Florian Reinke und Andreas Dunte
Leipzig. Es sollte eines der größten Wasserstoff-Werke Deutschlands werden – doch nun droht das vorzeitige Ende: Die Wasserstoff-Herstellung des Unternehmens HH2E in Thierbach südlich von Leipzig steht vor dem Aus. Der Investor, die HH2E Werk Thierbach GmbH mit Sitz in Borna, steckt in einem Insolvenzverfahren. Die Mutter des Unternehmens, die HH2E AG, durchläuft ebenfalls eine Insolvenz in Eigenverwaltung und wurde daher aufgelöst, wie aus einer entsprechenden Bekanntmachung und einem Auszug aus dem Handelsregister hervorgeht. Versucht man, ehemalige Mitarbeiter zu kontaktieren, folgt die automatische E-Mail-Rückmeldung: Der Geschäftsbetrieb sei eingestellt, daher sei keine Antwort möglich.
Für Mitteldeutschland ist die wirtschaftliche Schieflage brisant. Ursprünglich hatte es geheißen, die Insolvenz der Mutter habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Tochtergesellschaft und das HH2E-Projekt im Leipziger Südraum. Ob sich andere Investoren finden oder eine Rettung des Projekts möglich ist, erscheint offen. Der zuständige Sachwalter aus Berlin wollte Fragen dieser Zeitung nicht beantworten und verwies darauf, dass es sich um ein nichtöffentliches Verfahren handelt.
Politik setzte auf HH2E
Die Pläne von HH2E im Leipziger Südraum waren ambitioniert und sorgten deutschlandweit für Aufsehen. Für 350 Millionen Euro sollte in Thierbach bei Borna eine Anlage entstehen, in der grüner Wasserstoff hergestellt und erneuerbare Energien gespeichert werden. 150 neue Arbeitsplätze waren geplant.
Auch Politiker hatten Hoffnungen in das im Jahr 2020 gegründete Unternehmen gesetzt. Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von 4000 Megawatt wollte HH2E bis 2030 bauen. Das hätte 40 Prozent der von der damaligen Bundesregierung geplanten Kapazitäten entsprochen.
Wir sind traurig, dass die HH2E ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat und das H2-Werk zunächst nicht kommt. Es ist ein Projekt, auf das wir lange hingearbeitet haben. – Oliver Urban (SPD), Oberbürgermeister Stadt Borna
HH2E sei es nicht gelungen, ausreichend Abnehmer für den in Thierbach zu produzierenden Wasserstoff zu finden, berichtet ein mit dem Projekt Vertrauter. Zudem habe der britische Geldgeber den Geldhahn zugedreht. „Das ist wirklich tragisch und sehr schade“, sagt der Insider.
Bedauern in der Wasserstoff-Branche
In der Region löst die Krise, in die HH2E geraten ist, großes Bedauern aus. Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland und Vorstand des Wasserstoffvereins Hypos, erklärte: „Als Wasserstoffnetzwerk Hypos bedauern wir es außerordentlich, dass es nicht gelungen ist, das HH2E-Werk in Thierbach anzusiedeln.“ Laut Tobaben handelte es sich beim HH2E-Elektrolyseur um das aktuell größte Projekt für die Produktion von grünem Wasserstoff in Mitteldeutschland. „Wir hatten daher eine Riesenhoffnung“, sagte er.

Quelle: Andre Kempner
Auch wenn auf Nachfrageseite derzeit keine große Lücke entstehe, sei die Nachricht „ein schwerer Schlag“. Tobaben hofft, dass ein Investor gefunden wird, der das Projekt doch noch realisiert.
Borna hofft auf neuen Investor
In Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) sei Derartiges gelungen. Dort wollte HH2E ebenfalls Wasserstoff produzieren. Jetzt hat das Rostocker Unternehmen H2APEX das Wasserstoffprojekt übernommen.
Oliver Urban (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Borna, betonte: „Wir sind traurig, dass die HH2E ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat und das H2-Werk zunächst nicht kommt. Es ist ein Projekt, auf das wir lange hingearbeitet haben.“ Man wisse, dass der Insolvenzverwalter versuche, den Standort zu retten. „Daher hoffen wir, dass ein Investor gefunden wird.“
Wasserstoff-Branche von mehreren Rückschlägen getroffen
Die Krise in der Wasserstoffbranche spitzt sich derzeit zu: So hat sich EnviaM aus dem Konsortium Green Bridge zurückgezogen. Ziel ist es, Elektrolyseure und Leitungen für den Transport zum Kunden aufzubauen. Der mitteldeutsche Energieversorger hatte die Abkehr vom Projekt mit der Wirtschaftlichkeit begründet. Es gilt als grundsätzliches Problem, dass Wasserstoff nach wie vor knapp und teuer ist.
Hinzu kommen politische Weichenstellungen: Grüner Wasserstoff sollte als Ersatz von Erdgas in Gaskraftwerken dienen. Nach dem Willen der früheren Ampel-Koalition sollte es beim Bau neuer Kraftwerke eine verpflichtende Umstellung auf den Erdgasersatz geben.
Das ist unter Schwarz-Rot offenbar Geschichte. Laut Koalitionsvertrag hält die neue Regierung zwar am Bau neuer Gaskraftwerke fest – so sollen bis zu 20 Gigawatt an neuen Gaskraftwerkskapazitäten entstehen –, aber von der Verpflichtung zur Umstellung auf Wasserstoff ist im Papier nichts zu finden.