In den Nachkriegswirren des Jahres 1919 gründeten die Chemnitzer Ingenieure Johannes Liebert und Arthur Gürtler eine Werkzeugmaschinenfabrik, die ihre Namen trug. „Die hatten damals Mut“, sagte Marcus Kamm, Geschäftsführer der Firma, die heute Rasoma heißt. Der Name stammt aus dem Jahr 1980 und steht für „Rationalisierungs- und Sondermaschinen“ – eine Bezeichnung, die immer noch zu dem passt, was die Firma heute betreibt.
Rasoma baut Vertikaldrehmaschinen und sogenannte Endenbearbeitungszentren für die Massenproduktion, außerdem Automatisierungstechnik. „Die eine oder andere lukrative Sondermaschine ist auch dabei“, sagte Kamm.
Am Freitag will Rasoma 100-jähriges Bestehen feiern. Seit 1919 ist viel passiert. Die Gründer haben die Inflation durchgemacht. 1945 wurde der gesamte Betrieb als Reparation demontiert und in Nowosibirsk wieder aufgebaut. 1972 erfolgte die endgültige Enteignung, später die Angliederung an das Werkzeugmaschinenkombinat „7. Oktober“.
Wirtschaftlich ging es auf und ab. 1929 verließ die 2000. Drehmaschine die Firma. Nach der Demontage war die Firma 1955 wieder mit einer Drehmaschine auf der Leipziger Messe vertreten. Nach der Wende und drei Jahren als Treuhandbetrieb übernahmen Jürgen Kamm und Peter Kaiser Rasoma und brachten sie durch magere Jahre wieder nach oben.
Heute sind die Aussichten besser denn je. Vor drei Jahren hatte die Firmengruppe Niles-Simmons-Hegenscheidt mit Sitz in Chemnitz die Mehrheitsanteile von Rasoma übernommen. „Das war der richtige Schritt“, sagte Marcus Kamm.
Mit der Zugehörigkeit zu der Firmengruppe, die mit 410 Millionen Euro Umsatz mit zu den großen der Branche zählt, hat auch Rasoma Zugang zu vielen Märkten. Die Gruppe fertigt zum Beispiel Fertigungslinien für die Eisenbahnindustrie.
Für einen Betrieb in der Ukraine hatte Rasoma erst ein sogenanntes Flächenportal von 30 mal zehn Metern gebaut, mit dem 1,3 Tonnen schwere Eisenbahnräder automatisch von einer Werkzeugmaschine zur anderen transportiert werden. „Die Maschinen kommen aus Chemnitz, wir haben die Automatisierung gemacht“, sagte Kamm. „Das ist ein Weg, den Umsatz zu steigern.“
Die Herren Liebert und Gürtler würden wahrscheinlich sehr staunen über das, was ihre Kollegen heute konstruieren und bauen. In einer Halle steht eine Drehmaschine mit Transmissionsantrieb aus den 1920er- Jahren, damals Hochtechnologie. Ihr gegenüber arbeitet ein absolutes Spitzenprodukt von heute aus dem Haus Rasoma.
Mit der Maschine kann harter Stahl gedreht und geschliffen werden. Um die nötige Genauigkeit zu erreichen, ist das Maschinenbett aus einem einzigen großen Granitblock von mehreren Tonnen Gewicht gefertigt worden.
Kamm erklärt den Vorteil: Im Gegensatz zu Metall ist Granit gegen Temperaturschwankungen ziemlich unempfindlich und ändert kaum seine Maße. Schwingungen werden von dem Stein gut abgebaut. „Damit waren wir im vergangenen Jahr auf der Messe. So eine Maschine muss man im Haus haben“, sagte Kamm.
Modern sind auch Maschinen zum Unrunddrehen. Damit lassen sich beispielsweise Bremsscheiben für Automobile kosengünstig fertigen.
Mit 96 Mitarbeitern hat Rasoma im vergangenen Jahr einen Umsatz von 11,5 Millionen Euro gemacht. In diesem Jahr sind 13 Millionen geplant, sagte Kamm. Personal ist wie überall knapp. An Lehrlingen ist aber kein Mangel.
„Sieben haben im vorigen Jahr angefangen. In diesem Jahr haben sechs unterschrieben. Mal sehen, wie viele davon kommen“, sagte Kamm. Die Firma ist auf Ausbildungsmessen unterwegs, auch Mundpropaganda funktioniert. Die meisten seiner Mitarbeiter hat Rasoma selbst ausgebildet.
Marcus Kamm hat als Geschäftsführer 22 Jahren Firmengeschichte mitgeschrieben. „Ich habe 1986 meine Diplomarbeit bei Rasoma gemacht“, erzählte er. Die konstruierte Baugruppe für eine Drehmaschine sei dann tatsächlich gebaut worden. Steffen Kümmling, damals Konstruktionsleiter, arbeitet immer noch im Betrieb, sagte Kamm.
Zum Reden über alte Zeiten gibt es Gelegenheit. Nach der offiziellen Feier am Freitag, zu der auch Ministerpräsident Michael Kretschmer kommt, werden sich die ehemaligen Mitarbeiter treffen.
Von Jens Hoyer
Foto: © Dietmar Thomas