker, die sich für Diversität im Unternehmen einsetzt. Für ältere Menschen sei eine gelbe Schrift auf grauem Hintergrund im Internet eben schlechter zu lesen – ein Softwareteam müsse deshalb divers sein, im Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund.

Informatik war lange Zeit Frauensache

Bünker ist es deshalb wichtig, dass die Mädchen eine bekannte Pionierin der Informatik kennenlernen: Ada Lovelace. Sie schrieb das erste komplexe Computerprogramm der Welt. Tatsächlich war Informatik lange Zeit Frauensache. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war mit „Computer“ keine Maschine, sondern eine weibliche Rechnerin gemeint. Den billigen Arbeitskräften wurde jedoch meist eine Beförderung verwehrt, weshalb sich die Informatik zu einer Männerdomäne entwickelte. Die Mädchen an der Melli-Beese-Grundschule bekommen deswegen extra einen Aufkleber von der Informatik-Pionierin Ada Lovelace, um an die historische Frauendomäne in der Informatik zu erinnern.

Dass das man hier bereits in der Grundschule für die Informatik wirbt, ist ungewöhnlich. Meist beginnen Betriebe mit dem Recuriting in der neunten Klasse. „Der Berufswunsch wird schon so früh entscheiden“, sagt Katharina Rublev. Sie koordiniert das Programm ProGTA vom Landesverband Sächsischer Jugendbildungswerke. Sie organisiert an etwa 30 sächsischen Schulen Programmierkurse für Kinder. Das Projekt sei immer auf der Suche nach interessierten Dozenten und Schulen, die Kinder für die Technik begeistern wollen.

Dass die Grundschülerinnen an diesem Vormittag ein einmaliges Erlebnis haben, ist ihnen von den Augen abzulesen. Möglicherweise können sie damit dann den Jungs nach den Ferien etwas vormachen. Und mal sehen, wer sich zu Weihnachten einen Laptop wünscht, um ihn aufzuschrauben oder eine Programmiersprache zu lernen. Denn diesen Satz haben sie an diesem Tag besonders häufig gehört: „Ihr seid tolle Programmiererinnen.“

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