Von Ines Mallek-Klein
Klipphausen. Der Wind streift sanft durch die gelb-grün schimmernden Ähren. Noch drei, vielleicht vier Wochen, dann wird hier auf dem Feld bei Tanneberg der Mähdrescher rollen und ernten, was Bauer Karsten Flade im Oktober gedrillt hat. Frühjahr und Sommer sind diesmal deutlich feuchter. „Wir haben hier immer mal wieder einen Regenschauer abbekommen. Davon profitieren die Ähren“, sagt der junge Landwirt. Sie sind groß und lang, die Körner gut gefüllt. Es verspricht, eine gute Ernte zu werden.
Das, was hier auf dem Feld reift, ist schon verkauft. Zu feinstem Dinkelmehl vermahlen, wird es in Klipphausen bei „Unser Bäcker“ weiterverarbeitet, wahlweise zum Roggendinkelbrot RoDi oder zu der neuesten Brotkreation, dem Albertino, das zu einhundert Prozent aus der noch relativ jungen Dinkelsorte besteht.
Quasi um die Ecke
An diesem Morgen steht nicht nur Landwirt Flade auf seinem Feld, sondern auch Thomas Johne. Er ist einer der Geschäftsführer der Bäckerei und sucht sofort nach dem Handy, um das wogende Dinkelfeld im Foto festzuhalten, sichtlich begeistert von dem vollen Korn. Seit fünf Jahren arbeitet die Bäckerei mit Landwirt Flade zusammen. Angefangen hat alles mit einem Milchautomaten im Edeka Klipphausen, die einen so herrlichen Rahm bildet, dass jeder Kuchenbäcker vor Freude in die Hände klatscht. Mittlerweile sind es 1.200 Liter Milch, die Karsten Flade jede Woche nach Klipphausen liefert, ohne jegliche Umverpackung in eigens angefertigten Edelstahltanks mit eingebautem Rührwerk.
Vor drei Jahren kam das Getreide dazu. Was mit einem fünf Hektar großen Dinkelfeld begann, misst heute die vierfache Fläche. Tendenz weiter steigend. Karsten Flade hat sich dem natürlichen Landbau verschrieben, arbeitet ökologisch, auch ohne Biosiegel, denn um das zu bekommen, müsste er sich einem aufwendigen Zertifizierungsprozess unterziehen. Der kostet Geld, vor allem aber Zeit.
Ein Thema, das Thomas Johne und Geschäftsführerkollegin Rommy Schumann auch angesprochen haben, als vor einigen Tagen Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther zu Besuch in Klipphausen war. Er wollte sich über regionale Wirtschaftskreisläufe informieren, die hier nicht nur diskutiert, sondern gelebt werden. Denn das Korn, das Karsten Flade von seinem Feld holt, wird – quasi um die Ecke – in der Miltitzer Mühle vermahlen.
Keine mangelnden Umsätze, sondern fehlendes Personal
Auch Alexander Bartsch, Müllermeister in nunmehr vierter Generation, ist an diesem Vormittag mit auf das Feld gekommen, um zu sehen, wie es um die Körner steht. Er bekommt sie trocken und entspelzt. „Ich mahle immer auf Vorrat, denn Mehl muss reifen, bevor man es verbacken kann“, erklärt der Müllermeister. Er braucht keine 15 Minuten von der Mühle bis zur Bäckerei. Dort steht ein großes Silo, in das das Mehl eingeblasen wird. Auch hier entfallen Umverpackungen oder Säcke. Eine Silofüllung reicht gut eine Woche. Insgesamt verarbeitet Unser Bäcker sieben Tonnen Dinkelmehl pro Jahr, dazu kommen noch verschiedene Weizen- und Roggenmehle.
Die Erzeuger in der Nähe zu wissen, sei mehr als ein gutes Gefühl, sagt Geschäftsführerin Rommy Schumann. Sie ist für die Lieferverträge verantwortlich und die seien stets so verhandelt, „dass alle Beteiligten gut davon leben können“. Langfristigkeit ist Rommy Schumann wichtig, das bringt Planbarkeit mit sich – für alle. Eine Unbekannte gibt es aber schon. Und das ist das Wetter und seine Auswirkungen auf die Erträge. In diesem Jahr sieht es gut aus. Das war nicht immer so, und auch die jähen Wenden bei den Getreidepreisen an der Pariser Börse Matif beschäftigen Produzenten wie Abnehmer. Gerade jetzt seien die Weizenpreise wieder im Sinkflug. Getreide aus Osteuropa, vor allem aus der Ukraine, flutet den hiesigen Markt und drückt auf die Erlöse für deutsche Landwirte. Preisspekulationen, an denen sich „Unser Bäcker“ nicht beteiligen möchte – auch, wenn das bedeute, dass man gelegentlich den ein oder anderen Euro mehr bezahle.
Die Kunden schätzten die Qualität und könnten sich auf eine sensible Mischkalkulation verlassen, verspricht Rommy Schumann. Sie ist seit knapp einem Jahrzehnt im Unternehmen, hat zuvor Bäckereien beraten. Als Rommy Schumann anfing, hatte „Unser Bäcker“ über 30 Filialen, heute sind es noch 27. Das liege aber nicht an mangelnden Umsätzen, sondern am fehlenden Personal. Es werde immer schwerer, ausreichend Arbeitskräfte zu finden, so die Geschäftsführerin. Das Klipphausener Bäcker-Team ist 200 Mann stark und in fast allen Bereichen werde aktuell Verstärkung gesucht. Langeweile in der Backstube wird es nicht geben. Hier werde jedes einzelne Brot noch von Hand gewogen und geformt, sagt Thomas Johne. Zudem gäbe es immer wieder neue Backwaren. Dinkel als bekömmliches Getreide spielt dabei eine immer größere Rolle, verbacken im Albertino-Brot oder auch in dem neuen Dinkelspritzkuchen. Ihn zu kreieren, habe Monate gedauert, räumt Thomas Johne ein. Aber wer erfolgreich sein wolle, brauche vor allem eins: Ausdauer und Konzepte, die auch morgen noch tragen.