Leipzig . Über 100 Hektar, gelegen zwischen Airport und Porsche-Werk, nahe am Schkeuditzer Kreuz: Das Areal an der Radefelder Allee im Leipziger Norden hat das Potenzial, die wirtschaftliche Entwicklung in der Messestadt in den kommenden Jahren maßgeblich mitzuprägen.
Man will hier noch einmal groß denken, eine stadtprägende Ansiedlung an Land ziehen, wie es mit BMW, Porsche oder Beiersdorf gelungen ist. Denn allen ist bewusst: Viel Platz gibt es in Leipzig nicht mehr.
Flächen sichern und Startrampe für Firmen geben
Der Stadt will jetzt reagieren: Sie hat einen neuen Entwicklungsplan für die Wirtschaftsflächen vorgelegt – und im Fokus stehen drei Ziele. Erstens will die Stadt Flächen sichern, beispielsweise, um die Verdrängung von Gewerbe zu verhindern. Zweitens sollen Areale weiterentwickelt und aufpoliert werden, um ein attraktives Angebot vorzuhalten. Und drittens bereitet Leipzig neue Flächen vor – sozusagen als Startrampe für Firmen, die in Leipzig durchstarten wollen.
Das mag bürokratisch klingen, doch es lässt sich an vier konkreten Beispielen nachvollziehen, wie sich Leipzigs Wirtschaft in den kommenden Jahren entwickeln soll.
1. Radefelder Allee im Leipziger Norden: Platz für 3000 neue Jobs?
Am Flughafen strecken die Beteiligten bereits die Fühler aus. In dieser Woche will die Ansiedlungsagentur Invest Region Leipzig das Areal an der Radefelder Allee auf der weltweit führenden Immobilienmesse MIPIM in Cannes bewerben. Ziel der Beteiligten um Stadt und Flughafen ist es, ein neues Industriegebiet zu entwickeln.

Quelle: Andre Kempner
„Das ist sachsenweit, wenn nicht europaweit, eine Premiumfläche“, sagt Leipzigs Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke (CDU). Er hatte bereits von 3000 Arbeitsplätzen gesprochen, die entstehen könnten.
Für eine Ansiedlung sollen Unternehmen aus zukunftsfähigen Branchen gewonnen werden: Dazu zählen die Bereiche Pharma, Biotechnologie, Automobil, Mikroelektronik oder Luft- und Raumfahrt.
Die Vision nimmt zwar Form an – doch bis erste Bagger anrollen, braucht es Zeit. Erst 2026 soll Baurecht geschaffen werden. Zudem muss der Ausbau der Radefelder Allee geplant werden – die soll künftig vierstreifig sein, um dem wachsenden Verkehr gerecht zu werden.

Quelle: Andre Kempner
Der Bedarf ist enorm: Derzeit arbeiten gut 35.000 Menschen im Leipziger Nordraum, Schätzungen zufolge könnten es bis zum Jahr 2030 rund 60.000 sein.
2. Leipziger Nordosten: TechPark und Ansiedlungsfläche in Merkwitz
Im Leipziger Nordosten befinden sich zwei weitere Flächen, die Leipzigs Wirtschaft einen Schub verleihen sollen. So entsteht an der Torgauer Straße der „TechPark Leipzig“ – ein Innovationspark, der vor allem Institute und Unternehmen aus den Bereichen Energie, Umwelttechnik und Chemie anziehen soll.
Die Erschließung wird derzeit vorbereitet, doch wer sich letztlich ansiedeln wird, bleibt offen. In der Vergangenheit habe es Anfragen aus dem Handelsbereich gegeben, doch die gewünschte Nutzung sei noch nicht dabei gewesen, heißt es im Rathaus. Um Investoren zu gewinnen, soll dieses Projekt ebenfalls auf der internationalen Bühne präsentiert werden.
Im Tauchaer Ortsteil Merkwitz, nah am BMW-Werk, sind 50 Hektar für Gewerbe und Industrie vorgesehen. Sollte das Projekt realisiert werden, würde der „Industriepark Nord“, der bereits über 10.000 Arbeitsplätze zählt, weiter wachsen.

Quelle: Andre Kempner
Als naheliegend gilt, dass sich Unternehmen aus dem Bereich Automotive ansiedeln – doch auch andere Branche sind denkbar. Leipzig und Taucha kooperieren bei dem Projekt, sehen sich aber Protesten von Anwohnern ausgesetzt.
3. Biocity an der Alten Messe: Biotechnologie-Branche wächst
Die Biotechnologie-Branche entwickelt sich zusammen mit der Medizintechnik und den Lebenswissenschaften zunehmend zum Motor der Leipziger Wirtschaft. Über 52.000 Menschen arbeiten im Cluster „Life Sciences“. Allein in den vergangenen zehn Jahren sind rund 13.500 Jobs hinzugekommen. Und der Wachstumstrend setzt sich fort.
Das Ziel Leipzigs steht: Bis 2035 will die Messestadt zu den Top-3-Standorten für Life Sciences gehören. Gelingen soll das mit einem wachsenden Standort an der Alten Messe: Als Herzstück gilt der Biocity Campus, wo sich über 50 Unternehmen niedergelassen haben.
Derzeit laufen bereits mehre Projekte: Die Vollack-Gruppe errichtet Neubauten, der Investor OFB den „BioSquare“. 11.000 Quadratmeter für Unternehmen entstehen zudem in Halle 12 auf der Alten Messe.

Quelle: Wolfgang Sens
Wie es im Amt für Wirtschaftsförderung heißt, werden weiterhin Immobilieninvestoren gesucht. Ziel sei es, neue Laborflächen zu schaffen, den Biocity Campus zu erweitern – und Unternehmen Platz für Wachstum zu bieten.
4. Ludwig-Hupfeld-Straße: Neue Zukunft für altes Industriegebiet

Quelle: Panattoni Deutschland
Das Industriegebiet an der Ludwig-Hupfeld-Straße kennen viele als Standort der ehemaligen Hallberg-Guss-Werke – doch nach dem Abriss steht jetzt ein Strukturwandel bevor. Eine große Ansiedlung ist schon bekannt: Das Unternehmen Panattoni will größere Hallen für Industriekunden und kleinere Gewerbepark-Einheiten errichten – von Hunderten neuen Arbeitsplätze ist beim Investor die Rede.
Wie Wirtschaftsbürgermeister Schülke betont, soll das Projekt einen Impuls für das gesamte Gebiet setzen. 150 Unternehmen mit rund 1300 Arbeitsplätzen gibt es in dem Areal zwischen Ludwig-Hupfeld- und Merseburger Straße; der Schwerpunkt liegt auf der Metallverarbeitung.
Das Problem: Die Infrastruktur dort ist marode, die Firmen mitunter unzufrieden. In den kommenden Jahren will die Stadt daher Straßen sanieren, die ÖPNV-Anbindung sowie Rad- und Fußwegeverbindungen verbessern.
Der Wettbewerb zwischen Wirtschaftsstandorten wird in der aktuellen Lage härter. – Clemens Schülke, Wirtschaftsbürgermeister der Stadt Leipzig
Die Aufgabe ist nicht weniger wichtig als das Ansiedeln neuer Firmen: Um Unternehmen zu halten, gilt es, die Standortfaktoren zu verbessern. Somit steht das Areal exemplarisch für die zahlreichen Bestandsgebiete in Leipzigs Wirtschaftslandschaft.
Herausforderungen: Kann Leipzig Investoren gewinnen?
Die schwierigste Aufgabe steht Leipzig noch bevor: Für die Schlüsselprojekte müssen Investoren gewonnen werden. Das ist derzeit keine leichte Aufgabe: Hohe bürokratische Anforderungen und Kosten schrecken Investoren ab, und sowieso kämpft Deutschland mit einer Investitionsschwäche.
Die Stadt will allerdings nicht warten. „Es ist zu spät anzufangen, wenn der Investor auf der Matte steht“, sagt Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne).
Wie Wirtschaftsbürgermeister Schülke betont, werben mehr Standorte um weniger Investoren. „Der Wettbewerb zwischen Wirtschaftsstandorten wird in der aktuellen Lage härter. Und er wird nicht allein innerhalb Deutschlands ausgetragen.“ Gerade deswegen suche man auch in Europa und darüber hinaus nach Investoren.