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Von der Braunkohle in den Reinraum: Sachsens Kumpel sollen künftig Chips herstellen

Globalfoundries und die Leag AG starten ein Pilotprojekt zur Qualifikation von Kohlearbeitern für die Chipproduktion. Welche Fachkräfte beide Partner im Blick haben, was sie Beschäftigten versprechen und was Mitarbeiter vor allem interessiert.

Lesedauer: 3 Minuten

Die LEAG will künftig Mitarbeiter bei Globalfoundries umschulen lassen. Richard Masula (LEAG) findet das Projekt gut, muss sich aber noch entscheiden, ob er das freiwillige Qualifizierungsprogramm mitmacht. Henriette Fischer lernt bei Globalfoundries Industriekauffrau im zweiten Lehrjahr. Foto: SZ/Veit Hengst Quelle: SZ/Veit Hengst

Nora Miethke

Dresden. Der Ausstiegsfahrplan steht fest. Ende 2029 gehen die ersten zwei Blöcke des Braunkohlekraftwerks in Boxberg vom Netz. Bis Ende 2028 soll dann der letzte Block stillgelegt werden. Doch was wird aus den rund 500 Beschäftigten im Kraftwerk?

„Wir werden nicht allen einen anderen Job anbieten können“, weiß Jörg Waniek, Personalvorstand bei der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) schon jetzt, auch wenn die Leag sich zu einem grünen Energiekonzern wandelt und als Unternehmen bestehen bleibt. Deshalb ist er froh über die strategische Kooperation, die er am Montag mit einem Vertrag besiegelt hat.

Teilnahme für Leag-Beschäftigte freiwillig

Der US-amerikanische Halbleiterhersteller Globalfoundries in Dresden und die Leag starten ein Fachkräfte-Transferprogramm. Im Rahmen eines Pilotprojekts sollen zehn Leag-Mitarbeiter aus Boxberg für drei Monate zu Globalfoundries wechseln und dort gezielt für die Halbleiterproduktion qualifiziert werden. Der Testlauf soll in den ersten drei Monaten 2026 beginnen. Die Teilnahme ist freiwillig. Noch stehen die zehn Beschäftigten nicht fest. Aber Waniek ist zuversichtlich, genügend Interessenten zu finden, auch wenn die Anreise mit dem Auto nach Dresden mehr als eine Stunde dauert. „Das ist eine kostenlose Qualifizierungsmaßnahme, bei der niemand eine Verpflichtung eingeht“, betonte er bei der Vorstellung der Kooperation am Montag in Dresden.

 Frank Jakubowski, Senior Director Manufacturing Operations, Richard Masula (LEAG); Nancy Stadel, Director HR Management; Henriette Fischer, Azubi zur Industriekauffrau m 2. LJ; Jörg Waniek, Personalvorstand der LEAG (v.l.n.r) starteten am Montag das Pilotprojekt für den Fachkräfte-Transfer zwischen Globalfoundries und der Leag AG.
Frank Jakubowski, Senior Director Manufacturing Operations, Richard Masula (LEAG); Nancy Stadel, Director HR Management; Henriette Fischer, Azubi zur Industriekauffrau m 2. LJ; Jörg Waniek, Personalvorstand der LEAG (v.l.n.r) starteten am Montag das Pilotprojekt für den Fachkräfte-Transfer zwischen Globalfoundries und der Leag AG.
Quelle: SZ/Veit Hengst

Im Blick haben beide Partner dabei Mechatroniker, Elektroniker oder Industriemechaniker. Im Reinraum von Globalfoundries stehen rund 2000 Maschinen, die sehr wartungsintensiv sind. Obwohl die Produktion fast voll automatisiert ist, arbeitet dennoch die Hälfte der Beschäftigten im Reinraum. Der Chiphersteller hat rund 3000 Beschäftigte am Standort in Dresden und will die Produktion auf über eine Million Wafer im Jahr ausbauen. Der Startschuss des Ausbauprojekts „Sprind“ wurde erst kürzlich im Beisein von Bundeskanzler Friedrich Merz gefeiert. Das bedeutet noch mehr Maschinen und folglich mehr Bedarf an Wartungstechnikern. Hinzukommt, dass viele Mitarbeitende bis zum Jahr 2030 in Ruhestand gehen werden.

Gehaltsunterschiede sollen „geglättet“ werden

Bei der Frage, welche Kompetenzen die Leag-Mitarbeiter für die Chipindustrie mitbringen und ob ein Wechsel so einfach möglich ist, sind beide Personalchefs optimistisch. „Auch wenn bei uns alles kleiner und filigraner ist, sind im Transportsystem für die Wafer auch Getriebe verbaut“, sagt Nancy Stadel, Personalchefin bei Globalfoundries.

Stadel stammt aus Lübbenau. Ihre Eltern haben beide in der Braunkohle gearbeitet, ihr Vater zum Schluss auch in Boxberg. Daher freue sie sich besonders über diese Zusammenarbeit, betont sie.

Das Pilotprojekt ist ein klares Signal, dass wir unsere Mitarbeiter auf dem Weg in eine neue berufliche Zukunft aktiv unterstützen. – Jörg Waniek, Personalvorstand Leag AG

Das Pilotprojekt sei ein „klares Signal, dass wir unsere Mitarbeiter auf dem Weg in eine neue berufliche Zukunft aktiv unterstützen“, so Waniek. Eine Hürde dürften jedoch die Gehaltsunterschiede sein. In der Chipindustrie wird nicht so viel bezahlt wie im Kohlekraftwerk. Ihm sei bewusst, dass die Leag einen „sehr ordentlichen Tarifvertrag in der Energiewirtschaft“ biete.

Doch man werde Wege finden, diese Gehaltsunterschiede in einem „sozialverträglichen Übergang zu glätten“, versprach der Personalvorstand. Dazu könnten auch die Entschädigungszahlungen genutzt werden, deutete er an. Die Bundesregierung zahlt 1,75 Milliarden Euro Entschädigung an die Leag AG für den vorzeitigen, politisch gewollten Ausstieg aus der Kohleverstromung im Jahr 2038.

Mitarbeiter interessieren vor allem Arbeitszeiten

Da hilft vermutlich, dass Globalfoundries und die Leag ihre jeweiligen Tarifverträge mit der gleichen Gewerkschaft geschlossen haben, mit der IG BCE. Über sie sei man auch in Kontakt gekommen.

Und was sagen die Leag-Mitarbeiter dazu? Richard Masula, 36 Jahre alt, gelernter Mechatroniker und Industriemeister für Elektrotechnik, arbeitet bei der Leag in Schwarze Pumpe. Er hat sich noch nicht entschieden, ob er sich bewirbt. Prinzipiell findet er das Pilotprojekt positiv.

„Es sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die es gibt für neue Beschäftigung.“ Doch jetzt komme es auf das Auswahlverfahren an und die Arbeitsbedingungen. Masula interessieren vor allem die Arbeitszeiten. Er müsste täglich von Schleife bei Weißwasser nach Dresden fahren.

SZ

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