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Sächsischer Ökostromkonzern VSB fordert ein Deutschlandticket fürs Stromnetz

Die Strompreise in Deutschland sind unterschiedlich hoch. Die Dresdner Firmengruppe VSB, die Wind- und Solarparks betreibt, hält die Netzentgelte für ungerecht. Was die Sachsen vorschlagen.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht die Geschäftsführer von VSB Deutschland.
Sie sind unzufrieden damit, wie die Preise für Stromnetze festgelegt werden: von rechts Thomas Winkler, Geschäftsführer VSB Deutschland; Professor Dominik Möst, TU Dresden; Nils Rübelmann, VSB-Referent. © SZ/Georg Moeritz

Von Georg Moeritz

Dresden. Die Strompreise sind in Deutschland unterschiedlich und ungerecht, findet Thomas Winkler. Der Geschäftsführer des Dresdner Ökostromkonzerns VSB mit rund 500 Mitarbeitern fordert ein Deutschland-Ticket für das Stromnetz. Die Netzentgelte sollten bundesweit einheitlich sein, schlug der Firmenchef am Freitag in Dresden vor. Unterstützung bei seiner Forderung nach einer neuen Kalkulation bekam er von Professor Dominik Möst, der den Lehrstuhl für Energiewirtschaft an der Technischen Universität Dresden hat. Möst fordert aber nicht ganz dasselbe.

Derzeit kostet eine Kilowattstunde Strom beispielsweise bei der Sachsen-Energie etwa 36 Cent brutto, je nach Tarif. Der größte Teil davon sind staatlich vorgeschriebene Abgaben und die Netzentgelte, also die Preise für die Leitungen. Davon werden auch die neuen Anschlüsse für Wind- und Solaranlagen bezahlt. In Ostsachsen liegen die Netzentgelte bei 12 Cent je Kilowattstunde Strom, das liegt leicht über dem deutschen Durchschnitt von 11,51 Cent.

Die Spanne innerhalb Deutschlands liegt etwa zwischen 7 und 16 Cent brutto, heißt es am Lehrstuhl Möst. Am teuersten sind die Netze in Schleswig-Holstein und Mecklenburg mit vielen Windparks, die niedrigsten Preise sind in einigen westdeutschen Städten zu finden.

Der ländliche Raum trägt die Folgen der Energiewende

VSB-Geschäftsführer Winkler sieht in den unterschiedlichen Preisen ein Hindernis für sein Geschäft – und für die Energiewende. Sein Unternehmen plant Wind- und Solarparks und betreibt viele davon auch selbst. Bei Diskussionen mit Bürgern und örtlichen Verwaltungen werde ihm entgegengehalten, dass die Netzentgelte höher sind, wo es viele Windkraftanlagen gebe. „Der ländliche Raum hat die Folgen zu tragen“, sagte der VSB-Chef. Das sei nicht gerecht, es bestehe Handlungsbedarf.

Leipzigs Industrie- und Handelskammerpräsident Kurt Kirpal hat erst vorige Woche gefordert, die Netzentgelte zu deckeln. Die Senkung der Stromsteuer für Produktionsbetriebe sei ein richtiger Schritt gewesen. Nun müsse verhindert werden, dass die Netzentgelte immer weiter steigen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und sein Energieminister Wolfram Günther (Grüne) haben sich für oberirdische Fernleitungen statt Kabeln ausgesprochen, um die Kosten niedrig zu halten.

Der Dresdner Energiewirtschaftsprofessor Möst bestätigt, dass die Netzentgelte in den vergangenen Jahren immer schneller gestiegen sind. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssten die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden, dazu gehörten auch mehr Leitungen. Zusätzlich stiegen wegen der Gaspreiskrise Ende 2022 die Strompreise, dort sehe er aber „eine gewisse Erholung“. Außerdem wurde die staatliche EEG-Umlage auf den Strompreis abgeschafft, dieses Geld kommt jetzt aus dem Bundeshaushalt.

Bundesnetzagentur entlastet Brandenburg und Sachsen

Die zuständige Bundesnetzagentur hat laut Möst bereits einen Vorschlag gemacht, die Netzentgelte innerhalb Deutschlands teilweise anzugleichen. Das Konzept seit allerdings kompliziert: Netzbetreiber dürfen einen Teil ihrer Kosten, die durch Ökostromanlagen entstehen, auf andere überwälzen. Dazu muss die installierte Leistung von Wind- und Solaranlagen in einem Gebiet aber mindestens doppelt so hoch sein wie der Stromverbrauch dort. Je höher die installierte Leistung, desto stärker die Entlastungswirkung dieses Konzepts, das auch noch einen „Korrekturfaktor“ enthält.

