Bautzen/Eilenburg. Jeden Morgen um 6 Uhr packt Bäckermeister Lutz Neumann Brot und Brötchen in sein Lastenrad – und fährt los. Außer es regnet, hagelt oder stürmt. Drei Pensionen beliefert er so in Bautzen per Drahtesel. Fünf Kilometer ist seine Runde lang. Die Idee für das Lastenrad kam vom Sohn Paul Neumann. Auch er ist Bäckermeister. „Es ist umweltschonend und benzinsparend – ganz einfach“, sagt der gestandene Bäcker mit seinen 62 Jahren. Gekostet hat ihn das E-Lastenrad 4000 Euro.
Vor zwei Jahren hat es Neumann gekauft und dafür eine Förderung vom Freistaat erhalten. Deckel und Kiste hat er anbauen lassen, damit 100 Brötchen reinpassen. „Ich musste das üben mit den Kurven“, gibt der Bäcker zu. Jetzt aber sei er sehr zufrieden. Liebevoll nennt Neumann das gute Stück Brotkasten.

Quelle: Thomas Kretschel
Der Bäckermeister ist damit nicht der einzige. 130 Kilometer Luftlinie entfernt nutzt Schornsteinfeger Tom Kiss das Lastenrad regelmäßig. Kehr-, Stoßbesen, Eimer und Heizungs-Messkoffer passen in das Gefährt.
Damit radelt Kiss gemütlich durch Eilenburg und die umliegenden Dörfer nördlich von Leipzig. Natürlich ist bei ihm sogar die Klingel schwarz. „Die Post macht es mit den Rädern vor“, sagt er, während er die Leiter hochklettert, auf das Dach steigt.
Mit dem Auto hatte ich schon einen Strafzettel, mit dem Rad noch nicht. – Tom Kiss, der radelnde Schornsteinfeger in Eilenburg
Im ländlichen Raum gibt es im Gegensatz zur Stadt noch viele Kamine zu kehren – dafür sei das Lastenrad besonders geschickt. „Rein – raus – das geht ganz schnell“, sagt Tom Kiss, der mit Besen und Rad von Haus zu Haus zieht und den Ruß aus den Kaminen fegt. Immer mit Hut auf dem Kopf, damit die Asche zumindest die Haare in Ruhe lässt, so der 32-Jährige. Ein kleiner Hauch schwarze Asche hat sich trotzdem in seinem Gesicht verfangen.
Sein Chef Ronny Seidewitz hatte die Idee mit dem Lastenrad vor einem Jahr. „Wegen Fitnessgründen.“ 6000 Euro hat es gekostet. Auch da gab es eine Förderung vom Freistaat. Tom Kiss hat erst mal mit dem Kopf geschüttelt – jetzt sieht er den klaren Vorteil: „Mit dem Auto hatte ich schon einen Strafzettel, mit dem Rad noch nicht.“ Denn für die Parkplätze in der Kleinstadt muss auch der Handwerker zahlen. Das Lastenrad löst das Problem.

Quelle: Thomas Kretschel
Beispiele wie Bäcker Lutz Neumann oder Schornsteinfeger Tom Kiss sind dennoch rar gesät im ländlichen Raum, erklärt Daniel Bagehorn von der Handwerkskammer Dresden. Trotzdem überraschte es das Verkehrsministerium im Jahr 2022, dass ein Drittel der Förderanträge für Lastenräder nicht aus den sächsischen Großstädten kamen.
Konkret 101 Anträge gingen aus dem ländlichen Raum ein. Das Ministerium fördert seit 2021 den Kauf von Lastenrädern für Vereine, Kommunen, Zweckverbände sowie kleine und mittlere Unternehmen. Zwischen 500 und 1500 Euro werden bezuschusst.
Lastenräder: Nur was für links-grüne Großstädter? Von wegen
Und von der Förderung wird rege Gebrauch gemacht: Seit 2021 hat das Ministerium 793 Förderanträge bewilligt. Rund 1,4 Millionen Euro wurden ausgezahlt. Auch ein Blick in den aktuellsten Fahrradmonitor der Bundesregierung beweist: Lastenräder sind nicht nur was für links-grüne Großstädter. Das Kaufinteresse an Lastenrädern ist im ländlichen Raum genauso hoch wie in Mittel- und Großstädten, und Menschen aus den unterschiedlichsten Hintergründen interessieren sich für die Gefährte. Auch der öffentliche Verleih steigt in Sachsen. Die Initiative Teilrad Bautzen bietet mittlerweile in Kamenz, Bautzen und Bischofswerda Sharing-Lastenräder an.

Quelle: Thomas Kretschel
Dennoch ist das sächsische Förderprogramm besonders in städtischen Gebieten beliebt. 2024 kamen von 134 bewilligten Anträgen 68 aus Leipzig und 32 aus Dresden. Für 2025 steht das Förderprogramm noch auf der Kippe – und hängt von der Entscheidung zum Doppelhaushalt 2025/26 im Sächsischen Landtag ab.
Verkauf von Lastenrädern hat sich stetig erhöht
In welchen Regionen Lastenräder besonders häufig gekauft werden, kann der ADFC Sachsen nicht sagen, da es für Räder keine Registrierung wie für Pkws gibt. Eines ist jedoch sicher: Der Verkauf von Lastenrädern hat sich laut Zweirad-Industrie-Verband in den vergangenen Jahren stetig erhöht.
Und Lastenräder werden nicht nur privat genutzt, um Kinder von A nach B zu bringen. Auch Imker oder Steinmetze radeln damit, um Bienenstöcke oder Grabsteine zu transportieren. Der ADFC Sachsen sieht gerade in Innenstädten die Vorteile des Lastenrads gegenüber Kleintransportern. Die Parkplatzsuche entfalle. Die Wege verlaufen auf dem Radweg am Stau vorbei.
Schornsteinfegermeister Kiss kann das für die Kleinstadt Eilenburg teilweise bestätigen – nur, dass die Radwege fehlen. Er fährt nun auf der einsamen Landstraße zwischen den Mohn- und Getreidefeldern davon. Der nächste Kunde sei oben auf dem Berg, sagt Kiss. Zum Glück hat sein Rad einen Elektroantrieb.
SZ