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Sie zeigen uns, wo’s lang geht: die Schild-Bürger von Langburkersdorf

In dem Neustädter Ortsteil werden Schilder aller Art veredelt und verkauft. Das Geschäft läuft blendend. Woher kommt die deutsche Schilderliebe?

Lesedauer: 5 Minuten

Mann hält ein Schild in Pfeilform.
Wegweisend: Martin Reh leitet die Niederlassung des Schilderwerks Beutha in Langburkersdorf. Die Firma ist in ihrem Metier Deutschlands Marktführer. © Daniel Schäfer

Von Jörg Stock

Mist! Eine Sperrscheibe. Keine drei Kilometer mehr bis zum Ziel, und nun ist plötzlich die Straße dicht. Das Navi hat nichts davon gesagt. Aber weil es nicht bloß Sperrscheiben gibt, sondern auch Umleitungspfeile, bin ich fünf Minuten später da, wo beides seine Quelle hat, im Schilderwerk Beutha, Standort Neustadt.

Ja, die Baustelle ist grade neu, sagt Martin Reh. Der Niederlassungsleiter weiß, wie oft Autofahrer von Sperrungen wie dieser überrascht werden, und woran das womöglich liegt. „Man ist mehr auf das Navi fokussiert als auf die schönen Schilder, die am Straßenrand stehen.“ Ob ihn das als Schilderwerker wurmt? Nicht direkt. Er findet, dass es die Mischung macht, von Satellitennavigation und Verkehrszeichen. „Damit man nicht in die Irre geht.“

Halteverbot ist der Hit

An bundesdeutschen Straßen stehen schätzungsweise 25 Millionen Schilder. Einen guten Teil davon hat ein einstiger VEB hergestellt, das Schilderwerk Beutha. Gegründet 1953 in Beutha bei Stollberg im Erzgebirge hat das Werk heute sechs Betriebsteile. Täglich verlassen etwa 1.500 Verkehrszeichen die Produktionszentrale in Chemnitz. Im Neustädter Ortsteil Langburkersdorf wird veredelt, verpackt und an die Kunden ausgeteilt.

Etwa hundert Verkehrszeichen verlassen täglich den Schilderwerksteil Neustadt. Hier packt Sven Scholz eine Sendung für die Stadt Nossen ein.© Daniel Schäfer

Langburkersdorf, ehemals Schilder und Blechwaren Johne & Co, gehört seit 1972 zur Firma. Martin Reh, ein gelernter Stahlbetonbauer, ist seit 15 Jahren hier, führt heute ein Dutzend Mitarbeiter. Die Belegschaft bei Beutha ist jung, im Schnitt Mitte vierzig. Viele der insgesamt 230 Leute sind ähnlich lange im Betrieb, wie er selbst, sagt er, zehn Jahre und mehr. Macht Schilder machen also Spaß? „Kann man so sagen.“

Schilder ziehen Martin Reh an. Im Vorbeifahren taxiert er jedes Exemplar. Darüber muss er manchmal selber lachen. „Das ist fast krankhaft.“ Aber es geht ganz automatisch: richtige Größe, korrekte Montage, rechtliche Zulässigkeit, Grad des Verschleißes. Und natürlich Hersteller. Der klebt auf der Rückseite. Etwa ein Dutzend gibt es im Land. Bei den Verkehrszeichen sieht sich Beutha mit über 350.000 Standardfabrikaten pro Jahr inzwischen als Marktführer.

Schilder können einem auch zu Füßen liegen. Solche Bodenfolien werden digital gedruckt, sind rutschfest beschichtet und rückstandslos wieder zu entfernen.© Daniel Schäfer

Wer denkt, dass irgendein Tempolimit das meistverkaufte Verkehrszeichen ist, der irrt. Der Hit ist das Halteverbot. Ob Baufirma, Verkehrssicherer oder Umzugsunternehmen – jeder braucht es. Vor allem im Sommer. Die Sommerferien sind „die Katastrophe schlechthin“, sagt Reh, weil dann der Bauboom ausbricht und viele auf den letzten Drücker noch Schilder abholen kommen. Schon früh um sieben kann es dann auf dem Hof eng werden mit den Parkplätzen.

Deutsche brauchen immer mehr Schilder

Hof und Haus der Langburkersdorfer Beuthaner gehörten bis vor Kurzem selbst einer Baufirma. 2022 übernahmen die Schilderwerker das Objekt im Gewerbegebiet, weil ihr Quartier im Altort zu eng geworden war. Mit dem Umzug haben sie ihre Produktionsfläche verdoppelt. Und sie haben der Region das wohl einzige Haus beschert, das in RAL 1023 angestrichen ist: verkehrsgelb.