Der Vorschlag der Bundesnetzagentur entlastet nach deren Angaben vor allem Netzbetreiber mit Sitz in Brandenburg (381 Millionen Euro), Bayern (345), Schleswig-Holstein (320) und Sachsen-Anhalt (205 Millionen). Zu Sachsen nennt die Behörde keine Zahl, weil der überregionale Netzbetreiber Mitnetz aus dem Konzern Envia-M seinen Sitz in Sachsen-Anhalt hat. Doch auch Kunden in Sachsen würden „merklich entlastet“, wenn es zu der geplanten „Überwälzung“ der Netzkosten komme.

VSB-Geschäftsführer Winkler lobt die geplante Entlastung, fordert aber eine „radikale Vereinfachung“ der Berechnung der Netzentgelte. Der Vorschlag der Bundesnetzagentur gehe in die richtige Richtung, biete aber keine Planungssicherheit. Niemand wisse, ob die Berechnungsformeln ein einigen Jahren neu festgelegt würden. Das sei aber entscheidend für die Strompreise und damit auch für Entscheidungen für Industrieansiedlungen in jeder Region. Winkler sagte, bei hohen Kosten hätten Netzbetreiber kein Interesse daran, große neue Stromverbraucher nach Art einer Tesla-Autofabrik anzuschließen. Möglicherweise könnten die Stromnetze rechnerisch in ein Netz für Stromerzeuger und ein Verbrauchernetz aufgeteilt werden.

Professor Möst: Anreize nötig, um Leitungen zu bauen

Professor Möst schlug ebenfalls vor, die Netzentgelte „je einfacher, umso besser“ zu berechnen. Der aufwendige Mechanismus im Vorschlag der Bundesnetzagentur greife zu kurz. Vielmehr sollte die ganze Systematik der Netzentgelte reformiert werden und berücksichtigen, dass künftig auch immer mehr Elektroauto-Anschlüsse und Wärmepumpen benötigt werden. Möst schloss sich allerdings nicht der Forderung nach einem Einheitspreis an. So wie es zunehmend dynamische Tarife für Stromverbraucher gebe, müssten auch die Netzbetreiber „Anreize“ sehen, um die Stromnetze weiter auszubauen. Möst schlug vor, über einen „Preiskorridor“ nachzudenken, der erleichtere die Planung.

Ein sächsischer Energiekonzern: Am Briefkasten der VSB-Gruppe in Dresden ist zu lesen, wo VSB Wind- und Solarparks betreibt.© SZ/Georg Moeritz

Die Dresdner Unternehmensgruppe VSB will ihren Vorschlag nun über Branchenverbände in Fachkreisen und Politik verbreiten. Auf die Frage, wie in Nachbarstaaten mit diesem Thema umgegangen werde, sagte Geschäftsführer Winkler, in Frankreich und Polen habe die Unternehmensgruppe „viel größere Probleme mit Netzanschlüssen“. In Polen hätten die Netzbetreiber sich in den vergangenen Jahren vor allem um konventionelle Kraftwerke gekümmert.

VSB mit Hauptsitz in Dresden ist in sieben europäischen Staaten vertreten. Seit 1996 hat die Firmengruppe mehr als 700 Windenergie- und Fotovoltaikanlagen bauen lassen. Die installierte Kapazität der VSB-Anlagen beträgt rechnerisch mehr als 1,3 Gigawatt, damit könnten nach Angaben von Konzernsprecherin Kathrin Jacob-Puchalski bei bester Witterung mehr als eine Million Haushalte versorgt werden.

In Kroatien stehe gerade ein VSB-Windpark mit mehr als 300 Megawatt installierter Leistung vor der Genehmigung, in Finnland ein Wind- und Solarprojekt mit zusammen 450 Megawatt. Auch in Finnland gebe es „Herausforderungen mit Wildtieren“, Genehmigungen seien nicht leicht zu bekommen. Im Raum Dresden haben mehrere große Windpark-Entwickler ihren Sitz, außer der VSB-Gruppe auch UKA und Svewind.

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