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Von Dresden nach Brüssel

Oliver Schenk wechselte im Sommer von der sächsischen Staatskanzlei ins Europa- Parlament. Er hat sich viel vorgenommen. Ein Thema liegt ihm besonders am Herzen.

Lesedauer: 3 Minuten

Ein Mann lächelt in die Kamera.
Von Dresden nach Brüssel: Oliver Schenk ist einer der Neuen im EU-Parlament – und hat viel vor. Foto: Thomas Türpe

Von Nora Miethke

Dresden. Der ehemalige Chef der sächsischen Staatskanzlei zieht in eine WG – in Brüssel. Oliver Schenk wurde im Juni für die sächsische CDU ins Europäische Parlament gewählt und pendelt seitdem zwischen Brüssel, Dresden und Straßburg.
Bei einer Tasse Kaffee berichtet der CDU-Politiker über die ersten 100 Tage in der neuen Position. Und diese waren vor allem geprägt von Kennenlernen und Netzwerken. 185 Mitglieder hat die EVP-Fraktion der europäischen Christdemokraten, die größte Fraktion im Parlament. Allein in der deutschen Gruppe ist jeder zweite der 29 Abgeordneten neu – wie Oliver Schenk.
Als Neuer muss man sich auch bei der Wahl der Ausschussmitglieder hinten an stellen. „Aber ich bin zufrieden, meine Themenwünsche wurden gut berücksichtigt“, so Schenk. Er ist Vollmitglied im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Der als ENVI bekannte Ausschuss bearbeitet drei umfangreiche Themenbereiche, die Auswirkungen auf die Klimapolitik der EU und das tägliche Leben der Menschen in Europa hat. Er ist einer der beiden größten Ausschüsse im Parlament, von seiner Arbeit hängt in vielen Punkt die Regulierung der Industrie ab. In den Ausschüssen für Industrie, Energie- und Forschung sowie Innenausschuss ist der 56-Jährige jeweils stellvertretendes Mitglied. „Hier sind meiner Berliner Jahre von Vorteil, denn ich kenne die Leute und die thematischen Fragestellungen“, sagt Schenk, der vier Jahre Leiter der CDU-Bundesgeschäftsstelle in Berlin war sowie von 2014 bis 2017 die Grundsatzabteilung im Bundesgesundheitsministerium führte.

Von Bedeutung seien aber auch die internationalen Delegationen, betont Schenk. Ihm war wichtig, dass er Mitglied der China-Delegation ist wegen der Taiwan-Frage. Als Staatskanzlei-Chef hat er maßgeblich an den Ansiedlungsverhandlungen mit dem weltgrößten Auftragschipfertiger TSMC aus Taiwan mitgewirkt. Aber auch in der Ukraine-Delegation und in der Afrika-Delegation will er seine bisherige Arbeit fortsetzen, etwa im Ausbau der Beziehungen zu Uganda. „Ich wäre gern unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl in den USA nach Kiew gefahren, um ein Zeichen zu zeigen, wie Europa auf Trump reagiert“, sagt der CDU-Politiker.
Sachsen wird in Brüssel vor allem mit den Themen Mikroelektronik, Automobilindustrie und Nachbarschaft zu Polen und Tschechien assoziiert. Er sei aber auch schon auf Chemnitz als Kulturhauptstadt 2025 angesprochen worden, erzählt Schenk. Und auf diesen Feldern will er seine Expertise einbringen.

