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Warum die Sorge um sächsische Rohstoffe wächst

Sachsens Oberberghauptmann Bernhard Cramer befürchtet einen Rückgang des Sand- und Kiesabbaus. Die Rohstoffstrategie für Sachsen zeigt aber auch neue Chancen.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht ein Bergwerk
In Sachsen fördern 180 Bergwerke Rohstoffe für die Baubranche. Doch Erweiterungen sind schwierig, sagt Oberberghauptmann Cramer. © SZ-Archiv/Thomas Lehmann

Von Georg Moeritz

Freiberg. Das Bergbauland Sachsen ist reich an Rohstoffen – zwar nicht an Seltenen Erden, aber an Bodenschätzen für die Baubranche. 180 Bergwerke in Sachsen fördern Steine, Sand oder Baustoffe wie Ziegelton, sagte Bernhard Cramer, Leiter des Sächsischen Oberbergamts, auf der 1. Sächsischen Rohstoffkonferenz in Freiberg. Bei anderen Bodenschätzen als Kohle und Baustoffen sei Sachsen allerdings „relativ blank“. Und auch um die Zukunft der Förderung von Sand und Kies macht sich Cramer Sorgen.

Die Statistik des Oberbergamts zeigt, dass die Zahl der sächsischen Bergbaubetriebe drastisch abnimmt. Die Produktion von Sand und Kies sei in den vergangenen Jahren „eingebrochen“, sagte Cramer und sprach von 40 Prozent Rückgang innerhalb eines Jahrzehnts. Neuaufschlüsse von Tagebauen seien mit kaum noch überwindbaren genehmigungsrechtlichen Hürden belegt, die Verfahren dauerten lange.

Dieser Rückgang passe nicht zur Entwicklung des Baugewerbes: „Da laufen wir in ein Problem hinein“, sagte Cramer. Keiner wolle lesen, dass Sachsen den nötigen Sand und Kies für Beton besitze. Dabei gebe es 83 Quadratkilometer offene Tagebauflächen für diese Materialien, fast ein halbes Prozent der Fläche des Freistaates Sachsen.

Oberberghauptmann: Verständnis für Bergbau schwindet

In der Neuen Sächsischen Rohstoffstrategie vom Dezember 2022 steht zwar, dass es in Sachsen eine „hohe Rohstoffakzeptanz in der Bevölkerung“ gebe. Das liege am historischen Bewusstsein und der Bergbau- und Nachhaltigkeitstradition. Doch Oberberghauptmann Cramer stellt nun ein „schwindendes Verständnis“ für den Bergbau fest.

Man sieht Oberberghauptmann Bernhard Cramer, der das Sächsische Oberbergamt in Freiberg leitet
Oberberghauptmann Bernhard Cramer leitet das Sächsische Oberbergamt in Freiberg. Er sieht Sachsen gut ausgestattet mit Bau-Rohstoffen – aber die Akzeptanz für Tagebaue lasse nach.
© SZ/Georg Moeritz

Dass die heimischen Rohstoffe zum Wohlstand beitrügen, drohe in Vergessenheit zu geraten. Die „quasi militante Besetzung“ des Heidebogens („Heibo bleibt“) gegen den Kiesabbau nördlich von Ottendorf-Okrilla zeige eine starke Politisierung. Und der Quarzporphyr in Großsteinberg bei Grimma werde künftig unter Tage abgebaut, weil die Erweiterung des Tagebaus dort durch Schutzgebiete blockiert sei.

78 Betriebe in Sachsen fördern Sand und Kies, im Jahr 2022 lieferten sie fast neun Millionen Tonnen davon. Mehr als doppelt so viel wogen die abgebauten Festgesteine aus den 66 sächsischen Steinbrüchen. Auf Platz 3 in Cramers Statistik zum Steine- und Erdenbergbau: Kaolin-Abbau, in elf Betrieben mit zusammen 1,3 Millionen Tonnen. Außerdem sind je zehn Betriebe für Lehm und Ziegelton sowie für Spezialton in Betrieb, fünf für Kalk und Dolomit. Doch viele Altbetriebe liefen demnächst aus, sagte der Behördenleiter. Vor allem um Berlin, Dresden und Leipzig sehe er Schwierigkeiten, weniger in Thüringen und Sachsen-Anhalt. „Vergesst die Rohstoffe nicht!“, mahnte der Oberberghauptmann auf der Tagung.

