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Was einem Nieskyer Waggonbauer von seinem Betrieb bleibt

Werner Weinhold arbeitete 43 Jahre in dem Nieskyer Traditionsbetrieb. Im Dezember machte er das Licht aus. Nun bewegt den Petershainer, was aus dem Werksgelände wird.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht Werner Weinhold, Leiter Produktionsvorbereitung im Waggonbau Niesky.
Werner Weinhold war viele Jahre Leiter Produktionsvorbereitung im Waggonbau Niesky. Diese Andenken zu Betriebsjubiläen sind ihm geblieben. © André Schulze

Von Steffen Gerhardt

Werner Weinhold stimmt es traurig zu sehen, dass nicht nur keine Güterwaggons mehr aus den großen Hallen in Niesky rollen, sondern auch, dass das Werksgelände wie eine Todgeweihte daliegt und sich niemand um sie kümmert.

42 Jahre ist der Petershainer dem Betrieb treu gewesen. War viele Jahre in leitenden Positionen in der Produktionsvorbereitung tätig, er führte bis zu dreißig Kollegen und im Dezember machte er das Licht in dem Traditionsbetrieb mit aus. Drei Insolvenzen hat der 61-Jährige mitgemacht: 2007/08, 2017 und 2023. Immer mit der Hoffnung verbunden, dass es irgendwie weitergeht. Das tat es auch, bis die Slowaken das Werk kauften.

„Ab 2020 wurden wir immer mehr zur verlängerten Werkbank für Tatravagonka. Da zeichnete sich schon ab, dass es ein Sterben auf Raten wird“, sagt der seit 2017 als Leiter Projektmanagement und Industrial Engineering tätige Weinhold. In leitender Position blieb er bis zuletzt. Auch das mit 20 Leuten besetzte „Abwicklungsteam“, das vier Monate lang den Betrieb übergabereif machte, arbeitete unter seiner Führung.

An seiner Meinung hat sich bis heute nichts geändert, dass der Nieskyer Betrieb als letzter Güterwagenhersteller in Deutschland hätte gerettet werden können. „Ich zähle den Waggonbau ebenfalls zu den systemrelevanten Unternehmen, auch mit Blick auf die Verkehrswende. Hier hätte die Bundes- und Landespolitik, aber auch der Landkreis, mehr Engagement aufbringen können und müssen. Andere Möglichkeiten, die es hätte geben können, wurden nicht wahrgenommen.“

In Verkaufsverhandlungen treten

Und auch jetzt nimmt der Diplomingenieur für Maschinenbau die Politik in die Pflicht. „Um dieser Immobilie wieder Leben einzuhauchen, ist es notwendig, mit Nachdruck zu versuchen, bei der jetzigen Eigentümerin, der Tatravagonka Germany GmbH, in Erfahrung zu bringen, ob sie das Werk weiter nutzen möchte oder ob sie bereit ist, die Immobilie zu fairen Konditionen zu verkaufen.“ Ihm ist klar, dass Waggons in Niesky nicht mehr auf die Schiene gestellt werden. Das würde der Eigner zu verhindern wissen, wenn sich neue Konkurrenz etabliert.

Werner Weinhold vor neun Jahren im Waggonbau Niesky. Da bereiteten die Beschäftigten sich auf einen Großauftrag aus Frankreich vor. Im Hallenschiff musste dafür ein neuer Kran installiert werden.
© Archiv/André Schulze

Werner Weinhold findet es sehr bedauerlich, dass sich die Stadt Niesky so schnell von den noch Anfang des Jahres geäußerten Plänen verabschiedet hat, sich um die Immobilie zu kümmern beziehungsweise zu versuchen, dort wieder Gewerbe und Industrie anzusiedeln. „Möchte es die Stadt Niesky wirklich verantworten, in ihrer schönen Stadt eine Industriebrache zu haben und über kurz oder lang dieses Areal dem Verfall, Zerstörung und Vandalismus preiszugeben?“, fragt er. Das ist auch die Befürchtung der Unternehmer, die sich um das Waggonbaugelände mit ihren Firmen angesiedelt haben.

Zusammenschließen und Investoren suchen

Werner Weinhold, der ursprünglich aus Niesky stammt, plädiert dafür, dass die Stadt Niesky sich zusammenschließt mit der Kreisverwaltung, der Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz, dem Unternehmerverband Niederschlesien, der IHK und dem Land Sachsen. Alles mit dem Ziel, Investoren für dieses Gelände zu suchen. „Dabei sollte auch in Betracht gezogen werden, ob nicht finanzielle Mittel aus dem Strukturwandel der Lausitz genutzt werden können. Geht es doch hier um Schaffung neuer Arbeitsplätze.“

Abzuwägen sei auch, ob unbedingt Gewerbe auf der grünen Wiese angesiedelt werden soll, sprich im Gewerbegebiet Nord, oder das Waggonbaugelände lieber genutzt wird. Mit dem Waggonbaugelände hat Niesky die Chance, ein vollkommen erschlossenes Industrieareal zu erwerben, inklusive Gebäude und funktionsfähiger Industriehallen, Infrastruktur, eigener Wasserver- und -entsorgung und einem Gleisanschluss. Einen eigenen Gleisanschluss zu haben, ist in der heutigen Zeit sicher nicht von Nachteil. „Anfang der neunziger Jahre gab es eine umfassende Altlastenuntersuchung und bereits entsprechende Sanierungsmaßnahmen“, fügt Weinhold an. Er muss es wissen, denn seit 2005 gehörte auch die Verwaltung der Immobilie zu seinen Aufgaben.

Werksarchiv ist gerettet

Was ihm als Waggonbauer bis zum Schluss am Herzen lag, dass das Archiv des Traditionsbetriebes nicht verramscht wird. „Das sind viele unwiederbringbare Dinge, die auch nachfolgenden Generationen zeigen, welche Industrie Niesky einmal hatte, was Menschen geschaffen haben.“ Alles, was vor 1945 geschah, hat das Nieskyer Museum in Verwahrung genommen. Der Archivschatz nach 1945 liegt im Dresdner Staatsarchiv. Die Stadt hat etliche Waggon-Modelle erworben, die für eine Ausstellung vorgesehen sind.

Werner Weinhold ist sich bewusst, dass es für seinen vorgeschlagenen Weg von der Stadt und ihren Stadträten viel Mut, Risikobereitschaft, Zuversicht und einen festen Willen braucht. Wie so etwas gemeinsam gelingen kann, zeigte eine ZDF-Dokumentation „Wiesenburg – Wie sich ein Dorf gegen die Krise stemmt“. Sie ist noch abrufbar in der ZDF-Mediathek.

Soll Niesky weiterhin eine Schlaf- und Wohnstadt bleiben, oder möchte man eine Stadt mit starker Wirtschaft, um endlich auch aus der klammen Haushaltssituation herauszukommen, fragt er die Nieskyer.

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