Von Georg Moeritz
Herr Dittrich, haben Sie in den vergangenen Monaten an einer Demonstration teilgenommen?
Nein, habe ich nicht.
Ich frage danach, weil auch manche Handwerker auf die Straße gehen und ihren Unmut gegenüber der Politik äußern. Was halten Sie davon?
Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht. Es betrübt mich, dass man anfängt zu unterscheiden, ob man demonstrieren darf oder ob die falschen Leute dabei sind. Es gibt allerdings Demonstrationen, die von Anfang an parteipolitisch oder extremistisch geprägt sind. Und es gibt Demonstrationen, die auf die Situation der Menschen aufmerksam machen möchten und auf die Erwartungen an die Regierung. Ich habe Verständnis für Handwerkskollegen, die es in Anbetracht der aktuellen Situation auf die Straße treibt.
Oft geht es jetzt um die Belastung durch die Energiepreise. Haben Sie die selbst schon zu spüren bekommen?
In meinem Dachdeckerbetrieb spüre ich nicht nur steigende Preise für Energie und Kraftstoffe, sondern auch deren Auswirkungen auf die Materialpreise. Aber mir geht es vor allem um die Betriebe, die unverschuldet schon jetzt in großer Not sind. Manche haben zwar noch Gas- und Stromverträge mit festen Preisen bis Ende nächsten Jahres. Aber manche sollen jetzt plötzlich fünf- oder sogar siebenmal so viel bezahlen wie zuvor. Das geht an die Existenz.
Welche Handwerksbranchen trifft es?
Bäcker und Fleischer brauchen viel Energie, zum Backen oder Kühlen, auch Galvanik und Reinigungen. Bei den Nahrungsmittelhandwerkern kommt noch dazu, dass sie auch wegen des Mindestlohns die Löhne und die Preise erhöhen müssen. Zugleich sinkt die Kaufkraft ihrer Kunden. Sie müssen es also schaffen, mit weniger verkauften Produkten einen höheren Deckungsbeitrag zu bekommen.
Ihrer Baubranche ging es in den vergangenen Jahren gut, wie geht es weiter?
Die Auftragsbücher der Rohbauer sind fürs nächste Jahr nahezu leer. Auf die nicht gebauten Häuser kommen auch keine Dächer. Zugleich bekommen wir Briefe von Lieferanten für Ziegel oder Betondachstein, dass sie nicht liefern können oder erst in fünf Monaten. Ich soll dem Kunden also sagen, dass er lange warten muss und auch jetzt noch nicht den Preis erfährt. Wer soll dieses Risiko tragen?
Die staatlichen Auftraggeber bleiben aber Bau-Kunden?
In Dresden hat die städtische Wohnungsfirma WID Baupläne gestoppt, andere Projektträger folgen. Und private Bauherren werden jetzt schon mit Kreditzinsen um vier Prozent konfrontiert. Die Neubaubranche bricht zusammen.
Wie treffen die Energiepreise die Handwerkskammer Dresden? Ich sehe hier große Gebäude, auch die Bildungszentren der Kammer – aber keine Solardächer.
Unser Bildungszentrum in Pirna muss schon erhöhte Preise bezahlen, nächstes Jahr trifft es uns auch hier in Dresden. Unser neues Bildungszentrum in Dresden ist aber ein hochmodernes Gebäude mit Holzpelletheizung und begrüntem Dach. Das Hauptgebäude der Handwerkskammer stammt dagegen noch aus der Zeit, als Gas als moderner Heizstoff galt. Die Gremien der Handwerkskammer diskutieren gerade, ob wir einen zusätzlichen Tank kaufen und einen Brenner auf Flüssiggas umrüsten, und Fotovoltaik für Dächer ist schon länger in der Planung. Wir wollen natürlich außerdem unseren Beitrag dazu leisten, den Energieverbrauch zu senken.
Und was schlagen Sie vor, um aus der Energiekrise zu kommen?
Wir erleben ja die Diskussion für oder gegen Sanktionen und darüber, ob wir mehr oder weniger Waffen in die Ukraine schicken sollen. Das löst aber nicht die Probleme des Handwerks. Die Organisationen des Handwerks wollen zum Zusammenhalt des Handwerks beitragen und sich nicht von parteipolitischen Diskussionen ablenken lassen. Mit demselben Eifer, mit dem wir der überfallenen Ukraine helfen, müssen wir unsere Probleme in Inland angehen. Die Energiewende hat nichts mit dem Ukrainekrieg zu tun.
Die Energiewende begann vorher, aber das russische Erdgas fehlt jetzt …
Ja, vorher gab es Pläne, viele neue Gaskraftwerke zu bauen. Ist das noch richtig? Alternativen werden gesellschaftlich abgelehnt, ob Atom, Kohle, Speicherung von Kohlendioxid, Fracking. Das führt zur Verunsicherung. Außerdem gefährden nun die toxischen Energiepreise die Umsetzer der Energiewende – Handwerker und Kundschaft dürfen nicht zahlungsunfähig werden.
Als Vertreter des sächsischen Handwerks müssten Sie doch vor allem Vorhaben unterstützen, bei denen Solaranlagen und Wärmepumpen montiert werden?
Darauf komme ich noch. Aber erst einmal müssen wir alle Maßnahmen ergreifen, um diese Krise zu überstehen. Der Energiepreisdeckel muss jetzt endlich drauf. Stattdessen wird lange darüber geredet. Das macht doch die Menschen so fuchsig. Bis er umgesetzt wird, wird auch noch mal Zeit vergehen, das zeigt die Erfahrung mit den Corona-Hilfen.
Wie bewertet denn die Handwerkskammer den Vorschlag zum Gaspreisdeckel, den die Expertenkommission heute in Berlin vorgelegt hat?
Der Gaspreisdeckel bringt im ostsächsischen Handwerk wenig Licht und viel Schatten. Positiv ist, dass die finanzielle Fixierung des Gaspreises für Handwerk und Mittelstand im kommenden Jahr bessere Planbarkeit und Entlastung im Vergleich zum Istzustand bedeutet. Die Absenkung auf zwölf Cent pro Kilowattstunde ist ein erster Schritt in die richtige Richtung – im Vergleich zum Vorkrisenniveau steigt der Gaspreis aber trotzdem um rund 70 Prozent. Und das tut weh! Zudem haben Handwerksbetriebe im Vergleich zur Industrie wieder das Nachsehen und können mit dem Gaspreisdeckel erst ab März 2023 rechnen. Daher unsere klare Forderung: Auch für kleine und mittlere Unternehmen muss der Gaspreis mindestens ab Januar begrenzt sein! Denn ohne das Handwerk funktioniert die Wirtschaft nicht.