Suche
Suche

Vorreiter der Biotech-Branche

Der Leipziger Wissenschaftler Frank Emmrich baute das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie auf. Er war einer der Motoren der Gründung der Bio City.

Lesedauer: 3 Minuten

Ein Mann schaut auf die Auszeichnung in seiner Hand.
Frank Emmrich mit der „Leipziger Lerche“, die ihm Anfang des Jahres verliehen wurde. Foto: Andre Kempner

Von Ulrich Milde

Leipzig. An Forschung mangelt es in Sachsen nicht. Allein 90 mit öffentlichen Mitteln finanzierte Einrichtungen belegen das. Durch die kommenden Großforschungszentren für Astrophysik in der Lausitz und für die Transformation der chemischen Industrie in Delitzsch wird diese Position ausgebaut. „Da stehen wir gut da“, sagt Frank Emmrich. Damit das so bleibt, fordert der Professor, die Kooperationen der zahlreichen Institute mit den Universitäten zu verbessern. „Nur so wird es gelingen, auch künftig Gelder für Großprojekte zu akquirieren.“ Dazu müsse an einem Strang gezogen werden. Forschungsergebnisse aus Sachsen erhöhten zudem das weltweite Renommee.
Emmrich muss es wissen. Der heute 75-Jährige gründete 2005 in Leipzig das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), das Lösungen an den Schnittstellen von Medizin, Biowissenschaften und Ingenieurwesen erforscht und entwickelt.
Er formte es zu einer international anerkannten Einrichtung. Aus 16 Beschäftigten zum Start wurden inzwischen mehr als 600. Unter anderem entwickelten die Forscher unter der Leitung von Emmrich etwa innovative Verfahren zur Diagnostik von Infektionskrankheiten und Therapien zur Bekämpfung von Krebs, indem Zellen genetisch so modifiziert werden, dass sie Krebszellen eliminieren. „Wir haben das für die praktische Anwendung gängig gemacht.“

Viele kluge Köpfe angelockt
Forschungseinrichtungen sind nach Ansicht des Professors wichtig für eine positive wirtschaftliche Entwicklung der Region. „Sie bieten hochqualifizierte Arbeitsplätze und stellen ein Reservoir an Fachleuten für hiesige Biotech-Firmen dar“, betont er. Zudem seien sie ein unverzichtbarer Aspekt, um auch ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Leipzig sei wegen seiner Weltoffenheit dafür prädestiniert. Emmrichs Strahlkraft habe „viele kluge Köpfe in die Messestadt gezogen“, würdigte seine Institutsnachfolgerin Ulrike Köhl. Fraunhofer-Institute sind unternehmernah ausgerichtet. „Es gibt Wissenschaftler, die interessieren sich nur für die reine Forschung, und solche, die auch an der wirtschaftlichen Umsetzung ihrer Forschung interessiert sind“, betont Emmrich. Er steht für Letzteres.
Zudem war er einer der Treiber zur Gründung der Bio City. Dieses Leipziger Technologie- und Gründerzentrum verfolgt das Konzept, Wirtschaft und Wissenschaft unter einem Dach zu vereinen. Zu den bekannten dort entsprungenen Unternehmen gehören die Vita 34 AG – die Firma lagert Stammzellen aus der Nabelschnur ein – , das Blut- und Plasmaspendezentrum Haema und die Biotechnologiefirma c´Lecta, die sich mit der Nutzung von Enzymen beschäftigt. Emmrich sei „im besten Sinne besessen“ gewesen vom Vorhaben, die Erkenntnisse seines Instituts in Ausgründungen in der Bio City umzusetzen, erinnert sich Christian Albert Jacke, erster Leipziger Wirtschaftsbeigeordneter nach der Wende.

Mit der Lerche ausgezeichnet
Für seine Verdienste wurde der Wissenschaftler jüngst vom Unternehmerverein „Gemeinsam für Leipzig“ mit der Leipziger Lerche ausgezeichnet. Er habe der Biomedizin und Gesundheitswirtschaft in der Stadt „wesentlich zum heutigen Glanz“ mitverholfen, lobte Oberbürgermeister Burkhard Jung. Der Geehrte, hieß es, sei ein „nimmermüder Motor“ für den Aufbau einer neuen Industrie in Leipzig. Die Branche kam 2023 mit ihren 53 000 Beschäftigten auf einen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro.
Emmrich hat dabei eine Lebensgeschichte, die ohne die Wiedervereinigung so nicht verlaufen wäre. Er wurde in Niemegk geboren, ein Ort in der Nähe von Bitterfeld, der später der Braunkohle zum Opfer fiel. Er wuchs in Magdeburg und Leipzig auf, studierte Medizin, promovierte und war zunächst Assistenzarzt in der Medizinischen Klinik der Universität Leipzig, bevor er am Staatlichen Institut für Immunpräparate und Nährmedien Berlin als Abteilungsleiter arbeitete.
Doch das Leben in der DDR „hat mir nicht gefallen“. Seine Familie habe sich eingeengt gefühlt. Seine Frau Margit und er wollten nicht, „dass unsere Kinder unter diesen Verhältnissen aufwachsen“. Emmerich und seine Frau versuchten 1979, über Ungarn nach Jugoslawien zu flüchten. Das missglückte. Es folgten wegen versuchter Republikflucht eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten für ihn und zwei Jahre für seine Frau. Nach 13 Monaten im Gefängnis wurden sie von der Bundesrepublik freigekauft und per Bus ins Notaufnahmelager Gießen gebracht.
Im Westen machte Emmrich rasch Karriere. Er wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter am Krebsforschungszentrum Heidelberg („das war eines von vier Angeboten, die ich hatte“), wechselte nach Freiburg und wurde in der Breisgaustadt Laborleiter am Max-Planck-Institut für Immunologie. Es folgten die Habilitation in der Immunologie, eine Professur an der Universität Erlangen und nahezu parallel dort die Übernahme der Leitung der klinischen Arbeitsgruppe Immunologie/Rheumatologie der Max-Planck-Gesellschaft.

Nur geografisch zurückgegangen
1994 ging er Schritte zurück – aber nur geografisch. Emmerich nahm einen Ruf der Universität Leipzig an. Hier wurde er Direktor des Instituts für Klinische Immunologie und Transfusionsmedizin. „Das war schon eine besondere Entscheidung“, erinnert er sich. Aber ein Teil der Familie habe weiter in Sachsen gelebt. „Das war eine starke Motivation.“ Er schaute sich auch seine „reichlichen“ Stasi-Akten an. Aus dem weiteren Umfeld war er bespitzelt worden, „nicht aber aus meinem engeren Kreis“.
Emmrich war in der Zeit von 2008 bis 2016 zudem Mitglied des unabhängigen Deutschen Ethikrates. Das Gremium befasst sich nach eigener Darstellung „mit den großen Fragen des Lebens“, also mit ethischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und rechtlichen Fragen und Folgen in Zusammenhang mit der Forschung in den Lebenswissenschaften. Dazu zählen Themen wie die anonyme Kindesabgabe, Präimplantationsdiagnostik, Gendiagnostik und Big Data.
Zur Corona-Pandemie hat Emmrich eine klare Expertenmeinung. „Es wurde mehr richtig als falsch gemacht.“ Die Gefahr von Impfschäden sein „deutlich geringer“ als die von negativen Folgen ohne Impfung. Deshalb sage er allen Eltern: „Nehmt es mit den Impfungen ernst.“

Das könnte Sie auch interessieren: