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Wenn der Hotelchef Nachtschicht machen muss

Da die Lage in der Gastronomie immer dramatischer wird, müssen auch die Direktoren häufiger selbst mit anpacken. Ein Beispiel aus Dresden.

Lesedauer: 3 Minuten

Wer an einen Hoteldirektor denkt, dem fallen Meetings, Termine mit wichtigen Gästen und ein schwarzer Anzug ein. Ganz sicher aber nicht die Nachtschicht an der Rezeption. Doch genauso geht es derzeit Florian Leisentritt, Direktor des Hotel Gewandhaus Dresden. „Ich arbeite regelmäßig in der Nachtschicht an der Rezeption, diesmal für zwei Wochen“, erzählt der Chef, der zehn offene Stellen in seinem Haus hat. Egal ob Köche, Kellner oder Hotelfachleute – die Suche wird immer schwerer. Ein oder mehrere Tage das Restaurant zu schließen, um das Personal zu schonen, wie es andere Häuser tun, ist für Leisentritt keine Option. „Aber wir achten auf die Überstunden“, betont er.

Die Mitarbeiter fehlen in der Gastronomie immer häufiger. Die ganze Branche in Dresden kämpft gegen den Fachkräftemangel. Darauf reagiert jetzt auch Gerd Kastenmeier. „Mit Blick in die Zukunft und auf das allerorts wachsende Nachwuchsproblem, wagen wir den Schritt und wollen künftig auch unser Personal gemeinsam nutzen“, so Kempinski-Chef Marten Schwass, und meint den Umzug von Kastenmeier vom Kurländer ins Taschenbergpalais. Noch sei die Lage in beiden Häusern nicht angespannt und der branchenübergreifende Personalmangel nicht der einzige Grund für den Umzug, aber man wolle gewappnet sein für die Zukunft.

Wenn Gerd Kastenmeier im kommenden Jahr seine Koffer packt, um umzuziehen, soll der Gast davon möglichst wenig merken. Der Name bleibt. Das Konzept auch. Für seinen Einzug wird das bisherige Restaurant Intermezzo im Kempinski geschlossen und komplett umgebaut. Die Arbeiten sollen Anfang 2019 beginnen. Pünktlich zum Start in den Frühling will der Koch einziehen. Ähnlich wie die anderen Hotelchefs fassen auch Gerd Kastenmeier und Kempinski-Chef Marten Schwass dort mit an, wo es nötig ist. Wichtig sei ein gutes Miteinander im Team. Wünsche für die Dienstpläne nehmen sie entgegen. Im Kempinski wird das Kastenmeiers täglich immer nur abends geöffnet haben. Der Chef steht dann selbst mit am Herd und kocht.

Wie ernst die Lage ist, weißt auch Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer. Während 2007 noch 629 Azubis in Dresden ihre Lehre zum Koch begonnen haben, waren es 2018 nur noch 83, so Fiehler. Nicht jeder, der anfängt, beendet seine Ausbildung. „Die Bestehensquote ist in den letzten Jahren unverändert und liegt bei 80 Prozent.“

Alarm schlägt auch Siri Leistner, Schulleiterin am Berufsschulzentrum für Gastgewerbe in Dresden. Während 2011 noch 192 junge Leute ihre Ausbildung zum Restaurantfachmann oder -frau und 404 Koch-Azubis anfingen, waren es im Schuljahr 2016/17 nur noch 106 Kellner und 266 Köche. Ähnlich verheerend ist es bei den Hotelfachleuten. Hier begannen in diesem Jahr nur 112 junge Leute ihre Ausbildung.

Fehlende Kellner als Dauerthema, das kennt auch Marc Arendt vom Ringhotel Residenz Alt Dresden. „Alle Mitarbeiter helfen mit, wo sie können – das kann aber kein Dauerzustand sein.“ Die Restaurantöffnung habe er an die Nachfrage angepasst, in der belegungsschwachen Zeit ist das Restaurant sonntags geschlossen. „Und wir konzentrieren uns auf das Frühstücks- und Abendgeschäft“, so Arendt. „Ich helfe schön länger mit im Housekeeping, in der Küche, Spüle und im Service – gut, dass man das gelernt hat und wie das Radfahren nicht mehr verlernt“, sagt der Chef.

Er sei immer wieder über die fehlende Einstellung zur Arbeit entsetzt, wenn er Stellen besetzen will. „Frust kommt auch auf, wenn Vorstellungstermine nicht wahrgenommen werden – ja nicht mal abgesagt werden. Das ist schlichtweg fehlende Kinderstube!“ Mit dem Problem, Fachkräfte zu finden, kämpft auch Thomas Gaier, Chef von Schloss Eckberg. Fünf offene Stellen gibt es bei ihm. Er sucht im Service und in der Küche. Er muss regelmäßig mit anpacken, um die Arbeit zu schaffen. Es gibt auch ganz direkte Auswirkungen auf seinen Umsatz. „Wir müssen zum Teil Gästen, die reservieren wollen, absagen, weil wir kein Personal haben“, so Gaier.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sieht zwei hauptsächliche Ursachen für das Nachwuchsproblem. Zum einen die Bezahlung. „Der tarifliche Stundenlohn in der untersten Tarifgruppe beträgt in Sachsen 9,08 Euro brutto“, so Sprecherin Karin Vladimirov. Eine Fachkraft bekäme also monatlich 1669 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche.

Auch die Arbeitszeiten seien ein Problem. Angehende Köche sowie Hotel- und Restaurantfachleute müssten deutlich häufiger Überstunden als Azubis in anderen Berufen leisten. Diese würden seltener mit Freizeit oder Bezahlung ausgeglichen. 42 Prozent der Azubis arbeiten mehr als 40 Stunden pro Woche, so die NGG.

 

Von Julia Vollmer

Foto: © Sven Ellger

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