Das Onlinemagazin „Krautreporter“ hat den gestrigen Donnerstag den “Equal Pay Day für Ostdeutschland” ausgerufen. Es bezieht sich damit auf den jährlich begangenen Tag, der auf die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern aufmerksam machen soll. Laut einer im Februar veröffentlichten Gehaltsstudie wiederum verdienen Ostdeutsche im Schnitt knapp 24 Prozent – fast 10.000 Euro – weniger als Westdeutsche. Dem Magazin zufolge hätten die Menschen im Osten daher, auf das Jahr hochgerechnet, im Vergleich zu denen im Westen bis heute sozusagen nichts verdient.
Aber ist der 28. März damit ein „Tag der Ungerechtigkeit“, wie es in dem Artikel dort heißt? Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter der Dresdner Niederlassung des Wirtschaftsinstitutes ifo, sieht das nicht so. „Immer mit Durchschnitten zu argumentieren, geht an der Lebensrealität vorbei“, so der Wirtschaftswissenschaftler. Die Unternehmen in Ostdeutschland seien wirtschaftlich schwächer und könnten daher nicht so hohe Löhne zahlen. „Das kann man nicht gleichsetzen mit Ungerechtigkeiten, das sind Strukturunterschiede“, sagt Ragnitz.
Aus dem Grund könne man nicht sagen, die Betriebe sollten einfach die Löhne anheben, da sie im Zweifel sonst schließen würden. Außerdem würden durch das deutsche Steuersystem – mehr Lohn, mehr Steuern – niedrigere Löhne nicht im gleichen Maß zu niedrigeren Einkommen führen. Hinzu kommen Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten, etwa günstigere Mieten im Osten. Insgesamt betrage das Realeinkommen –die Menge an Waren und Dienstleistungen, die man kaufen kann – deshalb circa 90 Prozent des Westniveaus.
Von Okan Bellikli
Foto: © Anja Cordvia/Imago