Von Jakob Hammerschmidt
Ein Ehepaar aus Weinböhla hat auf einem Acker bei Thiendorf eine Reisemesse auf die Beine gestellt, die Branchentreff und Campingkultur vereint.
Thiendorf. Hauptberuflich ist Daniel Dekan Sachverständiger für den Holzbau. Seine Frau, Ilka Dekan, ist in der Eventbranche tätig. Was die beiden Weinböhlaer teilen, ist die Lust zu reisen. Mit ihren Kindern verschlug es das Paar im vergangenen Jahr nach Südamerika. Dort, im kolumbianischen Dschungel, kam ihnen die Idee, ihre Erfahrungen und Reiselust mit anderen zu teilen. Das Ergebnis ist die World Exploria, eine Reise- und Vanlife-Messe, die vom 12. bis zum 14. Mai auf dem Gelände des Hofguts Kaltenbach bei Thiendorf stattfindet.
Die World Exploria verbindet eine klassische Branchenmesse mit einem Campertreff. Besucher können auf einem separaten Gelände campieren, während auf dem Messe-Areal Anbieter ihre Produkte präsentieren – von der innovativen Duschlösung zum saharabereiten Komplettumbau. Und dann ist da noch das sogenannte Vanlife Village, eine Ansammlung von Reisebloggern und Influencern, die ihre eigens umgebauten Vans zeigen und Tipps und Tricks teilen.
Da sind beispielsweise Candice und Fritz Homann, auf Instagram bekannt als @mrs._vanda_craft. Die beiden sind gemeinsam mit Sohn Fynn und zwei Hunden in einem ausgebauten VW Crafter angereist, nachdem sie im Zuge einer Ausschreibung die Zusage der Messe erhielten. Ursprünglich kommen sie aus Niedersachsen, nahe dem Steinhuder Meer. Der Van hat sie bereits nach Kroatien, Schweden und Sardinien gebracht. Am Camping-Lifestyle schätzen die beiden die Spontanität und Freiheit. Für die Organisation der Messe ist Candice Homann voll des Lobes. Die vielen Weltreisenden, die das Vanlife Village bevölkern, seien ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Auf die Frage, was für sie beim Campen unerlässlich ist, sind sich beide sofort einig: der Bialetti-Espressokocher.
Ein Branchentreff für die Region
Ich treffe Ilka und Daniel Dekan, die Organisatoren des Events, im Community-Bereich der Messe, unweit der Imbissstände. Sie erzählen mir, dass sie die Messe ursprünglich in Dresden ausrichten wollten, dort jedoch kein geeignetes Gelände fanden. Da sie den Betreiber den Hofguts Kaltenbach seit Jahren persönlich kannten, fragten sie dort an. Natürlich campen die beiden auch selbst hier – auf dem Hofgut, mit einer mobilen Einsatzzentrale zur Verwaltung der Messe.
Das Ziel der Messe sei einerseits, Besucher zu inspirieren. Andererseits, so Daniel Dekan, wolle man regionalen Anbietern eine Plattform bieten, sowohl Start-ups als auch etablierten Unternehmen. Das Ehepaar aus Weinböhla möchte aus der World Exploria ein jährliches Branchentreffen für die Region machen – der Termin für 2024 steht bereits fest. Auf dem Hofgutgelände habe man noch reichlich Wachstumsmöglichkeiten.
Autarkes Reisen ist im Trend
Auf dem umfunktionierten Acker des Hofguts Kaltenbach tummeln sich allerlei Vanumbauten und geländegängige Reisevehikel. Klarer Blickfang auf der Messe sind jedoch ein himmelblauer Trabant, ein glänzender VW Käfer und ein Porsche-Youngtimer, auf denen große Dachzelte thronen. Diese stammen vom Hersteller Autocamp, einem Unternehmen mit 60 Jahren Tradition, das im vergangenen Jahr von Straycamp, einem Unternehmen aus dem Müglitztal bei Pirna, in Lizenz übernommen wurde. Die Firma bezieht ihre Rohstoffe regional und ist hier vor Ort, um das Dachzelt als Alternative zum Vanausbau zu präsentieren. Man ziele zwar auf Influencer ab, allerdings nicht auf die anwesenden Vanlifer.
