Leipzig. Bei der Nutzung von grünem Wasserstoff übernimmt das BMW-Werk Leipzig jetzt eine Vorreiterrolle. Der Autoproduzent hat den Netzbetreiber Mitnetz Gas damit beauftragt, eine zwei Kilometer lange Leitung vom Werk zum künftigen Wasserstoff-Kernnetz zu bauen. Ein entsprechender Vertrag mit Mitnetz Gas und dem Betreiber des H2-Kernnetzes Ontras – Tochter des Leipziger Erdgashändlers VNG – ist jetzt unterzeichnet worden.
Mitte 2027 soll BMW über die neue Leitung Wasserstoff beziehen. Im Werk des Autoherstellers wird bereits heute Wasserstoff – angeliefert in Druckflaschen – eingesetzt.
Gabelstapler fahren mit Brennstoffzellenantrieb
So fahren die rund 230 Gabelstapler und Zugmaschinen auf dem Gelände im Norden Leipzigs mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb. Nach BMW-Angaben ist es der größte derartige Fahrzeugpark in Europa. Ferner verwendet das Unternehmen Wasserstoff in der Lackiererei zur Trocknung der Karosserien.
„Durch die Versorgung mit einer Pipeline können wir Wasserstoff künftig in völlig neuen Dimensionen einsetzen“, so Werkschefin Petra Peterhänsel. „Das gilt vor allem für unsere energieintensiven Prozesse wie die Trockner in der Lackiererei.“
Er sei hocherfreut, dass man mit BMW einen weiteren starken Kunden für das Ontras H2-Startnetz gewinnen konnte, sagt Ralph Bahke, Geschäftsführer Steuerung und Entwicklung bei dem Ferngasleitungsbauer. „Im Schulterschluss zeigen BMW, Ontras und Mitnetz Gas, wie die Dekarbonisierung einer entscheidenden deutschen Industrie mit dem Wasserstoff-Hochlauf gelingen kann.“
VNG-Tochter baut mit am bundesweitem Kernnetz
Ontras baut mit am insgesamt rund 9000 Kilometer langem H2-Kernnetz, das noch unter der Ampel-Regierung auf den Weg gebracht wurde. Wobei die VNG-Tochter im ersten Schritt für rund 600 Kilometer in Mittel- und Ostdeutschland zuständig ist, neue Leitungen baut, beziehungsweise alte umrüstet. Das Kernnetz soll die Industriestandorte Berlin, Leipzig, Magdeburg, Salzgitter und Mittelsachsen mit Erzeugern, Gasspeichern und Importpunkten verbinden.
Durch die Versorgung mit einer Pipeline können wir Wasserstoff künftig in völlig neuen Dimensionen einsetzen. – Petra Peterhänsel, BMW-Werkschefin
Für BMW wird im Norden Leipzigs eine bestehende Leitung auf den Transport von Wasserstoff umgestellt und eine neue Leitungstrasse für Erdgas errichtet. Das geschieht auf einer Länge von rund acht Kilometern zwischen Wiederitzsch und Seehausen, sodass Wasserstoff und Erdgas über getrennte Systeme transportiert werden können. Die Versorgung von Kunden mit Erdgas sei damit gesichert, so der Ontras-Chef.
„Schleppende Marktentwicklung“
Zuvor hatte es eine Reihe von Rückschlägen bei Wasserstoff-Projekten gegeben. So musste das Vorzeigevorhaben Green Bridge beerdigt werden, weil sich Ostdeutschlands größter Energieversorger EnviaM zurückgezogen hatte.
EnviaM hatte bei dem Projekt die Rolle eines Koordinators inne. Unter anderem wollte der Versorger Unternehmen wie Porsche, DHL, Leag, Total Energies, Verbio, Nobian, den Flughafen Leipzig/Halle und auch BMW mit grünem Wasserstoff versorgen. Wobei man das bestehende Erdgasnetz umwidmen beziehungsweise neue Leitungen bauen wollte.
Hintergrund des Scheiterns ist, dass der Energiekonzern Eon, der mehrheitlich an EnviaM beteiligt ist, seine Konsequenzen „aus der schleppenden Marktentwicklung im Wasserstoffbereich“ gezogen hatte, wie das Essener Unternehmen mitteilt.
HH2E muss Insolvenz anmelden
Der zögerliche Hochlauf wurde auch dem einstigen Hamburger Start-up HH2E zum Verhängnis. In Thierbach bei Borna wollte das Unternehmen eine Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff errichten, musste letztlich aber Insolvenz anmelden.
BMW habe sich dadurch nicht beirren lassen, so ein Unternehmenssprecher. Man investiere jetzt einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag, um künftig Wasserstoff per Pipeline beziehen zu können.

Quelle: Jan Woitas/dpa
Nach all den Rückschlägen sei der fixierte Pipeline-Bau zum BMW-Werk ein wichtiges Signal für die Region, meint Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland. Langfristig, so glaubt er, werden sich weitere Kunden an das Kernnetz anschließen.
Kritik an strengen Vorgaben durch Brüssel
Diese Signale von Kunden bedarf es, heißt es bei Ontras. Notwendig sei ferner ein „eindeutiges politisches Bekenntnis mit verbesserten Finanzierungsbedingungen“, so der Gasleitungsbauer. In der Branche werden ferner die strengen Vorgaben in der EU kritisiert, die die Erzeugerseite unnötig belasten. So verlangt Brüssel, dass der Strom für die Elektrolyse aus extra zu diesem Zweck errichteten Wind- oder Solarparks stammen muss, damit der produzierte Wasserstoff als grün anerkannt wird.
Laut Tobaben gibt es neben der BMW-Pipeline ein weiteres Aushängeschild in der Region: die Versorgung der Raffinerie des französischen Energiekonzerns Total Energies in Leuna mit grünem Wasserstoff durch RWE. Ontras ist für den Anschluss zuständig. Die ersten 25 Kilometer Pipeline von Bad Lauchstädt nach Leuna wurden bereits in Betrieb genommen. Das Projekt trage wesentlich zum Wasserstoff-Hochlauf bei, heißt es. Einziger Wermutstropfen: Produziert wird der grüne Wasserstoff nicht in Mitteldeutschland, sondern in Lingen in Niedersachsen.


