Von Georg Moeritz
Dresden. Mehr Unterstützung und bessere Bezahlung sind nach Ansicht der Linksfraktion im Sächsischen Landtag nötig, um dem Arbeitskräftemangel in Sachsen zu begegnen. Das Problem werde nicht behoben, indem Menschen noch länger arbeiten müssten, sagte am Montag in Dresden Nico Brünler, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion, vor der Presse.
Brünler verwies auf eine Prognose aus dem Sozialbericht der Landesregierung, nach der bis 2035 jedes Jahr durchschnittlich 20.000 Arbeitskräfte in Sachsen fehlen werden. Der Grund ist, dass mehr Menschen ins Rentenalter kommen, als aus den Schulen nachrücken. Brünler sagte, die CDU-geführten Staatsregierungen hätten das längst gewusst, aber versagt, Vorsorge zu treffen. Eine Enquete-Kommission habe schon vor 15 Jahren darauf hingewiesen, dass der Fach- und Arbeitskräftenachwuchs nicht ausreiche. Der Markt könne nicht alles regeln, auch nicht die Bevölkerungsentwicklung. Seit 1990 sei Sachsens Einwohnerzahl um eine Million geschrumpft.
Die Oppositionsfraktion der Linken wirft der Landesregierung vor, keine Personalbedarfsplanung für Zukunftsbranchen zu machen. Eine Große Anfrage der Fraktion mit 471 Fragen an die Ministerien brachte zwar laut Brünler teils sehr ausführliche Antworten. Doch zu wichtigen Fragen fehlten Daten – etwa zum künftigen Fachkräftebedarf bei Erneuerbaren Energien und im Schienenverkehr.
Linke: Ausbildung für die Wärmewende nötig
Damit die Wärmewende gelinge, sei gezielte Ausbildung in einigen Berufen nötig, sagte Brünler. Er betonte, die Linken wollten niemandem vorschreiben, was sie lernen sollen. Die Landesregierung schrieb in ihrer Antwort auf die Anfrage, Fachkräfte zu finden und zu binden sei „grundsätzlich Verantwortung der kommerziell tätigen Unternehmen“. Der Staat kümmere sich um günstige Bedingungen für alle.
Die Linken führen sowohl Ausbildungsabbrüche als auch Lehrermangel auf schlechte Arbeitsbedingungen zurück. Sie fordern eine Mindestausbildungsvergütung von 80 Prozent des Tariflohns und ein Bafög-gestütztes Meisterstudium. Der Staat solle bei der Bezahlung mit gutem Beispiel vorangehen: Mehr als die Hälfte der Unternehmen im Eigentum des Landes seien nicht tarifgebunden, darunter Teile der Schlösserverwaltungen, die Meissen Porzellan-Stiftung und der Hafen Roßlau.
Das Arbeitspotenzial der Menschen in Sachsen und der Zuwanderer muss nach Ansicht der Linken besser genutzt werden. Brünler forderte: „Arbeitsverbote für zugewanderte Menschen müssen weg.“ Er hielt der Landesregierung einen Widerspruch vor: Einerseits würden manche Menschen mit Beschäftigungserlaubnis abgeschoben, andererseits suche Sachsen gezielt in anderen Staaten wie Vietnam nach Arbeitskräften. Die Landesregierung verwies auf Förderprogramme wie „Weltoffenes Sachsen“ und „Integrative Maßnahmen“.
Die meisten Lehrer hören nicht aus Altersgründen auf
Flüchtlinge sollten laut Brünler schneller und besser ihre Berufskenntnisse durch praktische Arbeit statt in Papierform nachweisen können. „Dazu sollte ein Pilotprogramm mit dem Handwerk starten“, so die Linkenfraktion. Qualifikationschecks sollten möglichst direkt in den Geflüchteten-Unterkünften beginnen. Die Ausländerbehörden müssten auf eine „möglichst wohlwollende Entscheidungspraxis“ bei Anträgen auf Beschäftigungserlaubnis verpflichtet werden. Im öffentlichen Dienst Sachsens seien Menschen nichtdeutscher Herkunft kaum zu finden.
Auf den Mangel an Ärzten und Lehrkräften in Sachsen wies Brünler besonders hin. Die Zahl der freien Arztstellen sei seit 2015 von 239 auf 518 gestiegen. Vor allem an Hausärzten mangele es, aber auch bei Augenärzten, Hautärzten sowie Kinder- und Jugendpsychiatern gebe es ein Problem. Mit Blick auf die Lehrerschaft sei nicht das Erreichen des Rentenalters die wichtigste Ursache für den Mangel. Wesentlich mehr Lehrkräfte verliere Sachsen unter anderem durch Kündigungen, Auflösungsverträge und Erwerbsunfähigkeit: „Es muss also auch an den Arbeitsbedingungen liegen.“
Teilzeitarbeit ist „weiter auf dem Vormarsch“, stellen die Linken nach Auswertung der Daten fest. Sie bescheinigen der Landesregierung, Programme, Preise und Förderungen begonnen zu haben, damit Männer einen größeren Beitrag im Haushalt leisten oder Frauen ihr Erwerbsarbeitszeitvolumen erhöhen. Doch diese Versuche zeigten „offensichtlich keine Wirkung“. Elf Prozent der Männer und 37 Prozent der Frauen in Sachsen seien nur in Teilzeit beschäftigt.
In der kommenden Woche soll die Große Anfrage im Plenum des Sächsischen Landtages behandelt werden. Die Linken wollen dort auch Vorschläge für Änderungen einbringen. (mit dpa)