Der Hersteller Overland aus Geyer ist mit einem gewaltigen, umgebauten VW Crafter angereist, komplett mit Zelt und Hängematte auf dem Dach. Christian Glöckls Augen leuchten auf, als ich ihn auf letztere anspreche: „Geil, oder?“ Er und seine Frau Nancy sind, wie viele andere Aussteller auch, selbst Campingfans. Die Produkte entsprechen den eigenen Bedürfnissen. Camping und autarkes Reisen seien im Trend: „Alle wollen allein sein“, so Glöckl. Das Auftragsbuch des Unternehmens sei gut gefüllt. Messe-Organisator Daniel Dekan berichtet von ähnlichen Verhältnissen bei anderen Ausstellern. In der autarken Reisebranche scheint es gut zu laufen. Für Overland ist es erst die zweite Messe. Das Outdoor-Konzept und die relative Nähe der Veranstaltung zum eigenen Sitz waren für das Unternehmen wichtige Gesichtspunkte.
Die Vorzüge der Trockentrenntoilette
Die Besucher sind divers: Von jungen Familien bis zu alternden Abenteurern ist allen gemein, dass sie ein wenig rustikaler daherkommen als der durchschnittliche Messebesucher. Philipp und Lisa aus Zwickau, die gerade frisch auf dem Gelände angekommen sind, starten gerade erst ins Vanlife, mit einem eigenen Renault Trafic. Wildnis und Natur reizen sie an dem Reisekonzept. Sonja und Ronny aus Dresden haben bereits Australien in einem ausgebauten Van bereist. Jetzt überlegen sie, sich wieder ein Reisefahrzeug anzuschaffen, und suchen auf der Messe nach Inspirationen. Die Vorträge und Workshops hätten ihnen besonders gut gefallen, sagen die beiden.
Besagte Vorträge finden in einem Zelt am Ostende des Messegeländes statt. Marcel und Vero, die das Reiseblogger- und Influencer-Duo @teil.zeitcamper bilden, halten gerade einen Vortrag über den Ausbau ihres VW Crafters. Vom Farbkonzept der Küche bis zu den Vorzügen ihrer Trockentrenntoilette gehen die beiden auf sämtliche Aspekte des Vanausbaus ein. Auch vor den Schattenseiten machen die beiden nicht Halt: Mit anderthalb Jahren dauerte das Projekt deutlich länger als ursprünglich veranschlagt, und führte bei dem Paar zu mehreren Beziehungskrisen.
„Am nachhaltigsten wäre es, nicht zu reisen“
Ein letzter Aspekt, den ich mit Ilka und Daniel Dekan bespreche, ist die Nachhaltigkeit. Das Reisen habe ihnen die Auswirkungen des Klimawandels vor Augen geführt, auf ihrer Südamerika-Reise hätten sie ausgedörrte Flussbetten gesehen. Deshalb seien die beiden mit dem Anspruch der Klimaneutralität an die Planung der Messe herangegangen. Mithilfe einer Nachhaltigkeitskomplizin habe man sämtliche Aspekte des Events durchleuchtet. Materialien sind entweder ausgeliehen oder nachhaltig produziert. Und um die unweigerliche Abgasproduktion der anreisenden Aussteller und Besucher sowie der Gastronomie-Stände zu kompensieren, haben die beiden über die Dresdner Stiftung Wilderness International 1.400 Quadratmeter Regenwald peruanischen Regenwald reserviert, um ihn vor der Abholzung zu bewahren.
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Ein gewisser Grundwiderspruch besteht natürlich trotzdem. Mit einem Dreieinhalb-Tonner mehrere hundert Kilometer abzuspulen, hinterlässt nun einmal einen CO²-Abdruck, egal wie autark und sparsam man während der Reise lebt. „Am nachhaltigsten wäre es natürlich, gar nicht zu reisen“, meint Ilka Dekan lakonisch. Doch Nachhaltigkeit bedeutet ja nicht, sich von der Welt abzukapseln. Die Sensibilisierung für die Bedürfnisse der Umwelt, der interkulturelle Austausch, auch das sei Nachhaltigkeit, meint Ilka Dekan. Nichtreisen ist schließlich auch keine Lösung.