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Skan-Spirit zieht Süddeutschen nach Görlitz

Armin Auer hat in Österreich und England gearbeitet, jetzt leitet er den Anlagenbauer Skan Deutschland in Görlitz. Der erlebt gerade einen besonderen Aufschwung.

Lesedauer: 5 Minuten

Seit knapp 100 Tagen im Amt: Armin Auer, der Geschäftsführer der Skan Deutschland GmbH in Görlitz.
Seit knapp 100 Tagen im Amt: Armin Auer, der Geschäftsführer der Skan Deutschland GmbH in Görlitz.

Von Sebastian Beutler

Armin Auer ist in seinem Berufsleben in Europa bereits herumgekommen. Acht Jahre England, zuletzt Salzburg. Und nun seit knapp 100 Tagen Görlitz. Ein Kulturschock? Der erfahrene Manager lächelt und verneint. Als er sich um den Geschäftsführer-Posten bei der Skan Deutschland GmbH in Görlitz-Hagenwerder bewarb, nahm er seine Frau mit, um zu zweit die richtige Entscheidung bei einem Besuch in Görlitz zu treffen. Die Region war für sie ein unbeschriebenes Blatt, diesen Zipfel Deutschlands kannten die Auers noch nicht. Aber die kulturelle Vielfalt in diesem Dreiländereck erinnerte sie an ihre süddeutsche Heimat mit der Nähe zur Schweiz und Österreich. Nun wird sich Auer eine Wohnung in Görlitz nehmen, denn er hat vor, eine Weile hier zu bleiben.

Das hat natürlich vor allem mit dem Skan-Standort in Görlitz zu tun. Er lockte Armin Auer an die deutsch-polnische Grenze. Sein Berufsleben hat er nach einer Ausbildung und einem Studium an der Uni in Ulm bislang in Unternehmen verbracht, die entweder Verpackungsmaschinen für die Pharmabranche herstellten oder Spritzgussmaschinen, die für die in der Corona-Pandemie stark gebrauchten Pipettenspitzen nötig waren. Mit dem Wechsel zu Skan ist er der Branche treu geblieben. Und auch die bei Basel beheimatete Skan-Gruppe hat durch die Corona-Pandemie nicht nur keinen Schaden erlitten, sondern sogar noch einen Schub. Überall mussten die Produktionskapazitäten für Impfstoffe durch die Corona-Vakzine stark ausgebaut werden. Dafür sind die Isolatoren und Reinraumanlagen von Skan wie gemacht.

Deswegen blickt das Unternehmen auch jetzt noch optimistisch in die Zukunft, obwohl die Corona-Pandemie kein Thema mehr ist und auch die Impfstoffproduktion etwas zurückgegangen ist. Doch nun spielt ein weiterer Trend in der Medizin den Anlagenbauern im Görlitzer Industriegebiet in die Karten: Medikamente werden immer öfter über Infusionen und nicht mehr in Tablettenform verabreicht. Eine genauere Dosierung der Medikamente ist der Vorteil dadurch. Und auch darauf sind die Isolatoren die richtige Antwort, denn solche Infusionslösungen müssen in Räumen abgefüllt werden, die frei von Verunreinigungen sind. Das sind die Isolatoren.

Isolatoren sind für die Herstellung von Infusionen wichtig und gefragt. Und genau die baut Skan. Auch in Görlitz.

Deswegen konnte Auer in der vergangenen Woche auch mit eindrucksvollen Zahlen die zehnjährige Geschichte von Skan in Görlitz illustrieren. Zuletzt wurden nochmals 24 Millionen Euro investiert, um die Produktionskapazitäten zu verdoppeln. Geht alles nach Plan, dann werden sie in drei Jahren bereits wieder erschöpft sein. Es ist ein offenes Geheimnis in Görlitz, dass Skan sich noch letzte freie Flächen rund um seinen Standort gesichert hat – für alle Fälle.

453 Isolatoren wurden seit 2013 in Görlitz hergestellt, 2.500 Tonnen Edelstahl verbaut, 210 Kilometer Schweißnähte gezogen, 644.523 Schleifscheiben verwendet, um eine Fläche von 7.000 Quadratmetern Edelstahl zu polieren. Auch die Umsätze spiegeln die Entwicklung wider. Für dieses Jahr peilt Skan in Görlitz 39 bis 40 Millionen Euro an, im letzten veröffentlichten Jahresabschluss von 2021 waren es 33,5 Millionen Euro Umsatz. Der Jahresüberschuss lag damals bei etwas mehr als einer Million Euro.

