Suche
Suche

So viele Streiks wie noch nie in Sachsen

Der Freistaat liegt bei der Zahl der Arbeitskämpfe im Osten vorn und bundesweit im ersten Drittel.

Lesedauer: 2 Minuten

Zwei Männer neben einem Warnstreik-Schild.
2024 dürfte ein arbeitskampfreiches Jahr werden. Warnstreiks gab es schon mehrere. Foto: dpa

Von Michael Rothe

Dresden. In Deutschland und speziell in Sachsen wächst die Streikbereitschaft. Mit bundesweit 312 Arbeitskämpfen gab es im vergangenen Jahr einen neuen Rekord. Das geht aus einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung hervor, das Konflikte seit 2006 registriert.
Neben überregionalen Arbeitskämpfen bei der Bahn, der Post, an Flughäfen, im öffentlichen Dienst oder im Einzelhandel weist das Institut 20 Aktionen nur in Sachsen aus – Arbeitsniederlegungen von mindestens einem Tag, meist aber länger. Die Auseinandersetzungen standen im Zeichen hoher Inflation und damit verbundenem Reallohnverlust. Die Folge: vielfach zweistellige Lohnforderungen. Zudem hat die Arbeitsmarktlage die Verhandlungsposition der Beschäftigten verbessert.
„Die Sachsen trauen sich was, und das ist gut“, kommentiert DGB-Landeschef Markus Schlimbach die Statistik. „Mehr Tarifverträge, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen von den Beschäftigten mit den Gewerkschaften erkämpft werden“, sagt er. Angesichts niedriger Löhne und stark gestiegener Preise sei es wichtig gewesen, derart in die Offensive zu gehen.
Sachsen rangiert bei der Zahl der Arbeitskämpfe im Osten an der Spitze und bundesweit im ersten Drittel. Schlimbach kennt die Ursachen: „Die geringe Tarifbindung, der Lohnrückstand zum Westen und die Unwilligkeit vieler Arbeitgeber Tarifverträge abzuschließen, führen zu mehr Häuserkämpfen“, sagt der Gewerkschafter.
„Gemessen am Anteil der Beschäftigten wird in Sachsen sogar mehr gestreikt als im Westen“, sagt Thorsten Schulten, einer der WSI-Autoren auf Anfrage zur SZ. „Das Ost-Image vom braven Arbeitnehmer stimmt längst nicht mehr“, so der Forscher.
Trotz der bundesweiten Zunahme um 87 Streiks blieb die Zahl der insgesamt Teilnehmenden mit geschätzt 857.000 und der rechnerisch mehr als 1,5 Millionen Ausfalltage unter dem Höchststand von 2015.

Warnstreiks in mehreren Branchen
Auch 2024 dürfte ein arbeitskampfreiches Jahr werden. Zuletzt gab es in der Chemieindustrie, in der Druckbranche und im Bankensektor Warnstreiks – aber letztlich Tarifabschlüsse. Bei der Chemnitzer City-Bahn wird nach 15 Streikrunden wieder über den Einstieg in die 35-Stunden-Woche verhandelt. Viel wird von der Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie im Herbst abhängen. Dort fordert die IG Metall ein Lohnplus von sieben Prozent, was die Arbeitgeber wie immer zurückwiesen.
Deutschland liegt im Streikvergleich im unteren Mittelfeld. Laut WSI fielen im mehrjährigen Mittel in Belgien 103 Arbeitstage pro 1.000 Beschäftigte aus, in Kanada 83, in Dänemark 53 – hierzulande 18.

Das könnte Sie auch interessieren: