Thomas Christmann
Zittau. Digades gehört zu den technologischen Vorzeigeunternehmen von Zittau. Groß geworden ist die Firma mit einem unverzichtbaren Teil für eine luxuriöse Sonderausstattung von Autos: Fernbedienungen für Standheizungen. Ob Audi, Bentley, Porsche, Mercedes-Benz, BMW oder natürlich VW – beinahe alle Hersteller von Rang und Namen orderten diese Fernbedienungen bei Digades. Doch genau dieses Schlüsselprodukt – einst die Geldkuh des Unternehmens – brachte Digades dann auch in wirtschaftliche Schieflage – weil die digitale Zeit darüber hinweggegangen war. Es folgten Kurzarbeit, Entlassungen und schließlich die noch laufende Insolvenz. Und deshalb sorgt jetzt ein Produkt, das eigentlich dem Niedergang hatte begegnen sollen, bei Kunden für Verdruss.
Was Digades die jahrelang stabile wirtschaftliche Grundlage entzog, war das Smartphone – und die praktischen Apps, die man darauf installieren kann. Statt ihren Kunden für die Standheizung eine zusätzliche Fernbedienung in die Hand zu drücken, setzten die Autohersteller dafür zunehmend auf hauseigene Apps – denn ein Smartphone besitzt sowieso jeder. Damit konnte Digades nicht Schritt halten und verlor die Hersteller als Kunden. Das Unternehmen setzte allerdings mit einer eigenen App-Lösung ein bisschen dagegen. Doch was einige Kunden lange feierten, funktioniert nun nicht mehr.
Warum eine Funkfernbedienung zu wenig Komfort war
Einer der Betroffenen ist Klaus Thümmel (69) aus Chemnitz. „Ich fahre seit Jahren VW Tiguan – immer mit Standheizung“, erzählt er. Diese Zusatzausstattung schätzt er aus mehreren Gründen. Zum einen kann man im Winter immer in ein angenehm vorgeheiztes Auto einsteigen. Zum anderen ist das aber auch noch wohltuend für Motor und Umwelt, weil dank Standheizung verschleiß- und kraftstoff-intensive Kaltstarts wegfallen. Und die Fernbedienung dafür kam eben aus dem Hause Digades. Doch da war etwas, was Thümmel immer wahnsinnig unpraktisch fand: „Die Reichweite des Funksenders beträgt maximal 100 Meter“ – und dabei darf kein größeres Hindernis zwischen Sender und Auto stehen.
Das reicht natürlich bequem, um etwa vom Frühstückstisch aus die Standheizung des auf der Straße geparkten Autos zu aktivieren. Nun sind Klaus Thümmel und seine Frau aber sportlich noch aktiv. „Wir wandern viel in den Wäldern rund um Chemnitz oder sind auf Langlaufskiern unterwegs“, erzählt er. Kamen sie dann von einer längeren Tour zurück zu ihrem Auto, konnten sie die Standheizung erst aus unmittelbarer Nähe einschalten. „Wenn es mal richtig kalt ist, konnte es bis zu einer halben Stunde dauern, bis das Auto angenehm aufgeheizt war“, sagt er.
Praktische Lösung – aber plötzlich abgeschaltet
Vor einigen Jahren stieß Thümmel dann in einem Autoforum im Internet auf das von Digades entwickelte System „dfreeze“ – eine App-gesteuerte Bedienung von Standheizungen. „Das wurde sogar von VW empfohlen“, sagt er. Dafür wird in das Auto ein Zusatzdecoder eingebaut und der Kunde lädt sich die App auf sein Smartphone. Der Server, der das zwischen dem Smartphone, dem Decoder und der Standheizung steuert, wurde von Digades betrieben. Weil das alles über das Internet geschieht, kann man seine Standheizung quasi von weltweit jedem Standort bedienen. „Ich könnte mein Auto also auch in Griechenland parken und von Chemnitz aus die Standheizung bedienen“, sagt Thümmel.
Er war begeistert. „Inklusive Einbau hat das 2021 etwa 400 Euro gekostet“, erzählt er. Verbunden war das – ähnlich einem Mobilfunkvertrag – mit einer dreijährigen Nutzungslizenz für das System. „Und ich kann den Kundenservice von Digades nur über den Klee loben“, sagt er. Bei Installation und Betrieb sei dieser immer sehr hilfreich gewesen. Im Januar 2024 verlängerte er die Nutzungslizenz für weitere zwei Jahre – zum Preis von ungefähr 40 Euro. Die Begeisterung endete dann jüngst. „Als ich neulich die Standheizung über diese App einschalten wollte, kam die Meldung: Keine Verbindung zum Server möglich“, erzählt er. Und bei einem Anruf bei der Kunden-Hotline von Digades habe man ihn wissen lassen: „Der Kundendienst wird eingestellt.“ Erst bei dieser Gelegenheit habe er auch von der Insolvenz des Unternehmens erfahren.
Es geht Thümmel gar nicht mal um die 40 Euro, die er hatte für den Service bezahlen müssen. „Das ist verkraftbar. Aber es gibt sicher viele Betroffene“, sagt er. Er fürchtet aber, nun wieder erneut für einige hundert Euro ein solches System eines anderen Anbieters installieren zu müssen, um bei seinem gewohnten Komfort bleiben zu können – falls Digades diesen Service nicht wieder aufnehmen sollte. Danach jedoch sieht es zur Stunde nicht aus. Auf der entsprechenden Internetseite teilt Digades mit: „Wir möchten Sie darüber in Kenntnis setzen, dass die Insolvenz unseres Unternehmens leider dazu führt, dass wir gezwungen sind, unser Produkt dfreeeze sowie die damit verbundenen Dienstleistungen einzustellen.“ Diese Entscheidung sei „ein schwerwiegender Teil unserer Bemühungen, das Unternehmen im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu sanieren und auf eine zukunftsfähige Ausrichtung vorzubereiten“. Das Gleiche gilt auch für das von Digades entwickelte System „dguard“, ein automatisches Notrufsystem für Motorradfahrer.
Auf eine Bitte seitens der SZ um eine Stellungnahme hat Digades bislang nicht reagiert.