Von Stephan Schön
Hier beginnt eine neue Zeit des Bergbaus. Und es sind Biologen, die dafür die entscheidende Voraussetzung liefern: Mit ganz speziellen Bakterien. Sie fressen das Metall aus Berg. Aber mehr noch. Wissenschaftler der TU Bergakademie Freiberg bauen jetzt genau damit unter Tage eine industrielle Pilotanlage auf, wie es sie weltweit noch nicht gibt. In einem alten Bergwerk bei Pöhla an der Lagerstätte Tellerhäuser.
Unter Tage sollen aus dem Erz Rohstoffe wie Kupfer, Zink und vor allem Indium gewonnen und aufbereitet werden. Ganz ohne Abraumhalde, ohne giftige Abwasser, ohne Umweltschäden.Klingt unglaublich, entsteht aber ganz real soeben in Sachsen.
Mit fünf Millionen Euro fördert die EU dieses internationale Großprojekt der Bergakademie. In drei Jahren soll es die Voraussetzungen für einen neuartigen Bergbau mittels Biolaugung unter Tage liefern. „Und das bei geringem Energieeinsatz und ohne die sonst für solche Prozesse typischen schädlichen Abgase“, sagt dazu Sabrina Hedrich der SZ. An der Bergakademie ist sie die Institutsleiterin der Biowissenschaften und leitet das internationale Forschungsprojekt Xtract. Bis Dezember 2026 läuft es nun. Es soll einen neuen, umweltverträglichen und energiearmen Bergbau mit mehreren Pilotprojekten testen. Der erste entsteht soeben im Erzgebirge. „Die große Herausforderung ist dabei, dass es effizient genug für industrielle Anwendungen wird.“ Das ist das Ziel.

Bei Erkundungen und Bohrungen in der Lagerstätte Tellerhäuser wurde ein geologischer Bereich gefunden, der ausreichend Erze enthält und von wasserundurchlässigen Schichten umschlossen ist. In dieses natürliche Bassin wird durch das Gestein eine Lauge gepumpt und unter Tage wieder abgesaugt. Das Wichtigste in dieser Lauge: Sie enthält Bakterien. Solche, die die Biologen hier vor Ort im Gestein gefunden hatten. Solche, die hier zu Hause sind und sich von dem Gestein, seinen chemischen Verbindungen ernähren.
Die Bakterien wurden isoliert, vermehrt und bekommen nun ideale Fressbedingungen, damit sie die wichtigen Rohstoffe aus dem Berg herausholen. Es entsteht keine Abraumhalde, kein Schlackekegel. Weder Gesteinsmühlen noch Hochöfen sind nötig, um die Metalle zu gewinnen.
„Wir holen nur den Rohstoff nach oben“, sagt Sabrina Hedrich. „Wir holen nichts aus dem Berg, was wir nicht brauchen.“ Der bleibt, wie er ist. Ohne Gift und ohne Hohlraum. Lediglich die mikroskopisch kleinen Teilchen der wertvollen Rohstoffe werden aus dem Erz gelaugt. Mittels Bakterien, die sowieso in genau diesem Berg leben und sich durch den Stein fressen. „Für Menschen sind die belanglos, völlig ungefährlich“, sagt Hedrich Aber in jedem Bergwerk, in jedem Gebirge sind diese Mikroben ein wenig anders. Halt spezialisiert auf das jeweils dort vorkommende Gestein. Die Wissenschaftler holen sich daher die helfenden Mikroben von dort, wo sie natürlich vorkommen, berichtet die Projektleiterin.

Durch ein Membrantrennverfahren werden die Mikroorganismen abgetrennt und die Wertmetalle nach Ladung und Größe sortiert. Unter Tage werden die Stoffe so angereichert, dass sie die Industrie verwenden könnte. Das Wasser aus der Laugung bleibt unter Tage, wird wieder aufbereitet, sodass es wiederverwendet werden kann.„Dieses Verfahren eignet sich besonders für Erze oder Reststoffe aus dem Bergbau, in denen nur geringe Konzentrationen der Metalle enthalten sind – sogenannte Armerze“, erklärt die Bio-Professorin. Davon gibt es im Erzgebirge reichlich. Alte Stollen und Lagerstätten, die vor Jahren noch unattraktiv waren. Aber eben auch Schlacken, Aschen und die vielen alten Halden. Selbst die derzeit aus alten Bergwerken abfließende belasteten Gewässer ließen sich reinigen und daraus Rohstoffe gewinnen.
Was unter Tage eben getestet wird, soll auch oberirdisch an alten Bergbauhalden und Altlasten gelingen. Dort werden ebenfalls wertvolle Rest-Rohstoffe aus den armen Erzen (den Armerzen) umweltschonend herausgeholt. In Portugal, Schweden und Griechenland wird dies im Rahmen des Projekts Xtract getestet.
Neun Länder sind an Xtract beteiligt, 14 Institutionen, unter anderem auch die Saxore Bergbau GmbH. Hier wird soeben ein neuer, nachhaltiger Bergbau erfunden. Koordiniert und maßgeblich entwickelt von der TU Bergakademie Freiberg.