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Sachsens Wirtschaft im Aufschwung – aber holt sie zum Westen auf?

In diesem Jahr wächst die Wirtschaft in Sachsen so wie in ganz Deutschland. Was wird jetzt aus der Annäherung ans West-Niveau?

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht Baustellen vor der Infineon Dresden
Zehn Turmdrehkräne gehören zur Erweiterung der Mikrochipfabrik von Infineon Dresden. In diesem Jahr wächst Sachsens Wirtschaft laut Ifo-Institut um 0,4 Prozent. © Foto: Thomas Kretschel

Von Georg Moeritz

Dresden. Ein leichter Aufschwung in diesem Jahr, mehr Wachstum dann im Jahr 2025 – so lautet die Vorhersage der Dresdner Wirtschaftsforscher im Ifo-Institut um Professor Joachim Ragnitz. Der Ökonom sagte am Mittwoch: „Es sieht erst mal gut aus.“ Die ostdeutsche Wirtschaft wachse in diesem und im nächsten Jahr stärker als die gesamtdeutsche. In Sachsen allerdings „drücken Industrie und Bau das Gesamtergebnis“.

Sachsens Wirtschaft werde dieses Jahr voraussichtlich um 0,4 Prozent wachsen, genauso wie die deutsche insgesamt. Für nächstes Jahr erwarten die Ifo-Forscher für Sachsen 1,4 Prozent Wachstum, für Gesamtdeutschland 1,5 Prozent. Die Vorhersage für Sachsen ist damit auch etwas schwächer als in der vorigen Prognose vom Dezember: Damals hatte Ragnitz 0,7 Prozent für dieses Jahr erwartet. Ist Sachsens Aufholprozess beendet?

Sonder-Effekte für den Osten: Tesla und Rüstungsaufträge

Sachsens Wirtschaft ist stark verflochten mit der gesamtdeutschen und folgt ihrer Entwicklung in der Regel. Die 0,4 Prozent Wachstum in diesem Jahr seien „nicht berauschend“, sagte Ragnitz. Immerhin scheine „die Konjunkturdelle überwunden“ zu sein. Die Industrie müsse nach einer Rezession wieder investieren, das wiederhole sich in jedem Konjunkturzyklus. Dass die ostdeutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 1,1 Prozent und im nächsten Jahr um 1,7 Prozent wächst, erklärt Ragnitz mit Sonder-Effekten: In Brandenburg habe Tesla investiert, in Mecklenburg seien Flüssiggas-Terminals und Rüstungsaufträge für Werften angekommen.

Zudem strahle Berlin aufs Umland aus. Insgesamt sei die ostdeutsche Wirtschaft weniger industrialisiert und weniger export-orientiert, daher weniger abhängig vom Weltmarkt. Derzeit sei das Wachstum bei Dienstleistern stärker. Das liege daran, dass viele Menschen Lohn-Erhöhungen bekommen hätten, auch wegen des steigenden Mindestlohns, und voraussichtlich mehr Geld ausgäben.

West-Annäherung: Wo der Abstand schrumpft

Auf den ersten Blick zeigen die Zahlen keine Annäherung Sachsens an die West-Wirtschaft mehr. Voriges Jahr ging die Wirtschaftsleistung in Sachsen um 0,6 Prozent zurück, in Gesamtdeutschland um 0,3 Prozent. Für dieses Jahr ist gleiches Wachstum zu erwarten, für nächstes Jahr in Sachsen etwas weniger als im Westen. Pro Kopf der Bevölkerung in Sachsen wachse die Wirtschaftsleistung weiter, sagte Ragnitz – denn die Einwohnerzahl schrumpft. Bei der wichtigen Größe Bruttoinlandsprodukt pro Kopf könne Sachsen sich also erneut dem Westniveau annähern. Auch der Abstand bei den Löhnen schrumpfe. Außerdem beginnt 2026 die Mikrochipproduktion im neuen Modul von Infineon, im Jahr darauf beim Nachbarn ESMC mit Taiwan-Beteiligung. Sachsens Wirtschaft sei aber kleinteiliger als die deutsche insgesamt.

Beschäftigung: Weniger Arbeit, weil Bewerber fehlen

Das jahrelange Beschäftigungswachstum in Sachsen ist laut Ragnitz vorbei. „Es wird weniger Beschäftigung geschaffen, auch weil die Arbeitskräfte gar nicht da sind“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Der demografische Wandel führe in allen Wirtschaftsbereichen zu einer „zunehmenden Arbeitskräfteknappheit“.

Konjunktur-Experten in der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts: Professor Joachim Ragnitz (stehend), Niels Gillmann. An der Wand das Geschäftsklima, links Ostdeutschland, recht Sachsen.
© SZ/Georg Moeritz

Die ungünstige Altersstruktur dämpfe das Wirtschaftswachstum in den neuen Ländern, mittelfristig auch im Westen. Für dieses Jahr erwartet Ifo noch gleichbleibende Beschäftigung in Sachsen, für nächstens Jahr 0,2 Prozent weniger Erwerbstätige, das wären etwa 4.000 weniger als jetzt.

Schuldenbremse: Ragnitz nennt Kretschmer „scheinheilig“

Zinsen und Baupreise sind noch immer so hoch, dass es laut Ragnitz zu „Bauzurückhaltung“ kommt. Die Zahlen zeigen aber keinen starken Einbruch: Ifo erwartet für dieses Jahr 1,6 Prozent Rückgang in Sachsens Baugewerbe, für nächstes Jahr 2,1. Ragnitz sprach sich dafür aus, die staatliche Schuldenbremse anzupassen, wenn damit wirklich wichtige „Zukunftsinvestitionen“ gefördert würden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte im Deutschlandfunk vorgeschlagen, dass der Bund trotz Schuldenbremse ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für Investitionen und Kommunen bereitstellt. Ragnitz nannte es „scheinheilig“, dass der Ministerpräsident so etwas von Berlin fordere, um „irgendetwas zu finanzieren, das auch Sachsen zugutekommt“.

Welthandel: Abhängigkeit von China wird bleiben

Sachsen hat laut Ragnitz Vorteile bei der „Zukunftsfähigkeit“ dank Forschung und Industrie. Dass die Solarmodulfabriken von Meyer-Burger und Solarwatt ihre Produktion beendeten, lag für Ragnitz an den Wettbewerbsnachteilen gegenüber China. Es werde nicht gelingen, von China unabhängig zu werden, etwa bei Rohstoffen. Der Ökonom sagte, Handelsabkommen und weltweite Arbeitsteilung blieben nötig.

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