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Schnapsidee als Geschäftsmodell: Dieser Sachse ist mit Likören erfolgreich

Max Seidel ist 21 Jahre jung, Vogtländer, Unternehmer. In seinen Likören steckt ein ganz besonderer Geist. Sein Erfolg basiert auf einem alten Familienrezept aus DDR-Zeiten.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht Max Seidel mit seinen Likören-Flaschen
Max Seidel startete mit einem alten Familienrezept in die Selbstständigkeit. Der Rhavi ist die zweite eigene Kreation. Quelle: kairospress

Michael Rothe

Muldenhammer. Wer den Jungunternehmer Max Seidel besucht, wähnt sich nicht bei jemandem, der gerade den deutschen Likörmarkt erobert. Kein Gewerbegebiet mit Werkhallen wie im nahen Auerbach, wo seine Eltern mit ihrem Handwerksbetrieb Stempel, Tür-, Bau- und Typenschilder herstellen. Der Sohn, gerade 21 Jahre geworden, betreibt sein Gewerbe daheim in Tannenbergsthal, einem idyllischen wie verschlafenen Ortsteil von Muldenhammer im Vogtland. Sieben Mal am Tag verbindet ein Bus die nahe Haltestelle Brunnen mit der Welt, die dort Dorfstadt heißt.

Max hat sich hinterm Elternhaus eingerichtet – im Anbau, der als Garage gedacht war. Seit anderthalb Jahren stehen dort neben einer Werkbank auch Tanks, Bottiche, Filter, Trichter und anderes Gerät. Dazu Dutzende Flaschen mit unterschiedlich gelbem, hochprozentigem Inhalt. Die Kulisse erinnert eher an ein Labor – erst recht, wenn sich der Protagonist einen weißen Kittel überzieht und loslegt.

Erster Abnehmer in Auerbach

„Es begann mit einem Familienrezept für Ingwer-Zitrone-Likör“, erzählt Max. Solche Anleitungen machten in der DDR oft die Runde, und gemixt mit „Prima Sprit“ oder Bergmannsschnaps entstand Süffiges wie „Bols“ und „After Eight“. „Ich habe als Kind oft in der Küche gestanden, wenn meine Mutter den Likör angesetzt hat“, erinnert sich Seidel.

Die Schnapsidee vom eigenen Geschäft ist dem Sachsen 2019 nach dem Abi im Freiwilligen Sozialen Jahr gekommen: „Warum das Ganze nicht größer aufziehen und online sowie an Restaurants verkaufen?“ Mit Steffen Fohlert, Inhaber vom „Zum Schlossturm“ in Auerbach, fand er den ersten Abnehmer, Fan und Türöffner. Jener „Izi“ steht bei dem Gastwirt noch immer auf der Karte – und seit Kurzem der Rhabarber-Vanille-Likör „Rhavi“, der auch als Sprizz beliebt sei, wie Fohlert sagt. Im Advent komme erneut der „Brazi“ ins Angebot, eine Bratapfel-Zimt-Version, die Nummer drei der Kollektion.

Bis eine Charge Rhabarber-Vanille-Likör fertig ist, dauert es drei, vier Wochen: Erst mal werden die regionalen Zutaten eingekauft, verarbeitet, angesetzt und ziehen gelassen.
Quelle: kairospress

Nicht nur der Gastro-Profi ist überzeugt von Seidel, auch das Gremium, das unter Vorsitz von Sachsens Wirtschaftsministerium Gründungskonzepte bewertet. Mit dessen Segen erhielt der Vogtländer 12.600 Euro als Innostartbonus. Das Geld habe beim Kauf von Gerätschaft geholfen, sagt der junge Mann, der sich selbst als einen vorsichtigen Typen beschreibt.

Der gebürtige Rodewischer wollte schon immer sein eigener Chef sein. Er habe „als totaler Laie begonnen, weder von Spirituosen-Herstellung Ahnung gehabt noch von Betriebswirtschaft“, gesteht der Existenzgründer, der Chemie in der 10. Klasse abgewählt hatte. Das Fachwissen habe er sich selbst angeeignet, reingefuchst und mit der Firma bereits einmal Geburtstag gefeiert, sagt Max. Für Ratschläge seiner Eltern ist der Jungunternehmer dennoch offen.

Fast 100 Restaurants werden beliefert

„Wir waren begeistert von seinem Mut, sich auszuprobieren“, schwärmt Mutter Constanze, die ihm etwa bei Steuerfragen hilft. Und Vater Jürgen drängelt immer mal wieder, dass ein gutes Unternehmen ein ordentliches Firmenschild brauche. Das „MS“ im Logo steht für Mixed Spirits ebenso wie für Max Seidel.

Auch ohne Schild wächst die Kundschaft – speziell unter Gastronomen in Leipzig und Chemnitz. Zwischen Saarland und Ostsee beliefere er knapp 100 Restaurants und Läden sowie fast 500 Privatleute, freut sich der Einzelkämpfer. Vor allem vor Weihnachten, wenn Firmen Geschenke orderten, gehe es rund. „Dann helfen Familie und Freunde, Onlinebestellungen abzuarbeiten“, sagt er. Lieferungen gingen auch nach Frankreich, Bulgarien, Italien und in die USA. Am Großraum Dresden arbeite er noch. Der Gründer ist zufrieden mit seinem ersten Jahr. „Mein Likör macht schon eine kleine Reise in die Welt“, sagt er stolz und: „Das ist noch Handwerk!“

Max Seidel beim Verkapseln der Fläschchen.
Quelle: kairospress

Den Unterschied zur Massenware schmecke man, auch weil er naturtreu produziere, ist Max überzeugt. „Klar, das kostet mehr als der Pfeffi vom Discounter oder der Aperol im Gasthaus“, sagt einer, der jede Flasche einzeln per Hand verkorkt und mit einem Etikett beklebt. So eingespannt, bleibt keine Zeit für andere Hobbys.

Der Gründer weiß, dass es bis zum Durchbruch noch viele Telefonate, Emails und Trips mit dem Polo braucht. Und dass er noch oft Klinken putzen muss – auch bei Hotels und Feinkostläden. Er will nicht übermütig werden, sich bei 500 Litern Ausstoß im Monat stabilisieren. Dennoch liebäugelt er mit einem Mitarbeiter, sieht aber auch die Verantwortung. Sein Tipp für Nachahmer: „Man muss bereit sein, viel Zeit zu opfern, und den Mut haben, sich bietende Chancen zu nutzen.“ Max hat einen Traum: „Irgendwann eine eigene große Halle“. Dann aber im Gewerbegebiet.

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