Von Irmela Hennig
Vor dramatischem Wassermangel in der Spree hat das Umweltbundesamt (UBA) kürzlich gewarnt. Neu ist das nicht. Denn mit dem Aus der Braunkohleförderung endet, wird irgendwann auch kein Grundwasser aus den Gruben in den eigentlich wasserarmen Fluss geleitet. Das könnte vor allem Berlins Wasserversorgung gefährden. Warum auch Sachsen beim Thema gefragt ist, das besprach die SZ mit Umweltminister Wolfram Günther.
Herr Günther, das UBA hat sich in der Studie vor allem auf die künftige Wasserversorgung von Berlin konzentriert. Können Sie sich in Sachsen da nicht entspannt zurücklehnen?
Das können wir nicht. Als Oberlieger von Flüssen, die nach Brandenburg und Berlin fließen, haben wir eine große Verantwortung, nicht zuletzt für die Wasserversorgung in Berlin. In den Dürrejahren seit 2018 gab es die Situation, dass die Spree fast kein Wasser mehr geführt hat. Hier überlagern sich mehrere Ursachen: Der Bergbau hat den Wasserhaushalt in der Lausitz schwerst geschädigt. Jetzt sorgt die Klimakrise für steigende Temperaturen in der ohnehin schon niederschlagsarmen Lausitz. Dadurch verdunstet mehr. Pro Grad mehr etwa sieben Prozent. Dadurch sinken die Grundwasserstände und das Wasserangebot geht zurück.
Wir haben also auch in Sachsen generell weniger Wasser zur Verfügung?
Ja, aber das heißt nicht unbedingt, dass es in der Summe weniger Niederschläge gibt. Stattdessen gibt es lange Phasen mit sehr wenig Niederschlag und dann wieder mit sehr viel, häufig lokal begrenzt. Extremwetterereignisse nehmen zu.
Die Leag als Noch-Bergbauunternehmen in der Lausitz will zukünftig unter anderem Wasserstoff erzeugen. Ist das mit Blick auf die angespannte Wassersituation überhaupt noch denkbar?
Grüner Wasserstoff ist ein zentraler Pfeiler der Energiewende. Wir brauchen grünen Wasserstoff, weil wir wollen, dass die Lausitz Energie- und Industriestandort bleibt. Und in dem Umfang, wie etwa die Leag das derzeit plant, ist das auch machbar. Wie sich die Wasserbedarfe der Industrie künftig entwickeln, nicht nur für Wasserstoff, das wissen wir noch nicht. Wir gehen von insgesamt steigenden Wasserbedarfen aus.

Ein Vorschlag des UBA ist ja, die Tagebauseen komplett als Speicher zu nutzen. Dafür sind viele nicht ausgelegt. Man müsste sie anpassen, so dass sie niedrigere Wasserstände verkraften als jetzt. Ist das realistisch?
Wenn es wärmer wird und Niederschläge unregelmäßiger fallen, heißt das: Wir müssen Niederschläge für Trockenzeiten speichern. In einigen Tagebaufolgeseen geht das, andere sind dafür derzeit nicht ausgerichtet. Wieder andere werden gerade ertüchtigt. Daran arbeiten wir, übrigens mit Brandenburg zusammen. Da geht es um Fragen, wie man Böschungen stabilisiert, aber auch, wie schwankende Wasserstände und touristische Nutzung zusammenpassen. Wichtig ist: Wir brauchen systemische Lösungen.
Welche meinen Sie?
Wir müssen insgesamt mehr Wasserrückhalt in der Fläche erreichen und das mit sehr vielen Maßnahmen an sehr vielen Orten. Zum Beispiel indem wir Moore wiedervernässen. Oder indem wir Wälder umbauen, weil intakte Mischwälder mehr Wasser speichern als Fichten-Monokulturen. Wir müssen das Schwammverhalten der Landschaft ausbauen, für Trockenzeiten wie für Starkregenzeiten. Dafür renaturieren wir Flüsse und Flussauen.
An der Spree, aber auch an der Elbe haben wir Altarme wieder angebunden, damit das Wasser mehr Raum bekommt, länger in der Fläche bleibt und die Landschaft als Schwamm fungieren kann. Daneben müssen wir auch unsere Talsperren für die Klimakrise härten. Für den Spreewald gibt es die Überlegung, wenn nicht genug Wasser da ist, aus dem Fließgewässer zeitweise ein Standgewässer zu machen. Berlin muss sich möglicherweise zusätzliche Wasserquellen erschließen. Und wir müssen die Verdunstung reduzieren, zum Beispiel, indem wir Ufer bepflanzen, statt sie baumfrei zu halten. So etwas haben wir jüngst an der Pleiße südlich von Leipzig gemacht. Wichtig ist: Diese vielen Maßnahmen bringen einen mehrfachen Nutzen. Sie helfen der Artenvielfalt, sie verbessern die Gewässerqualität, sie erhöhen die Aufenthaltsqualität.
