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Wie ein Betrieb in Chemnitz einen Millionenauftrag aus der Ukraine abarbeitet

Im Chemnitzer Traditionsbetrieb Niles-Simmons-Hegenscheidt ist eine Maschine im Wert von 2,7 Millionen Euro fast fertig. Das Antonov-Flugzeugwerk in der Ukraine hat sie bestellt. Und nun?

Lesedauer: 3 Minuten

Diese Werkzeugmaschine von NSH aus Chemnitz kostet rund 2,7 Millionen Euro. Die Sachsen wollen sie im Herbst in die Ukraine schicken.
Diese Werkzeugmaschine von NSH aus Chemnitz kostet rund 2,7 Millionen Euro. Die Sachsen wollen sie im Herbst in die Ukraine schicken.

Von Georg Moeritz

Chemnitz. Aufträge bis Mitte nächsten Jahres hat das Chemnitzer Traditionsunternehmen NSH Niles-Simmons-Hegenscheidt. Ein „volles Haus“ ist diese Werkzeugmaschinenfabrik mit ihren 330 Beschäftigten, sagt der 88-jährige geschäftsführende Gesellschafter Hans J. Naumann. Doch in einer Halle stehen zwei gewaltige Maschinen in Stahlblau und Grau, die ein Kunde aus der Ukraine bestellt hat. Es ist ein großer Kunde, aber die Auslieferung wird nicht ablaufen wie üblich.

Rund 2,7 Millionen Euro kostet ein Fräsbearbeitungszentrum N50MC. Fünfachsig kann die Maschine Metall bearbeiten, also von allen Seiten und mit Drehvarianten. Die Chemnitzer bauen sie für das Antonov-Flugzeugwerk in der Ukraine, nordöstlich von Kiew. NSH-Geschäftsführer Klaus Kräher sagt, Antonov wolle mit dieser Maschine Landebeine herstellen – Beine für Flugzeuge, die eine große Last tragen müssen. Einige Antonov-Flugzeuge sind seit Februar vorigen Jahres am Flughafen Leipzig/Halle geparkt, als der EU-Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt wurde.

Ende 2021 hat die Flugzeugfabrik Antonov die Werkzeugmaschine bei den Sachsen in Auftrag gegeben. NSH in Chemnitz begann mit der Herstellung. Nach Kriegsbeginn in der Ukraine habe es „zunächst einen Stopp gegeben“, sagt Geschäftsführer Kräher. Doch der Kunde sei „fest entschlossen“, an dem Geschäft festzuhalten. Im Oktober soll die N50MC für Antonov die sächsische Halle verlassen.

Ukrainer sollen zur Schulung ins Werk Chemnitz kommen

Kräher sagt, er könne es nicht verantworten, NSH-Mitarbeiter wie früher üblich zum Aufbau der Maschine in die Ukraine zu schicken. Also müssten Ukrainer nach Chemnitz ins Werk kommen und sich an dem Fräsbearbeitungszentrum schulen lassen. Derzeit arbeitet unter anderen der Mechatroniker Nazhmiddin Bahkridinov an dem Exportprodukt – ein Mann aus Tadschikistan, der bei NSH seine Ausbildung machte und häufig zur Montage in Polen und Tschechien eingesetzt wird. Falls es gar nach Kasachstan geht, nimmt er anschließend schon mal eine Woche Urlaub, um seine Familie zu besuchen.

Der Mechatroniker Nazhmiddin Bahkridinov stammt aus Tadschikistan, lebt im Erzgebirge und arbeitet bei NSH in Chemnitz an der Maschine für die Ukraine.

Muss sich NSH keine Sorgen wegen der Bezahlung der millionenschweren Maschine machen? Geschäftsführer Kräher sagt, das Außenhandelsgeschäft sei „über ein normales Akkreditiv“ abgesichert. Das ist ein Zahlungsversprechen, in diesem Fall über die Commerzbank und die ukrainische Staatsbank als Partner. Kräher sagt, eine Pleite der Staatsbank könne er sich nicht vorstellen – „bei all dem Geld, das gerade in die Ukraine fließt“.

NSH wolle sich später weiter um die Wartung der Maschine kümmern. Die Technik ermögliche auch den „Fernzugriff“ aus der Fabrik. Die NSH Technology GmbH erwirtschaftet 70 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Russland war früher NSH-Kunde im Eisenbahnsektor – Chemnitzer Maschinen bringen auch Eisenbahnräder in Form, ebenso wie Getriebeteile und Smartphone-Gehäuse. Einige Holzkisten mit Produkten für Russland stehen laut Kräher noch im Betrieb: „Wir konnten sie nicht mehr ausliefern.“ Das Geschäft mit China habe ebenfalls an Bedeutung verloren, früher sei er häufig hingeflogen.

Neue Aufträge dank Wasserstoff-Technologie

Für dieses Jahr erwartet der Geschäftsführer rund 85 Millionen Euro Firmenumsatz, im nächsten Jahr noch einmal fünf Millionen mehr. Zur NSH Technology gehört auch ein Werk in Döbeln, das mit 50 Mitarbeitern Werkzeugmaschinen der Marke Rasoma herstellt. In Glauchau stellen 80 Beschäftigte Rundschleifmaschinen her. Die ganze NSH-Gruppe setzt mit 1.400 Beschäftigten fast 450 Millionen Euro um, dazu gehören auch Standorte in den USA und in China. Gerade arbeiten die Chemnitzer für einen Kunden in den USA an der größten Maschine, die sie je gebaut haben – die Produktion dauert acht Monate.

Der Chemnitzer Werkzeugmaschinenbauer spürt laut Kräher wie andere Betriebe die großen Umstellungen Digitalisierung und Dekarbonisierung. Früher hatten 30 bis 40 Prozent der Aufträge mit Verbrennungsmaschinen zu tun, nun weniger als zehn Prozent. Da sei es beruhigend, Aufträge für neue Technologien zu bekommen, etwa für die Speicherung Erneuerbarer Energien.

„Es lässt einen ruhiger schlafen, wenn man weiß, es geht weiter“, sagt Kräher. NSH stellt beispielsweise Maschinen für die Linamar Antriebstechnik her, die damit Ringe für Elektrolyseure herstellen wird. Die sollen wiederum beim sächsischen Wasserstoffspezialisten Sunfire zum Einsatz kommen. „Dieser Markt wird sich entwickeln“, sagt der Chemnitzer Geschäftsführer.

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