Minister Günther: Keine 100 Prozent Kreislaufwirtschaft

Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) sprach sich auf der Rohstoffkonferenz zwar für einen „Umbau der Wirtschaft“ aus: Mehr Kreislaufwirtschaft sei nötig, mehr Wiederverwenden. Doch es sei nicht realistisch, „dass wir in 100 Prozent Kreislauf kommen“. Rohstoffe würden weiterhin benötigt, zum Beispiel für Neubauten. Günther erinnerte daran, dass für wertvolle Rohstoffe wie Holz eine „Kaskadennutzung“ nötig sei: Das Material könne mehrmals genutzt werden, müsse nach dem Abriss eines Holzhauses beispielsweise nicht gleich verfeuert werden.

Der Umweltminister betonte den Nutzen von nachwachsenden Rohstoffen. Er sehe viele Chancen für Wirtschaftsformen der Zukunft. Viele junge Menschen suchten nach Jobs, mit denen sie „die Welt retten“ könnten. Dafür müsse man nicht nur über Verzicht reden, es ließen sich intelligente Lösungen finden. Auch Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sprach sich für eine „ganzheitliche Betrachtung“ der Rohstoffwirtschaft aus. Die Neue Sächsische Rohstoffstrategie enthalte erstmals einen Dreiklang: außer der Gewinnung von Primärrohstoffen durch Bergbau sowie der Nutzung von Sekundärrohstoffen durch Recycling auch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe aus Land- und Forstwirtschaft.

Laut Dulig sammelt eine ressortübergreifende „Arbeitsgruppe Rohstoffstrategie“ neue Vorschläge. Bis Ende vorigen Jahres seien 98 Maßnahmen eingereicht worden, die Liste sei weiterhin offen. Die Vorschläge befassen sich zum Beispiel mit dem Recycling von Stoffen aus dem Klärschlamm oder mit der Verwertung von Resten aus Getreidemühlen. Auch Kunststoffrecycling und eine regionale Lieferkette zum Holz wurden beantragt.

In Sachsen wächst mehr Holz nach als geerntet wird

Sachsen als „Land der nachwachsenden Rohstoffe“ müsse für alle Technologien offen sein, sagte Mario Marsch, Abteilungsleiter für Grundsatzangelegenheiten im Landesamt für Umwelt und Landwirtschaft. Im Massivholzbau könne Sachsen stark werden. Zwar würden jedes Jahr in Sachsen Wäldern mehr als 3,5 Millionen Kubikmeter Holz geerntet, aber gleichzeitig wüchsen 5,8 Millionen Kubikmeter nach.

Noch kaum genutzt wird laut Marsch das Potenzial an Agroforstsystemen zur stofflichen und energetischen Verwertung: Dazu gehören feste Fasern für industrielle Gewebe und Vliese aus Hanf oder Verpackungsmaterial aus dem Gras Miscanthus. Der jüngste Agrarbericht zeigt, dass in Sachsen im Jahr 2022 auf 238 Hektar Land schnellwüchsige Forstgehölze gezogen wurden („Kurzumtriebsplantagen“). Auf 80 Hektar wuchs Miscanthus, das auch als Dämmstoff geeignet ist. 130 Hektar waren mit Hanfpflanzen bewachsen, die Körner und Fasern liefern.

Die Landwirte seien reaktionsschnell, sagte Marsch. Im Jahr 2022 wurde der Anbau von Soja und ölhaltigen Sonnenblumen in Sachsen im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Die Zahl der Biogasanlagen stagniere allerdings, trotz des Bedarfs an Gas. Als „kurioses Beispiel“ für Agroforst nannte Marsch die Verwendung von Obstkernen in 3-D-Druckern als Material für die filigrane Verpackung von Medizinprodukten.

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