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Warum die Oberlausitz ein Mekka der Pferdezucht ist

Dass das Landesgestüt Moritzburg in Dittersbach eine Deckstation hat und der Pferdezuchtverein Oberlausitz mehr als 180 Züchter hat, kommt nicht von ungefähr.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht eine Frau mit Pferd.
Christiane Paul mit Fohlen Lisanne la belle und der Mutter La Fürstina auf ihrem Hof in Heuscheune bei Großhennersdorf. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Von Anja Beutler

Bekannt und berühmt ist die Oberlausitz für vielerlei Dinge: Mundart, kulinarische Spezialitäten wie Bautzner Senf, das Zittauer Gebirge, die Schmalspurbahn. Dass hier auch ein Mekka der Pferdezucht ist, haben vermutlich nur wenige vor Augen. Auch der Dresdnerin Christiane Paul war das nicht klar, als sie Ende der 90er Jahre dank einer privaten Bindung in den kleinen Großhennersdorfer Ortsteil Heuscheune gezogen ist. „Einen eigenen Pferdehof haben, war mein Traum“, sagt sie. Von Zucht war da noch keine Rede. Inzwischen verdient sie einen Teil ihres Lebensunterhaltes damit.

Ihr neuster „Schatz“ heißt Lisanna la Belle und ist gerade einmal drei Monate alt. Das weibliche Fohlen hält sich noch eng an ihrer dunkle, große Mutter, die auf den Namen La Fürstina hört. An diesem Sonnabend wird das Fohlen bei einer Fohlenschau dabei sein. Ein wichtiger Termin, denn die Tiere werden dabei das erste Mal von Experten eingeschätzt, erhalten ihren Zuchtpass und werden samt Abstammungslinie und Haarprobe offiziell verzeichnet. Und sie erhalten auch den Chip am Hals, der die etwas martialischen Brandzeichen aus alter Zeit längst abgelöst hat.

Familien züchten über Generationen

„Wir gehen da ganz unvoreingenommen rein“, sagt Christiane Paul, die genau weiß, dass es durchaus sein kann, dass ihr Fohlen – so wie kleine Kinder – in solchen Situationen kaum berechenbar ist. Mit Großmutter und Mutter den inzwischen neunjährigen Stute La Fürstina hat die 51-Jährige einst mit der Zucht angefangen. Seither hat sie mehrfach sogenannte „Championatsfohlen“, die Auszeichnungen erhielten, vorgestellt, auch mal einen Hengst ans renommierte Landesgestüt Moritzburg verkauft. Aber die einzige ist sie da beileibe nicht in der Oberlausitz.

Im Gegenteil: „Hier in der Region gibt es sehr lange Familientraditionen in der Pferdezucht“, erklärt Silke Kretschmer, Vorstandsvorsitzende des Pferdezuchtvereins Oberlausitz. Seit Generationen werden hier Zuchtlinien entwickelt – und das in allen erdenklichen Varianten und Rassen: neben dem Deutschen Sportpferd sind auch Ponys, Schwere Warmblüter, Haflinger oder seit Kurzem die stattlichen Percherons zu Hause. Letztere sieht man auch in Löbau mitten in der Stadt häufiger, weil sie als „Mitarbeiter“ der Bergquell Brauerei nach wie vor das Bier per Fass ausliefern.

Diese Vielfalt ist es auch, die Uwe Herrmann, den Leiter der in Dittersbach eingerichteten Deckstation des Landesgestüts Moritzburg, immer wieder fasziniert. „Das ist hier ein Hochzuchtgebiet, das sehr breit aufgestellt ist“, bilanziert er. Dass Moritzburg hier Hengste stationiert hat, kommt daher nicht von ungefähr – und geht weit in die Geschichte zurück: „Seit knapp 30 Jahren ist die Deckstation jetzt in Dittersbach und war zuvor 80 bis 90 Jahre in Großhennersdorf“, sagt er. Herrmann vermutet aus Gesprächen mit alten Züchtern, dass die starke Züchtertradition zu einem Gutteil auch auf das Remontegut in und um Großhennersdorf zurückgeht, wo einst die Pferde fürs Militär standen. „Vieles ist aber auch der Oderwitzerin Gertraude Schierz zu verdanken, die nach der Wende als ehemalige LPG-Vorsitzende viel für das Aufleben der Pferdezucht getan hat“, sagt er. Und dass es in der Region viel Grünland und damit Futter für die Tiere gibt, ist auch ein wichtiges Puzzleteil.

Rund 80 Fohlen zu Präsentation gemeldet

Wie dicht das Züchternetz in den Landkreisen Görlitz und Bautzen ist, spiegelt sich nicht nur in den 180 Mitgliedern des Zuchtvereins, sondern auch in den rund 80 Fohlen wider, die für diesen Sonnabend zur Fohlenschau gemeldet sind. Selbst Silke Kretschmer, selbst aus einer Pferdezuchtfamilie stammend und auf dem Eigen zu Hause, ist beeindruckt von dem großen Interesse. Sie hat natürlich Hoffnungen auf weitere Erfolge: In sechs Kategorien hat der Oberlausitzer Verein in manchen Jahren bereits Siegerpferde gestellt und sie ist optimistisch, dass dies auch weitergehen wird: „Wir haben etwa 15 Jungzüchter, an die wir die Kenntnisse weitergeben, die lernen, wie man bei der Fohlenschau die Tiere präsentiert“, erklärt sie.

Christiane Paul selbst hofft auch, dass ihre noch recht frische, aber doch erfolgreiche Zuchtlinie einmal von der Tochter weitergeführt wird. „Sie hat großes Interesse bislang“, sagt sie. In gewisser Weise hängt der Start ihrer eigenen Pferdezucht sogar mit ihrer Tochter zusammen. „Ich habe immer schon gesagt, wenn ich mal dick werde, werden auch meine Stuten dick“, sagt sie, formt mit der Hand einen Babybauch und lacht. Tatsächlich ist es genau so gekommen und sie hat sich in der Babypause tiefer in die Materie gegraben, intensiver mit Zucht beschäftigt und festgelegt, in welche Richtung ihre Pferde schlagen sollen.

Denn für eine gute Zucht braucht es zwar auch Bauchgefühl, vor allem aber Erfahrung und Wissen. Und das klingt wie aus dem Biologieunterricht. Auch Christiane Paul hat sich in Stammbäume so groß wie Landkarten, in Fotos, Familiengeschichten von Stuten und Hengsten vergraben: Was wird vererbt? Was setzt sich durch? „Die Stuten legen dabei die Basis“, erklärt Christiane Paul mit liebevollem Blick auf ihre Pferde. Ihre Pferde seien keine reinen Sportpferde, aber dennoch leistungsbereit, unproblematisch zu handhaben, mit einem guten Charakter – und „mit dem gewissen Extra“, sagt die Züchterin mit leuchtenden Augen. Vielleicht zeigt Lisanna la Belle dieses gewisse Etwas ja schon einmal am Sonnabend bei der Fohlenschau.

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