So etwas habe er in 29 Jahren als Verhandlungsführer bei der Gewerkschaft NGG bisher nur einmal erlebt, sagt Uwe Ledwig. „Das waren locker 400 Tarifverhandlungen, aber da gab es bisher eine einzige, in der eine vorher getroffene Vereinbarung dann nicht unterschrieben wurde – und das war 1996.“ Nun ist es wieder passiert, diesmal in Riesa, während der Verhandlungen für einen Tarifvertrag bei den Teigwaren. Die Betriebsversammlung am Mittwochnachmittag endete ohne eine Unterschrift der Geschäftsführung.
Noch eine Woche zuvor hatte Uwe Ledwig sich hoffnungsfroh gegeben. Schon beim ersten Treffen der Tarifkommission war ein Fahrplan erarbeitet worden, der eine Entgelterhöhung und weitere Verhandlungen vorsah. Was für Außenstehende überraschend wirken muss, hatte sich allerdings schon angedeutet. Laut Uwe Ledwig habe es seitens der Unternehmenseigner schon am Montag Versuche gegeben, nachzuverhandeln. Beispielsweise wollte die Unternehmensspitze demnach Auszubildende von der vereinbarten Entgelterhöhung ausnehmen.
In der Betriebsverhandlung eskalierte der Streit dann nach Darstellung der Gewerkschaft vollends. „Oliver und André Freidler waren vor Ort und mussten sich mächtig was anhören“, so der Verhandlungsführer. Gleichzeitig habe die Geschäftsführung der eigenen Belegschaft Vorhaltungen gemacht. „Es hieß, nach Riesa seien die Freidlers immer gerne gekommen, nun werde man nur noch angefeindet.“ Zudem hätten die beiden Vertreter des Arbeitgebers schlecht vorbereitet gewirkt, kritisiert er.
Die Unternehmensspitze sieht die Sache anders. Die siebenprozentige Lohnerhöhung sei bereits umgesetzt und werde auf der Abrechnung Ende Januar bereits „für die einzelnen Mitarbeiter sichtbar sein“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. André Freidler, der ab März neuer Geschäftsführer im Unternehmen werden soll, betont gleichzeitig, dass damit die Schmerzgrenze für das Unternehmen erreicht sei und erst einmal nicht mit weiteren Lohnerhöhungen zu rechnen ist: Es könnten „zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Zugeständnisse, die über die betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten des Unternehmens hinaus gehen würden, getätigt werden“. Man werde dennoch weiter daran arbeiten, die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter zu verbessern. Das soll allerdings ohne die Gewerkschaft geschehen, sondern gemeinsam mit der Belegschaft. Wörtlich heißt es seitens der Teigwaren: „Eine weitere Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft NGG wird von der Unternehmensleitung abgelehnt, da die unternehmensspezifischen Herausforderungen ohne externe Beteiligung schneller und erfolgreicher angegangen werden können.“ Das sei auch der Grund, warum die Ergebnisse aus dem ersten Tarifgespräch nicht fixiert worden seien. Diese wolle man aber „selbstverständlich und gerne im Sinne der Mitarbeiter und des Unternehmens“ umsetzen.
Die Gewerkschaft wird sich das wohl nicht gefallen lassen. Uwe Ledwig hatte schon am Mittwoch erklärt, man werde nun darüber beraten, wie der Arbeitskampf wieder aufgenommen werden soll. „Die Zeiten, in denen man so etwas aussitzen kann, sind vorbei.“
Von Stefan Lehmann
Foto: © Sebastian Schultz