Suche
Suche

Sächsische Firmen zwischen EU-Bürokratie und US-Zollchaos

Der sächsische Außenhandel wächst, doch die Zukunft sieht nicht rosig aus. Auf dem „Außenwirtschaftstag“ in Dresden besinnen sich die Exporteure wieder auf den eigenen Markt in Europa – und nehmen neue Wachstumsmärkte in den Blick.

Lesedauer: 4 Minuten


Nora Miethke

Dresden. Das Schubert und Braun Prothesenwerk in Dresden wollte dieses Jahr eigentlich den US-amerikanischen Markt mit seinen individuell angepassten Finger-, Hand- oder Fußprothesen aus Silikon erobern. „Das lassen wir jetzt liegen und warten erst einmal ab“, sagt Geschäftsführer Christoph Braun. Doch ihn beunruhige schon sehr, „was der Trump da im Weißen Haus macht“, betont der Unternehmer. Denn die Dresdner bauen ihre Prothesen aus biokompatiblem Silikon, das in den USA hergestellt wird. Der Rohstoff dafür, Silizium, kommt aus China. Ob und wie sich die hohen US-Zölle auf Einfuhren aus China von derzeit 125 Prozent auf seine Materialpreise auswirken werden, kann Christoph Braun nicht vorhersagen. Er weiß nur eins: Wenn er kein Silikon mehr aus den USA beziehen kann, sind 60 Prozent des Umsatzes seines Betriebs mit 23 Beschäftigten gefährdet. Und einen anderen Lieferanten finden? Das ist nicht so einfach. Braun hat das schon während der Corona-Pandemie versucht, als die Lieferketten nach China unterbrochen waren. „Wir haben viele andere Silikonarten ausprobiert, doch keines hat unseren Anforderung genügt“, berichtet Braun.

An diesem einen Beispiel könne man sehen, wie sehr das Zollchaos in Washington sächsische Firmen betreffen könne, selbst, wenn sie nicht in die USA verkaufen, begrüßte Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter die Gäste des zweiten „Außenwirtschaftstages“ im Dresdner Heinz-Steyer-Stadion. „Wir werden auf eigenen Beinen stehen müssen“, so der SPD-Politiker. Ein Drittel der sächsischen Wirtschaft hängt vom Export ab. Nun gehe es darum, zu klären, wie man unabhängiger werden kann und wo es noch Verlässlichkeit für sächsische Exporteure gibt. „Zölle sind Gift für die Wirtschaft und Verlässlichkeit ein extrem hohes Gut“, sagte Panter.

Christoph Braun (rechts) und Jonas Schubert leiten das „stamos + braun prothesenwerk“ und fordern gleiches Recht für alle Unternehmen.
Christoph Braun (rechts) und Jonas Schubert leiten das „schubert + braun prothesenwerk GmbH“ in Dresden und sind auf Silikon aus den USA angewiesen.
Quelle: Sven Döring

USA zweitwichtigster Exportmarkt für Sachsen

Die USA waren im vergangenen Jahr erneut Sachsens zweitwichtigster Exportmarkt. Die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten stiegen um zehn Prozent auf fast 5,1 Milliarden Euro. Bei den Einfuhren belegten die USA den neunten Rang. Fast die Hälfte der sächsischen Exporte gehen jedoch in Länder der Europäischen Union – für insgesamt 23 Milliarden Euro im letzten Jahr. Damit ist der EU-Binnenmarkt weiterhin Handelspartner Nummer Eins.

Da der Automobilbau mit etwa 60 Prozent den Großteil der sächsischen Exporte nach Amerika darstellt, ist dieser Bereich besonders betroffen. Wie sich die neuen Zölle konkret finanziell auswirken werden, lasse sich derzeit nicht beziffern, hieß es. Panter erinnerte daran, dass Porsche beispielsweise 25.000 Macan-Fahrzeuge aus dem Leipziger Werk pro Jahr in die USA liefert. Unklar ist, ob die Kunden dort Preisaufschläge in Höhe der 25 Prozent US-Zoll auf Autos aus Europa in Kauf nehmen werden oder nicht.

