Eine große Metalltür schützt das Heiligtum der Löbauer Klavierbauer vor der Außenwelt. Gabriel Wandt dreht den Schlüssel im Schloss. Was hinter der Tür zum Vorschein kommt, überrascht zunächst – zumindest, wenn man an die auf Hochglanz polierten Flügel und Klaviere denkt, die das Unternehmen August Förster in Löbau seit 160 Jahren herstellt. Denn hinter der Metalltür lagern in einem großen Kellerraum Bretter. Viele hunderte in unterschiedlichen Holzfarben.
Hier wird der wertvolle Rohstoff aufbewahrt, aus dem später in vielen Arbeitsschritten die Klaviere entstehen. Mehrere Jahre liegen die Bretter hier. Sie müssen austrocknen, erklärt Gabriel Wandt, der im Unternehmen für Vertrieb und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Das Holz soll, sobald es verbaut ist, so wenig wie möglich arbeiten. In einem Klavier kommen dabei mehrere Sorten Holz zum Einsatz. Buche und Kiefer zum Beispiel werden häufig für die Gehäuse verwendet.
Ein ganz besonderes Holz allerdings kommt für den Resonanzboden zum Einsatz. Das ist quasi der Lautsprecher des Klaviers. Er sorgt, an der Rückwand verbaut dafür, dass der Ton in den Raum übertragen wird. Dafür eignet sich eine bestimmte Art Bergfichte besonders gut. Sie wächst in den Dolomiten, im Val die Fiemme. Damit das wertvolle Holz seine Funktion erfüllen kann, wird es im Holzkeller besonders gelagert. In einer extra Trockenkammer, wo Luftfeuchte und Temperatur ständig überwacht werden, damit es seine Trockenheit behält.
Nächste Station für die Bretter ist die hauseigene Tischlerei. Hier werden daraus in Präzisionsarbeit die verschiedenen Teile für die Klaviere gefertigt: Tastendeckel, Notenpulte, Seitenteile. "Alles ist aus Massivholz, das macht beim Klang viel aus", sagt Gabriel Wandt. Pianisten, erzählt er, wählen ihren Flügel nach dem Klang aus.
In einem Raum neben der Tischlerei steht ein wirklich historisches Gerät: der Leimstern. "Das ist sozusagen unser ältester Mitarbeiter", sagt Gabriel Wandt. Seit wann die Maschine im Betrieb steht, ist nicht genau überliefert. Sie stammt aber wohl noch aus der Zeit vor 1900. Mitarbeiter streichen hier Holzstäbe mit Leim ein, sie werden dann aneinandergelegt und in die Maschine eingespannt.
Der Leimstern funktioniert dann ähnlich wie eine Schraubzwinge. Die Latten werden zusammengepresst, sodass sie fest und gleichmäßig verklebt werden. So wird die Holzkonstruktion stabil. Und das muss sie auch sein, denn sind die 230 Saiten im Flügel aufgezogen, lastet eine enorme Zugkraft auf dem Gehäuse. Deshalb wird zusätzlich eine Gussplatte im Gehäuse verbaut. Sie ist eines der ganz wenigen Teile, die August Förster zukauft. Mit all seinen Teilen kommt ein Klavier oder Flügel, je nach Größe, so auf ein stolzes Gewicht von 220 bis zu 550 Kilo.
Bis es fertig ist, dauert es allerdings mehrere Monate. Über alle fünf Etagen im historischen Fabrikgebäude wandert ein Klavier im Laufe dieser Zeit. Ganz oben unterm Dach zum Beispiel wird die Oberfläche bearbeitet. Sieben Schichten Lack werden aufgetragen und dann wieder abgeschliffen. Zum Schluss wird das Klavier mit einer Poliermaschine bearbeitet, ähnlich wie man sie beim Auto verwendet. "Nur so bekommt man den typischen Spiegellack hin", verrät Gabriel Wandt. Bis zum Polieren auf Hochglanz sind aber eine ganze Menge weiterer Arbeitsschritte nötig. Saiten müssen aufgespannt, Mechanik, Tasten und Pedale eingebaut werden.
Um die Instrumente so in Handarbeit zu fertigen, beschäftigt August Förster Tischler und Klavierbauer, aber zum Beispiel auch Schlosser. 38 Mitarbeiter sind aktuell bei August Förster beschäftigt. Der Löbauer Betrieb bildet außerdem derzeit mehrere junge Leute zu Klavierbauern und Tischlern aus.
100 bis 120 Klaviere und etwa halb so viele Flügel produziert die Manufaktur jährlich. Sonderwünsche inbegriffen. Denn der schwarz-glänzende Flügel ist zwar die gängigste Variante. Die Löbauer Klavierbauer machen aber viel mehr möglich. Davon zeugen Farbmuster. Sie hängen in einem der Produktionsräume an der Wand. "Das sind alles Farben, in denen wir schon Klaviere oder Flügel hergestellt haben", erklärt Gabriel Wandt. Auch blau und bordeaux-violett sind dabei.
Käufer suchen sich zum Beispiel eine Farbe aus, die zur Wohnzimmer-Einrichtung passt. Auf dem Löbauer Honigbrunnen steht ein knallroter Flügel. "Im Prinzip können wir alle RAL-Farben anbieten", so Wandt. Das ist eine genormte Farbskala, die zum Beispiel auch bei Autolacken und Wandfarben angewendet wird.
Solche Extra-Wünsche kann die Firma August Förster erfüllen, weil sie die Klaviere individuell von Hand herstellt. "Wir sind einer der ganz wenigen Klavierhersteller in Deutschland, die noch alles selbst herstellen", erklärt Gabriel Wandt. Die meisten Flügel werden schwarz lackiert. "Deshalb freuen wir uns immer, wenn wir mal ein andersfarbiges herstellen können", sagt Gabriel Wandt.
So wartet derzeit zum Beispiel ein weißer Flügel auf seinen Transport zu einem Kunden nach Russland. Bis 1989 lieferte August Förster viel in den befreundeten Ostblock-Staat. "Nach wir vor genießen wir dort einen guten Ruf und haben daher viele Kunden", so Wandt. August-Förster-Klaviere werden aber in die ganze Welt verkauft. Von Anfang an exportierte der Betrieb weltweit. Davon zeugen die alten Nummernbücher, die bei August Förster bis heute aufbewahrt werden. Dort notierten die Förster-Vorfahren alle Klaviere und auch, wohin sie geliefert wurden. Ab der Nummer 900 sind die Klaviere verzeichnet. "Heute sind wir bald bei Nummer 166.000", sagt Gabriel Wandt. Förster-Klaviere stehen in Musikschulen, bei Pianisten, bei Musikliebhabern zu Hause.
So viel Handarbeit kostet: ab 14.000 Euro muss man für ein Klavier bezahlen, ab 34.000 Euro für einen Flügel. Gabriel Wandt kennt den Grund, warum den Löbauer Klavierbauern dennoch nicht die Kunden ausgehen: "Das Bewusstsein für Qualitätsprodukte steigt." Er vergleicht das mit Bio-Produkten. "Was für den Bio-Joghurt gilt, gilt auch für Instrumente. Die Leute wollen wissen, wo es herkommt."
Von Romy Altmann-Kuehr
Foto: © Piano Förster