Sachsens Handwerk ist spitze! Den Superlativ verleiht sich dieser Wirtschaftszweig im Freistaat nicht etwa selbst, er kommt von der Landesarbeitsagentur und ist durch amtliche Zahlen belegt.
Demnach arbeitet jeder siebente berufstätige Sachse im Handwerk. Nirgends in Deutschland ist der Anteil an der Gesamtbeschäftigung höher. Von 1,53 Millionen Werktätigen im Freistaat arbeiteten 2015 fast 218 300 Frauen und Männer in gut 39 000 Handwerksbetrieben. Diese „aktuellsten Zahlen“ veröffentlichte die Agentur am Freitag. Mit einem Anteil von 14,3 Prozent steht Sachsen ganz vorn vor Sachsen-Anhalt (14,1), Brandenburg (13,8) und Niedersachsen (13,6), so das Ergebnis einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), einer 1967 von der damaligen Bundesanstalt für Arbeit gegründeten Forschungseinrichtung.
„Die Stimmung ist über alle Gewerbegruppen und Regionen ausgezeichnet“, fasste Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Dresdner Handwerkskammer, auch für die Schwesterorganisationen in Leipzig und Chemnitz, die Ergebnisse einer Konjunkturumfrage zusammen. Im Mai hatten 93 Prozent der Betriebe, voran der Bau, ihre Lage mit gut oder befriedigend beurteilt. Rekord! 97 Prozent glauben, dass es so weitergeht. Mit übervollen Auftragsbüchern geht auch eine zwar kaum steigende, aber stabile Beschäftigung einher. Im Handwerk arbeiten oft Kraftfahrzeugtechniker, Gebäudereiniger, Elektrotechniker, Maurer und Betonbauer. Gemeinsam mit Installateuren, Heizungsbauern, Feinwerkmechanikern und Metallbauern machen die Berufe gut die Hälfte aller Beschäftigten aus. Sie arbeiten zu rund 80 Prozent in Betrieben mit weniger als zehn Leuten.
„Der anhaltende Aufschwung der sächsischen Wirtschaft und die hohe Kaufkraft der Bevölkerung beschert den Handwerkern gute Umsätze. Davon profitieren die Dachdecker, Fliesenleger, Hörgeräteakustiker, Bäcker und viele der anderen Handwerker in Sachsen“, sagt Klaus Peter Hansen, Chef der Landesarbeitsagentur. Das Handwerk biete auch für Nachwuchskräfte vielversprechende Aussichten. Nach dem Abschluss könnten Gesellen den Meistertitel erwerben, studieren oder Aufstiegsfortbildungen, teils auf Masterniveau, absolvieren und später einen Betrieb übernehmen, sagt Hansen. Im Norden der Landeshauptstadt baut die Dresdner Kammer gerade für 40 Millionen Euro ein neues Bildungszentrum. Knapp die Hälfte davon steuern Land und Bund als Fördermittel bei.
Laut der Zahlen des IAB lernt mehr als jeder vierte Lehrling in Sachsen in einem Handwerksbetrieb. Mit einem Anteil von 27,2 Prozent liege das Bundesland beim Anteil an der Gesamtausbildung bundesweit im Mittelfeld, schreiben die Forscher. Auffällig wäre, dass von 2009 bis 2016 die Zahl der Auszubildenden im Handwerk weniger stark zurückgegangen sei, als die Zahl aller Azubis über alle Branchen hinweg.
In der Stadt Chemnitz ist der Handwerkeranteil sachsenweit am höchsten. Dort arbeitet fast jeder Fünfte im Handwerk (17,6 Prozent). Das Erzgebirge, der Landkreis Bautzen und Mittelsachsen stehen mit um die 16 Prozent nur wenig nach. In Leipzig und Dresden arbeitet nur knapp jeder Zehnte im Handwerk, was mit der dort höheren Konzentration von Verwaltung und Großbetrieben zu erklären ist.
Sachsens Handwerkstag operiert mit noch höheren Zahlen. Die Dachorganisation der hiesigen Kammern und Verbände berücksichtigt, anders als die Bundesstatistik, auch handwerksähnliche Gewerbe wie Eisenflechter, Bürstenmacher, Klavierstimmer. Sie spricht so von gut 56 000 Betrieben mit 320 000 Mitarbeitern. Aber die Zahl der Unternehmen schrumpft seit Jahren. Ende 2012 waren es noch fast 60 000 Adressen.
von Michael Rothe
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