Von Juliane Just
Dresden. Wer die Keksmanufaktur „Kexerei“ in der Sporergasse an der Frauenkirche betritt, wird sich mit nur einem Atemzug in die Weihnachtszeit versetzt fühlen. Es riecht nach Zimt und Spekulatius, nach Rosinen und zerlassener Butter. Hinter einer Glasscheibe liegen sie auch schon, die Teiglinge für den originalen Dresdner Christstollen. Dort steht Bäckermeister Matthias Walther und formt die Kugeln mit seinen bemehlten Händen zu länglichen Stollen. Seit etwa einem Monat ist das seine Hauptaufgabe.

Anfang September beginnt für die meisten Dresdner Bäcker die Stollensaison. Wenn draußen noch sommerliche Temperaturen herrschen, sind sie bereits von weihnachtlichen Düften umgeben. „Ich freue mich immer auf die Stollenzeit, auch wenn sie sehr schlaucht“, sagt Matthias Walther.
Von einer 40-Stunden-Woche sind er und sein Team ab sofort weit entfernt. In seiner „Kexerei“ an der Frauenkirche werden kleine 500-Gramm-Stollen für Touristen gebacken, die großen Stollen entstehen in der großen Backstube in der Industriestraße. Täglich werden dort bis zu 500 Kilogramm Stollen hergestellt. Bis Mitte Dezember werden dafür mehr Mitarbeiter eingesetzt.
Fünf bis sechs Personen kneten, mehlen und buttern dann den Teig und die Laibe im Akkord. Auch die Brötchen und Brote für die Filiale in Altpieschen sowie die unzähligen Kekse für die vier Kexerei-Filialen in der Stadt werden gleichzeitig hergestellt. „Da wird es dann schon eng“, sagt Matthias Walther. 2022 hat die Bäckerei Walther 25.000 Kilogramm Dresdner Stollen gebacken. „Und wir sind sie alle losgeworden.“

Über 100 Bäcker backen tonnenweise Dresdner Stollen
Über 100 Bäcker von Weinböhla über Moritzburg bis Radebeul und von Radeberg über Ottendorf bis Freital und Pirna stehen nun im Dienste des Dresdner Christstollens. Der ist nur echt, wenn er mit einem goldenen Siegel des Stollenschutzverbandes versehen ist. Um dieses zu erhalten, reicht jedoch nicht allein der Standort Dresden, sondern es gibt noch weitere strenge Vorgaben.
Rosinen, Butter, süße und bittere Mandeln, Orangeat, Zitronat, Mehl, Milch und Hefe, so ist das Rezept überliefert, müssen Bestandteile des Teiges sein. Auch Kristallzucker, Butterschmalz, Zitronenschalenpaste, Speisesalz, Puderzucker und Stollengewürz sind in der laut Satzung des Schutzverbandes Dresdner Stollen e. V. festgeschriebenen Rezeptur enthalten. Eine Zugabe von Margarine, künstlich hergestellten Aromen und Zusatzstoffen ist nicht erlaubt.
Trotzdem unterscheiden sich die Dresdner Stollen bei jedem Bäcker. Es gibt Mindestmaße an Zutaten, doch die Bäcker haben Spielraum. Vorgeschrieben ist beispielsweise, dass 75 Prozent Rosinen enthalten sein müssen. Mehr sind aber auch erlaubt. Jeder Bäcker hütet sein eigenes Rezept. Matthias Walther, der seit 33 Jahren Bäckermeister ist, hat das Rezept von seinem Vater, der es wiederum aus seiner Ausbildungsbäckerei im Erzgebirge hat. Das Rezept ist uralt und streng geheim, versteht sich.

Wird der Dresdner Stollen wieder teurer?
Doch das Dresdner Original hat auch seinen Preis. Im Vorjahr gingen Rohstoff- und Energiepreise durch die Decke, der Mindestlohn wurde erhöht. Deshalb stiegen 2022 die Preise für den Dresdner Stollen durchschnittlich um 25 Prozent. Der Preis für einen Ein-Kilo-Stollen variierte zwischen 19 und 24 Euro.
Was müssen die Kunden dieses Jahr erwarten? „Wir gehen davon aus, dass es zum Vorjahr keine großen Preissprünge gibt“, sagt Karoline Marschallek vom Stollenschutzverband. Bäckermeister Walther wird den Ein-Kilogramm-Stollen im Karton für 19,50 Euro verkaufen und damit einen Euro mehr verlangen als im Vorjahr. Und auch der Zwei-Kilo-Stollen im Karton ist mit 34 Euro um einen Euro teurer geworden.
„Der Dresdner Stollen ist ein Weihnachtsgebäck und ein Premiumprodukt. Er soll aber trotzdem für den Kunden bezahlbar bleiben“, betont Walther. Das Preis-Leistungs-Verhältnis müsse stimmen, sonst habe er „Bauchschmerzen“. Neben den zertifizierten Dresdner Stollen werden in seiner Backstube auch Mandelstollen, Mohnstollen und Mohnstriezel hergestellt. Doch der Dresdner Stollen ist und bleibt der Publikumsliebling.
Gute Nachrichten für Stollenfest auf dem Striezelmarkt
Und dieser soll auch beim Stollenfest, dem Höhepunkt der Saison, wieder im Mittelpunkt stehen. Immer am Samstag vorm zweiten Advent – in diesem Jahr der 9. Dezember – sind zahlreiche Dresdner Bäcker auf dem Striezelmarkt umringt von Besuchern, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollen. Dafür hat Karoline Marschallek gute Nachrichten vom Stollenschutzverband dabei: „Es wird in diesem Jahr wieder einen Riesenstollen geben.“
Das ist ein tonnenschweres Gebäck, das aus mehreren tausend Stollen zusammengefügt wird und zum Stollenfest häppchenweise an die Besucher verkauft wird. Diese langjährige Tradition musste 2022 ausfallen, weil die Corona-Pandemie zu Beginn der Planungen zu unberechenbar war. Nun die gute Nachricht. „Die Bäcker haben gemeinsam entschieden, dass der Riesenstollen zum Stollenfest gehört und die Tradition fortgeführt wird.“
Bis dahin werden in der Backstube von Matthias Walther noch tausende Stollen entstehen und über die Theke gehen. „Die Bekanntheit des Dresdner Stollens ist immens. Es ist ein Aushängeschild für die Stadt“, sagt der Bäckermeister. Auch wenn er zugeben muss, dass er eigentlich lieber Mandelstollen isst.