Am Folienschrank: Wird das entsprechende Zeichen geordert, wird in wenigen Minuten aus Folie und Aluscheibe ein genormtes Verkehrsschild.© Daniel Schäfer

Inzwischen hat Martin Reh schon wieder anbauen lassen. Die neue Halle mit weiteren 150 Quadratmetern ist eben fertig geworden. Dem Unternehmen geht es gut. Laut Reh verzeichnet Beutha jährliche Wachstumsraten von um die zehn Prozent. Der letzte Jahresumsatz betrug 34 Millionen Euro. Deutschlandweit ist die Firma aktiv, besonders stark im Osten. „Hier sind wir unschlagbar.“

Warum ist der Schilderbedarf so groß? Nicht nur deshalb, denkt Martin Reh, weil Deutschland eine Autofahrernation ist. Die Deutschen geben sich allgemein sehr viele Regeln. „Deswegen werden auch sehr viele Schilder benötigt.“ So hat Corona den Schildermachern kaum etwas anhaben können. Zwar war auf den Straßen deutlich weniger los. Dafür mussten Schilder für die Hygienevorschriften her. „Wir haben durchgehend produziert.“

Kleine Schilderrohlinge werden mit der Handrolle beschriftet. Hier arbeitet Julian Schneider am Zeichen 1060-31 „Halteverbot auch auf dem Seitenstreifen“.© Daniel Schäfer

Je mehr Schilder da sind, desto mehr werden von Sonne und Wetter angegriffen. Nach zehn, zwölf Jahren ist es bei vielen Zeit für Ersatz, sagt Martin Reh. Etwa ein Viertel der deutschen Schilder soll älter als 15 Jahre sein. Dann wird es kritisch mit der Sichtbarkeit, vor allem im Dunkeln. Für Reh ist weniger der oft beklagte Schilderwald das Problem. „Es gibt zu viele alte Schilder.“

Mühlrose schon mehrfach geklaut

Gegen die Überalterung produzieren sie auch in Langburkersdorf an. Jeden Tag gehen am Standort etwa einhundert Verkehrszeichen raus. Viele sind griffbereit. Die Lagerkapazität umfasst etwa 9.500 Exemplare von 210 verschiedenen Schilderarten. Seltener verlangte Stücke liegen als Folie in Schubkästen, um auf Nachfrage mittels Rollen-Applizierer, der an eine Wäschemangel erinnert, auf Aluscheiben geklebt zu werden.

Spielverderber für Aufkleber-Vandalen: Am Antihaft-Laminat bleiben Sticker höchstens bis zum nächsten Regen hängen.© Daniel Schäfer

Verkehrszeichen sind mit etwa 65 Prozent das Kerngeschäft der Schilderwerker. Dazu kommen Beschilderungen für Bahnhöfe und Schienenwege, Aufkleber für Fußböden, Fahrzeugbeschriftungen, Werbetechnik, historisches Emaille. Und Spaßschilder aller Art. Wer ein Geburtstagsgeschenk sucht, muss nicht die Fünfzig vom Straßenrand klauen.

Auch Ortseingangsschilder gibt es als Souvenir. Trotzdem verschwinden gerade Ortstafeln nach wie vor flächendeckend, sagt Martin Reh. So ist Mühlrose, das Lausitzer Dorf, das die Kohlebagger fressen, schon viele Male weg gewesen. Die Schilderstange wurde zwischenzeitlich auf abstruse fünf Meter verlängert, als Diebstahlschutz. So ein Schild kostet gute 120 Euro, mit Antihaftlaminat gegen Aufkleber-Vandalismus sogar 180. „Das ist kein geringer Schaden.“

Einheitlicher Auftritt für Bushaltestellen: Aktuell rüstet Beutha alle Stopps in Sächsischer Schweiz und Osterzgebirge mit solchen Schildern aus.© Daniel Schäfer

Aktuell arbeiten die Beuthaner daran, dass jeder, der in Ostsachsen auf den Bus wartet, dies im Schatten eines ihrer Schilder tut. Im Auftrag der Verkehrsverbünde Oberelbe und Oberlausitz-Niederschlesien vereinheitlicht die Firma die Haltestellenzeichen. Das betrifft etwa 9.300 Exemplare. Allein im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge müssen rund 1.250 Haltestellen mit circa 2.400 Schildern umgerüstet werden.

Martin Reh mag es, mit Schildern Spuren in die Landschaft zu zeichnen, die Dinge in geregelte Bahnen zu lenken, auf der Straße, auf Radrouten, auf Wanderwegen, in Betrieben. Gern auch abseits der Norm. Etwas gestalten, sich grafisch austoben, und das quer durch Deutschland, das lässt einen jeden Tag weiter machen, sagt er. „Das motiviert uns.“

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