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Start-ups treffen Kapital

Die besten europäischen Hochtechnologie-Gründer stellen sich in Dresden Investoren. Sieben Sachsen sind mit dabei.

Lesedauer: 3 Minuten

Das Biotechnologie-Unternehmen c-LEctra aus Leipzig kann schon drei Produkte vorweisen – einen natürlichen Süßstoff, der Backwaren oder Getränke weniger kalorienreich macht, einen funktionalen Zucker und ein Präbiotikum, das im Darm die richtigen Bakterien stimuliert und die ungesunden reduziert. Damit will das Unternehmen mit 50 Mitarbeitern die Lebensmittelindustrie revolutionieren. Doch um die Produkte richtig in den Markt bringen und Vertriebskanäle aufbauen zu können, mangelt es an Geld. Gründer und Geschäftsführer Marc Struhalla hofft, auf der europäischen Investorenkonferenz „Hightech-Venture-Days“ in Dresdenweiter zur Lokalausgabe Dresden noch lnvestoren zu finden, um eine Finanzierungsrunde von bis zu zehn Millionen Euro abschließen zu können. „Wir sind ein etabliertes, profitables Unternehmen – das ist selten für Biotech-Firmen – und dachten, diese Finanzierung wäre verhältnismäßig leicht zu bekommen. Doch es hat sich als sehr schwierig heraus gestellt. Das hat mich überrascht“, sagt Struhalla.

Bahnbrechende Erfindungen und neuartige Hochtechnologielösungen halten die Wirtschaft eines Landes oder ganzen Kontinents modern und wettbewerbsfähig. Europa schließt in der Innovationsleistung zu den USA auf, verliert aber an Schlagkraft gegenüber Südkorea und Japan. Denn es fehlt an Risikokapital, um neue Produkte und Technologien schneller auf den Markt zu bringen. Zwar haben europäische Venture-Capital (VC)-Fonds im vergangenen Jahr insgesamt 6,4 Milliarden Euro eingesammelt. Im internationalen Vergleich ist das nur ein Bruchteil dessen, was in den USA an Wagniskapital in die Entwicklung technologieintensiver Firmengründungen gesteckt wird.

Die Veranstalter der Hightech-Venture-Days, die Gründerinitiative Hightech Startbahn, haben sich zum Ziel gesetzt, diese Finanzierungslücke zu verringern. Zum fünften Mal konnten die 41 besten Hochtechnologie-Gründer aus Europa sich vor 140 internationalen Kapitalgebern vorstellen. Beworben hatten sich 221 Unternehmen von Spanien bis Moldawien, um auf dem Investorenkongress in der Gläsernen Manufaktur von VW mit dabei zu sein. wird weltweit immer bekannter, wie die Teilnehmerliste zeigt. Die Zahl der Bewerbungen ist im Vergleich zu einem Jahr um ein Drittel gewachsen, die Zahl der vertretenen Investoren hat sich sogar fast verdoppelt. Unter ihnen auch etliche Risikokapitalgeber großer Industrieunternehmen wie Trumpf, BASF, Bayer oder Schaeffler, die längst erkannt haben, dass es sich lohnt, Hightech-Startups zu finanzieren. Aber auch Dresdner Mittelständler wollen nicht den Anschluss verpassen. So mischen sich unter anderem Vertreter von DAS Environmental Expert, Theegarten und Biotype Diagnostik GmbH unter die diesjährigen Investoren.

Sie schätzen am Dresdner Kongress die Konzentration auf das Wesentliche – die Präsentation von innovativen Geschäftsideen. Viele der pitchenden Unternehmen agieren in internationalen Nischenmärkten. EnerKite aus Kleinmachnow zum Beispiel hat mobile, portableAnzeige: Zu den besten Technik-Produkten auf Amazon [powered by kontextR] Flugwindkraftanlagen entwickelt, mit welchen man den Wind, der oberhalb der Blattspitzen herkömmlicher Windkraftanlagen weht, „ernten“ kann. Der doppelte Stromertrag halbiert den Stromverbrauch und damit die Kosten. Ermöglicht wird die Energiegewinnung aus bisher unerreichten Höhen durch den Einsatz von Drohnentechnologie und präziser Robotertechnik. Ein sechs Meter langer Container mit einer 100 Kilowatt-Anlage kann 200 Haushalte mit Strom versorgen, erläutert Alexander Bormann, Gründer und Geschäftsführer. Die Enerkite-Anlagen könnten laut Bormann überall dort zum Einsatz kommen, wo heute keine Steckdose ist und herkömmlicher Strom aus der Steckdose zu teuer ist. Drei Prozent des Stroms würden heutzutage noch aus Diesel gewonnen werden. „Mit unserer Technologie lassen sich in 20 Jahren vier Millionen Liter Diesel einsparen“, preist Bormann sein nachhaltiges Energieprodukt an. In Dresden will er Investoren für eine Finanzierungsrunde von rund zehn Millionen Euro gewinnen. Allein für 4 Millionen Euro soll ein Funktionsdemonstrator gebaut werden. Von den Hightech Venture Days ist er nach eigenen Worten „begeistert“. „Erstmals haben wir ein Format gefunden, wo es ausschließlich um Hardware intensive Innovationen geht. Wir sehen nicht nur Investoren, sondern können auch potentielle Kunden treffen, das ist sehr spannend“, so Bormann.

Insgesamt liegt der Finanzierungsbedarf aller 41 ausgewählten Firmen bei 298 Millionen Euro. Geldgeber für Hochtechnologiefirmen brauchen einen langen Atem und mehr Expertise, um zu verstehen, wie der Gesundheitsmarkt funktioniert oder wie Verfahrensprozesse in der Industrie ablaufen. Für Ostdeutschland beträgt das angestrebte Investitionsvolumen 118,6 Millionen Euro für 12 Startups, darunter sieben Hightech-Gründer aus Sachsen und vier aus Berlin. Sie sind vor allem stark auf den Technologiefeldern Life Sciences und Medizintechnik, Energie sowie Materialwissenschaften unterwegs. Das „Ökosystem“, also die Vernetzung aus Forschung und Firmen werde in Ostdeutschland immer besser, aber es fehlen Konzernzentralen, große Mittelständler oder reiche Erben, die in Start-ups investieren, betont Bettina Voßberg, Chefin der High Tech Startbahn GmbH und des Europäischen Investorenkongresses.

Gewöhnlich gilt das Silicon Valley als Hotspot für Innovationen, doch auch in Europa habe sich in den letzten Jahres einiges getan, meint Hendrik Van Asbroeck, Chef von Engie New Ventures. Er sieht den Schlüssel zur weiteren Stärkung der Startup-Szene in der engen Zusammenarbeit von Bildung, Politik, Kapitalgebern und Gründern selbst. In den Schulen und Hochschulen müsste besser vermittelt werden, wie man eine Idee verkauft und was es bedeutet, Unternehmer zu sein. Und dann gibt es noch ein weiteres Hindernis, das überwunden werden muss. „Wir sind in Europa an lebenslange Karrieren gewöhnt. Die Menschen scheuen den Wechsel ihrer Arbeitsplätze. Wir brauchen mehr Leute, die es wagen, mit zehn oder 15 Jahren Berufserfahrung noch in ein Startup zu wechseln“, mahnt Van Asbroeck mehr Risikomut an.
 

Von Nora Miethke
Foto: © dpa

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