Von Luisa Zenker
Dresden. Wer in Richtung Dresdner Elbepark fährt, sieht schon von weitem die weißen Industriehallen nahe der Flügelwegbrücke. Der Name „Siemens Energy“ leuchtet olivgrün in jede Richtung und nimmt Aufträge aus aller Welt entgegen. Denn in dem Werk werden Transformatoren produziert, die so gefragt sind, wie lange nicht.
Dabei stand es 2019 nicht gut um das Werk im Dresdner Westen: In dem Jahr strich das Transformatorenwerk 70 der insgesamt 260 Arbeitsplätze. Grund dafür waren Sparprogramme. Im Transformatorengeschäft kämpfte Siemens mit Überkapazitäten und dem Kosten- und Preisdruck durch die harte Konkurrenz in China. Doch das scheint Geschichte: Nun sucht das Werk 15 bis 20 weitere Fachkräfte. Die Beschäftigtenzahl ist wieder auf 250 Fachkräfte angewachsen. Auch die Auftragslage ist mit einer Höhe von 250 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre gesichert. Grund für diesen Aufschwung ist neben der Digitalisierung und Automatisierung das zunehmend dezentrale Energienetz.
Radikale Änderung des Stromnetzes
Denn jahrelang war das Stromnetz in Deutschland über wenige große Kraftwerke organisiert. Die Energie schoss von den Kohle- und Atomkraftwerken mit hoher Spannung über Stromtrassen zu den Städten und Industriehallen. Zentrale Umspannwerke wandeln noch immer die Hoch-Spannung um, dafür brauchen sie Transformatoren, die auf dem Dresdner Werksgelände seit mehr als 100 Jahren hergestellt werden. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien ist das Netz jedoch kleinteiliger geworden. Die Stromproduktion entsteht nicht mehr an einzelnen zentralen Standorten, sondern an vielen Orten durch Wind, Sonne und Biogas.
Mehr Transformatoren sind nun notwendig. Hinzukommt, dass der Strom weitere Wege zurücklegen muss: von den Windparks in der Nordsee bis nach Bayern ins Stahlwerk. Um hier so wenig wie möglich Energie zu verlieren, wird der Strom mit hoher Spannung über die Leitungen geschickt, wie eine gut befahrene Autobahn. An den Ausfahrten aber muss die Spannung reduziert werden, um mit der richtigen Voltzahl in der Steckdose anzukommen. Und hier setzen die in Dresden produzierten Anlagen an.
Allein im dortigen Werk werden jährlich 120 Transformatoren gebaut, fast jedes Teil ist ein Einzelstück und braucht rund sechs Monate bis zur Fertigstellung. Zwischen 60 und 280 Tonnen sind die Maschinen schwer und erreichen bis zu 330 Megavolt. 70 Prozent der Transformatoren werden in Europa verbaut, der Rest wird nach Mittelasien, Afrika oder Nordamerika geliefert.

Doch auch in der Nähe Dresdens werden sie gebraucht, etwa im Stahlwerk Feralpi in Riesa, das sich zum Ziel gesetzt hat, Stahl emissionsarm herzustellen. Um den dafür notwendigen grünen Strom umzuwandeln, liefert Siemens Energy sechs Transformatoren. Auch südlich von Leipzig finden sich die Maschinen aus der Landeshauptstadt. Der auf dem ehemaligen Braunkohletagebau entstanden Solarpark erhielt zwei Transformatoren, um den Solarstrom ins Netz einzuspeisen
Geht es nach Siemens Energy, werden dadurch zahlreiche Tonnen klimaschädliches Kohlenstoffdioxid eingespart. „Die globalen Kohlenstoffdioxid-Emissionen werden höchstwahrscheinlich vor 2025 zu 1,5 Grad Überschreitung führen“, stellt Werkleiter Stephan Jorra dennoch klar und bezieht sich auf den zuletzt veröffentlichten Bericht des Weltklimarats. „Es ist Zeit zu handeln.“
Doch nicht nur durch die Transformatoren will das Unternehmen die Emissionen senken, auch bei der eigenen Produktion plant das Werk, bis 2030 klimaneutral zu werden. Ein weiter Weg, wenn man bedenkt, dass es in Dresden jährlich 900 Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Luft entlässt. Zum Vergleich: Um eine Tonne Kohlenstoffdioxid aufzunehmen, muss eine Buche ungefähr 80 Jahre wachsen. Doch das Unternehmen blickt hoffnungsvoll in die Zukunft, mittels moderner Trockenöfen möchte man die Emissionen um weitere 24 Prozent senken.

Die Konkurrenz mit China sorgt Jorra nicht mehr, und auch von den Lieferengpässen durch den russischen Krieg gegen die Ukraine sei man nur indirekt betroffen, sagt er. Ein von den Sachsen mit aufgebautes Transformatorenwerk an der russisch-ukrainischen Grenze habe man aber schließen müssen.
Kritik an Dresdner Flügelwegbrücke
Befürchtungen hat der Werkleiter vielmehr am Standort Dresden. „Wir sind wie auf einer Insel“, erklärt Jorra und beschreibt damit die Logistiksituation des Unternehmens. Um die tonnenschweren Transformatoren zu verladen, müssen man entweder die Flügelwegbrücke oder die Flutrinne nutzen. Erstere sei aber sanierungsbedürftig. Laut letztem Brückenprüfbericht ist das Bauwerk nur in einem „befriedigenden Zustand“. Demnach sind Stand- und Verkehrssicherheit zwar gegeben, allerdings nicht die Sicherheit sämtlicher Bauteilgruppen. Wegen der Brücken ist das Dresdner Siemenswerk zudem in der Größe der Transformatoren beschränkt.
Zum derzeitigen Umsatz will sich der Chef nicht äußern. Der weltweit agierende Konzern Siemens Energy schrieb im vergangenen Jahr rote Zahlen, der Nettoverlust stieg auf 647 Millionen Euro, auch wegen der spanischen Windkraft-Tochter Siemens Gamesa und des Rückzugs der Produktion aus Russland. Die größten Transformatorenwerke der Siemens-Gruppe befinden sich in Nürnberg und dem österreichischen Weiz.