Infrastrukturausbau nicht aus dem Blick verlieren
Herzensanliegen ist ihm die Weiterentwicklung des EU-Chips-Act. Das europäische Chipgesetz zielt in seiner derzeitigen Form darauf ab, den Bau großer Chipfabriken zu subventionieren, um die Abhängigkeit Europas von Zulieferern aus Asien zu verringern. Schon in seinem früheren Amt in Dresden hat sich Schenk dafür eingesetzt, dass nicht nur die Investitionen der Unternehmen gefördert werden, sondern auch die immensen Investitionen in den Infrastrukturausbau etwa für die Wasser- und Energieversorgung der Chipfabriken. Das müssen bislang die Bundesländer allein schultern.
„Der EU-Chips-Act ist gescheitert, weil Geld allein nicht reicht“, stellt Schenk fest. Von den vier deutschen Chipfabrik-Projekten würden nur noch die zwei in Dresden umgesetzt, in Frankreich, Italien und Spanien gäbe es gar keine Projekte. Es brauche mehr Regionen, die das enge Zusammenspiel von Forschung, Ausbildung, Zulieferern und einer leistungsfähigen öffentlichen Infrastruktur beherrschen wie der Standort Sachsen. Silicon Saxony ist inzwischen Europas stärkstes Cluster für Mikroelektronik. Deshalb will Schenk in Brüssel dafür kämpfen, die europäische Regionalförderung künftig enger mit der Clusterförderung zu verzahnen. Sachsen sollte die Achse Dresden-Breslau-Prag ausbauen, um das gesamte Dreiländereck Tschechien-Polen-Sachsen zu einer europäischen Mikroelektronik-Region weiter zu entwickeln, regt er an. Ein erster Schritt wäre es, nicht nur die Studenten der TU Dresden nach Taiwan zur Ausbildung zu schicken, sondern das Programm auch auf die Universität Prag auszudehnen. Einbringen will er sich auch in die Debatte, die Definition zu ändern, bis zu welcher Beschäftigtenzahl eine Firma als kleines und mittelständisches Unternehmen (KMU) gilt. Bislang liegt die Schwelle n den europäischen Förderprogrammen und Initiativen für KMU bei 250 Beschäftigten. Schenk würde sie gern in Richtung 500 oder 750 Beschäftigte anheben. „Wir brauchen große Unternehmen, wenn wir die Produktivitätslücke in Sachsen zum Westen schließen wollen“, betont er. Doch der Europaabgeordnete weiß, dass dieses Thema umstritten ist. Die Wirtschaftskammern befürchten, dass dann nicht mehr genügend Fördergeld für die kleineren Unternehmen zur Verfügung stehen könnte.
Machtkampf um EU-Haushalt

Die Gefahr der Filterblasen
Überhaupt ist die künftige Förderpolitik derzeit einer der wichtigsten Diskussionsstoffe in Brüssel und Dresden. Die EU-Kommission verfolgt Pläne, den EU-Haushalt radikal umzubauen. Alle Förderprogramme, einschließlich der bisherigen Agrar- und Strukturförderung sollen aufgelöst werden. Stattdessen würde das Geld künftig als Zuschüsse an die nationalen Haushalte fließen, die im Gegenzug Reformen zusagen und umsetzen. Sollte dieser Umbau wirklich kommen, würde das in Deutschland zu Lasten der Bundesländer gehen, so Schenk. Es sei fraglich, wie viele EU-Mittel dann noch in den Regionen ankommen würden. Sachsen erhält in der laufenden Förderperiode bis 2027 rund drei Milliarden Euro an EU-Mitteln.
Das dürfte ein Thema sein, wo sich der CDU-Politiker auch mit seinen sächsischen Kolleginnen im Europa-Parlament austauschen dürfte. Die Abstimmung mit der grünen Abgeordneten Anna Cavazzini sei „angenehm“. Man tausche sich zwischen den Parteien unverkrampfter über Themen aus als in Dresden oder Berlin, hat Schenk die Erfahrung gemacht.
Doch eines hat er auch festgestellt: „Wir sind ganz schnell wieder in unseren Filterblasen unterwegs, jetzt ist es die europäische Blase“. Schenk will den thematischen Kontakt nach Berlin und Dresden nicht abreißen lassen. Deshalb unterhält er noch eine weitere WG. Er hat er sich mit einem Büro in der CDU-Landesstelle eingemietet.

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