Skan wich 2013 wegen der Frankenstärke nach Görlitz aus

Skan hatte sich 2013 auch wegen der Frankenstärke nach einem außerschweizerischen Standort, am besten in der EU, umgeschaut und war schließlich auf Görlitz gestoßen. Auch weil der damalige Wirtschaftsförderer Lutz Thielemann Schweizer Unternehmen zuvor eingeladen hatte, in Görlitz zu investieren. Anfangs war das nur eine verlängerte Werkbank, die die Schweizer hier einrichteten, doch mittlerweile verfügt der Görlitzer Standort über Entwicklungs- und Ingenieurabteilungen, hier wird geforscht und mit moderner Technik gearbeitet. Skan vertraute dabei auch ostdeutschen Fachleuten als Standortleitern. Die Geschäftsführung lag zwar in Schweizer Händen, aber hier vor Ort waren es Mario Ludwig, Nancy Wauer und Stefan Stettler, die in den vergangenen Jahren das Unternehmen voranbrachten. Derzeit hat das Unternehmen 270 Mitarbeiter an der Neiße, viele von ihnen kommen auch aus dem Südkreis. Am Ende des Jahres sollen es bereits 300 sein. Jeder fünfte Mitarbeiter von Skan weltweit würde dann in Görlitz arbeiten.

Personal bleibt das Nadelöhr für Wachstum in der Zukunft

Und da beginnen auch ein wenig die Probleme oder, wie man heutzutage lieber sagt, die Herausforderungen. Denn seit Jahren schreibt Skan Stellen aus und muss ziemlichen Aufwand betreiben, sie zu besetzen. Dabei bringt das Unternehmen vieles mit, wonach Maschinen- und Anlagenbauer, Elektriker, Entwicklungsingenieure oder IT-Fachleute gegenwärtig landesweit suchen: Internationalität, ein weltweit nachgefragtes Produkt, beispielhafte moderne Produktions- und Sozialräume in Görlitz. Auer selbst spricht vom Skan-Spirit, der die Mitarbeiter wertschätzt, in der Branche bekannt ist und den Mitarbeitern viel Freiräume bietet. „Arbeit muss Spaß machen“, laute das Motto. Am Freitag gab es ein Mitarbeiterfest zum zehnjährigen Bestehen.

Und trotzdem bleibt es schwierig, gut ausgebildetes Personal zu finden. Für Auer sind deshalb auch weitere Faktoren wichtig. So nutzte er die Gegenwart des Görlitzer Landrates Stephan Meyer und des Görlitzer Oberbürgermeisters Octavian Ursu, um auch die Infrastruktur und das ganze Umfeld in der Region anzusprechen. Für Ursu, der sich eine Woche zuvor mit Sachsens Finanzminister um eine bessere Finanzausstattung gestritten hatte, war das eine Steilvorlage. „Alles, was möglich ist, werden wir tun“, sagte Ursu und zählte alles – von Wohnungen über die kulturelle Infrastruktur, die Kitas bis hin zu Schulen – auf.

Politiker versprechen, alles für ein attraktives Umfeld zu tun

Meyer ergänzte auch noch, dass eine sechsspurige A 4 dazu gehört wie auch schnelle Bahnverbindungen nach Dresden und Berlin. Schließlich ist beiden klar, dass die Unternehmen ihre freien Stellen nicht allein mit dem Nachwuchs aus der Region oder gar Deutschland besetzen werden können. Dafür müsse aber die gesamte Region attraktiv und offen sein für Menschen, die nicht hier geboren wurden. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig beschrieb das am Freitag so: „Wir brauchen einen Kultur- und Mentalitätswandel hin zu einem Einwanderungsland für Fach- und Arbeitskräfte, das international konkurrenzfähig ist. Dies trifft jeden von uns, jedes Unternehmen, aber auch jede Behörde: Denn wir haben es mit Menschen zu tun, die zu uns kommen. Mit Menschen, die hier mit uns leben wollen, hier arbeiten, hier in Vereine gehen, Freunde finden möchten und deren Kinder hier ganz selbstverständlich aufwachsen werden.“

Für Ursu ist das eine Entwicklung, die auch Geduld benötigt. Das gelte für die Wirtschaft wie auch für die allgemeine Lage. Beides müsse sich parallel entwickeln. Beispiele wie Skan zeigen, was hier gehe. „Wir sind froh, sie hier zu haben“, sagt Ursu und hofft natürlich, dass auch die zugesagten neuen Forschungseinrichtungen zu ähnlichen Impulsen für Görlitz und den gesamten Landkreis führen.

Armin Auer fühlt sich nach 100 Tagen gut angekommen in Görlitz. Und er hat sich auch schon ein wenig mit der Geschichte der Stadt beschäftigt und dabei interessante Parallelen gefunden. Vor 1.000 Jahren sei die Via Regia über Görlitz verlaufen. Wie damals sei die Stadt nun wieder ein Mittelpunkt der Wirtschaft und ein prosperierendes Zentrum. „Statt mit Holz, Tuchen und Salz zu handeln, reden wir heute aber über Hochtechnologien der Pharma- und Chemieindustrie“, sagt Auer. Früher waren die Menschen auf der Via Regia unterwegs und transportierten die Waren nach Görlitz. Heute und künftig, so wünscht es sich der noch immer neue Görlitzer Skan-Chef, „kommen die Menschen nach Görlitz und die hier hergestellten Produkte gehen in die ganze Welt“.

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