Krostitz. Bier steckt in der Krise, nur bei Ur-Krostitzer herrscht beste Laune. Einerseits, weil die Absätze stimmen – und zwar gegen den Trend: Wurden deutschlandweit zuletzt 4,5 Prozent weniger Bier getrunken, stieg der Verkauf von Ur-Krostitzer um 7,8 Prozent. Nun bekam eines der bekanntesten Biere der Region eine neue operative Chefin – die 37-jährige Julia Schachtschabel. Es habe „zum ersten Mal eine Frau die Betriebsleitung der Krostitzer Brauerei übernommen“ jubelte die Brauerei in einer Mitteilung.
Eine Frau wird oberste Bierbrauerin bei Leipzig: Ist das also der Rede wert?

Quelle: Krostitzer Brauerei
Man kann das so sehen. Bier ist ein Männergetränk, es wird überwiegend von Männern getrunken (siebenfach so viel wie von Frauen!) – und es wird vor allem von Männern gebraut. Besuch bei Schachtschabel, es ist ihr erster Pressetermin. „Pils gilt als typisches Männergetränk“, sagt auch sie. Also: Ein Konflikt?
„Darüber denke ich nicht wirklich nach“, sagt sie. Ob sie sich eigne, beruhe ohnehin „auf fachlicher Kompetenz“. Und trotzdem gibt es Unterschiede, sagt auch Schachtschabel. Sie habe „einen ganz anderen Führungsstil als mein Vorgänger“. Ihr sei „Empathie ausgesprochen wichtig“. Und sie glaube: „Nur, wenn wir geschlossen auftreten, kriegen wir auch ein gutes Produkt in die Flasche. Aber dafür muss man offen kommunizieren und die Mitarbeiter wertschätzen.“
Die gebürtige Hallenserin Schachtschabel wuchs in der Nähe von Delitzsch auf – und ließ die Heimat nie weit zurück. Zum Bier kam sie über die Versuchsbrauerei im Lebensmitteltechnik-Studium in Köthen. Und blieb dabei. Sie wurde Laborantin bei Krostitzer. Keine, die schwere Bottiche durch die Brauerei hievt. Eher eine, die auf Chemie, Gärwerte und andere Zahlen schaut. Entsprechend nüchtern spricht sie über ihr Produkt, sagt weder „Uri“ noch „Krosti“, sondern eher Sätze wie: „Für mich als Lebensmitteltechnologin ist natürlich die Datenlage ganz wichtig.“
„Dry January“: Eine Bedrohung für Ur-Krostitzer?
Schachtschabel sagt auch: „Ich trinke gerne mal ein Bier.“ Auch auf Reisen, zum Beispiel in Bamberg, wo sie sich durch Hausbrauereien testete. Die alle: weit weg vom klassischen Ur-Krostitzer-Pils, in der Machart, im Geschmack. Schachtschabel fand es trotzdem nicht schlecht, ließ sich inspirieren. Nur das Rauchbier – das würde sie wohl nicht noch einmal testen.
Zurück in Krostitz, wo es jetzt einmal ernster wird, denn: Der Bierbranche geht es ja insgesamt schlecht. Man spürte es erst diesen Januar, den außergewöhnlich viele „trocken“ verbrachten. „Das wurde dieses Jahr noch mehr gehyped als sonst, das ist mir auch aufgefallen“, sagt Schachtschabel. Der Brauerei sei das aber sogar gelegen gekommen. „Wir atmen im Januar einmal auf, um nach dem großen Weihnachtsgeschäft die Bestände aufzufüllen.“
Eins ist mir beim Bierbrauen ganz wichtig: Eine Prise Liebe muss immer mit rein. – Julia Schachtschabe, 37 Jahre, neue Betriebsleiterin der Krostitzer Brauerei
Allerdings verzichten immer mehr auch in den übrigen elf Monaten auf Alkohol. Seit Jahren werden es mehr. Und vor allem beim Bier machen die Leute Abstriche: Tranken die Deutschen 1990 noch 142,7 Liter pro Kopf, waren es 2023 unter 100 Liter. Bei Ur-Krostitzer herrscht noch heile Welt. Auch, weil man Deals mit RB Leipzig und Konzert-Locations einfädelte. Zu Musik und Fußball trinkt man in Leipzig Uri.
Man bewege sich „in einem schwierigen Markt“, sagt aber auch Schachtschabel. Krostitzer reagierte 2020, nahm ein Alkoholfreies ins Angebot. Viel mehr ist auch nicht möglich, denn das Produkt einer Brauerei lässt nicht unendlich oft variieren. Man könnte auch sagen: Bier ist träge. „Bier lebt von Beständigkeit, und der Verbraucher erwartet, dass er den Geschmack seines Lieblingsbieres wieder erkennt“, formuliert es Schachtschabel. Man habe nicht „unendlich viel Spielraum“, zumal rechtliche Vorgaben, Genehmigungen und das Reinheitsgebot den engen Rahmen der Produktion bestimmen.
Wie setzt sich Ur-Krostitzer durch, wenn es auf dem Biermarkt immer enger wird? „Unsere Brauerei steht im Mittelpunkt eines Dorfes, das bringt einen gewissen Charme mit sich, auf den der Verbraucher Lust hat“, glaubt Schachtschabel.
Es könnte aber auch auf den Führungsstil der neuen Chefin ankommen, auf Empathie. Spiegelt sich die nicht letztlich auch im Produkt wider? Die neue Chefin Julia Schachtschabel glaubt das. Als man schon fast zur Tür raus ist, lässt sie noch diesen Satz fallen: „Eins ist mir beim Bierbrauen ganz wichtig: Eine Prise Liebe muss immer mit rein.“