Sind schwimmende Photovoltaik-Anlagen auf Tagebauseen, sie reduzieren Verdunstung, eine kleine Teil-Lösung?
Auch das. Das treiben wir von Sachsen aus auf der Bundesebene voran.
Das UBA schlägt auch vor, Wasser zu sparen. Sehen sie da Chancen, angesichts des wohl wachsenden Bedarfs aus der Wirtschaft?
Wir wollen und müssen der Wirtschaft Wasser zur Verfügung stellen. Aber wir brauchen einen effizienten Wassereinsatz. Wir müssen, wo es möglich ist, Brauchwasser nutzen. Wir schauen gerade, wo die Wasserinfrastruktur ausgebaut werden muss, weil die Industrie Wasser braucht. An anderen Stellen haben wir zu große Abwasserleitungen, die mit Trinkwasser durchgespült werden müssen. Auch da brauchen wir Lösungen. Wir müssen Wasser im Nutzungskreislauf halten, mehr Regenwasser nutzen und vor allem müssen wir dafür sorgen, dass genug Wasser für die Grundwasserneubildung bereitsteht.
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Vor allem Überleiter von Elbe und Lausitzer Neiße zur Spree-Stützung – auch Empfehlungen des UBA – haben für Kritik gesorgt. Wie sehen Sie das?
Der Vorschlag ist nicht neu. Er ist eine von mehreren Optionen, die jetzt zu prüfen sind. Ein sehr großflächiges, systemisches Problem mit einem einzelnen technischen Bauwerk lösen zu wollen, klingt erst mal nicht sehr nachhaltig und berücksichtigt nicht, wie komplex die Lage ist. Das Schwammverhalten der Landschaft hat in dem Vorschlag nicht den Stellenwert, den es haben müsste. Es fehlen Analysen zur Verhältnismäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Zudem besteht ein Wasserdefizit auch in dem Einzugsgebiet, aus dem das Wasser kommen soll. Die Elbe ist ein Niedrigwasserfluss, die Zeiten mit extrem niedrigen Pegelständen nehmen dort zu. Wir müssen auch auf die Elbe-Anrainer schauen.
Wen konkret meinen Sie?
Dresden ist der wichtigste europäische Standort in der Mikrochip-Produktion, und es wird Neuansiedlungen geben. Da brauchen wir mehr und nicht weniger Wasser. Außerdem muss man die Folgen für den Tourismus bedenken. Auch beim Neiße-Überleiter gibt es viele offene Fragen. Direkt an der Neiße bei Zittau liegt mit dem polnischen Tagebau Turów eine der größten aktiven Braunkohlegruben Europas. Es gibt noch keinen bekannten Plan, wie dieses riesige Loch einmal genutzt werden soll. Möglicherweise braucht es da Wasser in Größenordnungen aus der Neiße. Grundsätzlich sind Überleiter nichts Neues. Wir nutzen sie, beispielsweise um Talsperren miteinander zu verbinden oder um unsere Großstädte mit Fernwasser zu versorgen. Wir werden die vorgeschlagenen Überleiter-Projekte darum prüfen, aber auf Basis aktueller Zahlen und Klimaprognosen.
Sie hatten angekündigt, bis 2027 Lösungen für das Wasserproblem vorzuschlagen. Zusammen mit dem Bund und Brandenburg. Ist das zu schaffen?
Wir arbeiten bereits an Lösungen. Nach der Sommerpause werden wir unsere Wasserstrategie ins sächsische Kabinett bringen. Und bis 2027 erstellen wir gemeinsam mit Brandenburg und dem Bund ein großflächiges Grundwassermodell für die Lausitz. Das gibt es bisher noch nicht. Denn bis vor Kurzem war man überzeugt, dass noch auf Jahrzehnte Kohle aus der Lausitz kommt und entsprechend viel Sümpfungswasser zur Verfügung steht, das Wasser also, das aus den Kohlegruben abgepumpt werden muss. Dann kamen die Dürrejahre seit 2018 und inzwischen ist klar, dass die Kohleförderung sehr weit vor 2038 unwirtschaftlich wird.
Lässt sich das Umsteuern denn so beschleunigen?
Wir sind dran. Das Ende der Kohlenutzung ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Ende aller Bergbauarbeiten. Auch wenn keine Kohle mehr gefördert wird, wird zunächst weiter Grundwasser abgeleitet. Die Sanierung der Tagebaue ist eine Generationenaufgabe und wird noch sehr lange dauern. Und die Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushalts, der durch den Bergbau schwerst gestört wurde, wird circa 100 Jahre dauern.