Von Ardenne: Preisaufschläge durch Zölle lassen sich nicht abwälzen

Für Gunter Drescher, Außenhandelsexperte der Von Ardenne GmbH, steht fest, die US-Kunden des Dresdner Maschinenbauers werden dies nicht tun. „Wir werden partizipieren müssen. Es kommen Mehrbelastungen auf das Unternehmen zu“, sagte Drescher in einer Podiumsrunde. Für jede Anlage, die gerade auf dem Weg in die USA sei, wurden die Preise vor drei, vier Jahren vertraglich festgelegt. Da könne man jetzt nicht einfach zehn oder 20 Prozent aufschlagen. Von Ardenne ist Technologieführer für Anlagen für die Vakuumbeschichtung von Glas, Wafer und Kunststofffolien. Das Unternehmen mit 1.300 Beschäftigten weltweit, davon 800 in Dresden, macht seinen Umsatz zu 90 Prozent in Drittstaaten außerhalb Europas. Eine Anlage kostet im Schnitt rund 25 Millionen Euro. „Auf so eine volatile Situation wie jetzt kann man sich nicht vorbereiten“, meint der erfahrene Manager.

Freistaat steigert Exporte um 2,4 Prozent

Dabei lief es so gut. Der Freistaat verzeichnete 2024 das zweitbeste Exportjahr. Laut Statistik wurden Waren im Wert von 51,1 Milliarden Euro ins Ausland. Das ist eine Steigerung von 2,4 Prozent bezogen auf das Vorjahr und der zweitbeste Wert nach 2022 (53,2 Milliarden Euro). Die Importe nahmen um 3,7 Prozent auf 34,8 Milliarden Euro ab. Hier wurde der höchste Wert im Jahr 2023 erreicht (36,1 Milliarden Euro). Größter Handelspartner ist China mit einem Exportvolumen von gut sechs Milliarden Euro, auch wenn das sieben Prozent weniger waren als im Jahr zuvor. Die Einfuhren aus China umfassten Waren im Umfang von knapp 4,5 Milliarden Euro.

Firmen nehmen Neue Wachstumsmärkte in den Blick

„Wir müssen uns vielseitig aufstellen in der Welt“, fordert Thomas Horn, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen. Sächsische Firmen werden verstärkt auf das Potenzial internationaler Wachstumsmärkte wie Indien, Japan, Mexiko und Saudi-Arabien setzen. Die Wirtschaftsförderung hat sei einigen Monaten einen eigenen Indien-Beauftragten. Er war laut Horn auf dem Außenwirtschaftstag ausgebucht, das Interesse sei also groß. Aber auch europäische Märkte sind im Fokus. Während sich in Dresden die Wirtschaft auf dem Außenwirtschaftstag traf, waren Unternehmerdelegationen in Polen und Spanien unterwegs.

Handwerk fordert Abbau von Bürokratie im EU-Binnenmarkt

Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden, mahnte einen Abbau von Hürden im EU-Binnenmarkt an, damit das Auslandsgeschäft nicht zum „Hürdenlauf“ werde. Protektionismus gebe es nicht nur in den USA und in China, sondern auch innerhalb des Binnenmarktes.

Dittrich schilderte, wie kompliziert es beispielsweise für Kunsthandwerker sei, einen Showroom auf dem Weihnachtsmarkt in Bordeaux zu betreiben. „Weniger Regelungen und eine einheitliche Umsetzung von EU-Richtlinien statt 27 Einzellösungen müssen das Ziel sein, um Auslandsgeschäfte auch für kleine und mittelständische Betriebe attraktiv zu machen“, betonte der Handwerkspräsident. Die Zoll-Drohkulisse aus Amerika müsse jetzt Ansporn sein, enger und besser in Europa zusammenzuarbeiten.

SZ

Das könnte Sie auch interessieren: