Dominique Clemen steht vor einer Fensterscheibe. Durch die haben der Werksleiter und jeder Besucher einen guten Blick in eine noch ziemlich leere Fertigungshalle. Neun Spritzgussautomaten stehen hier. Sie fertigen aus pulverförmigen Kunststoff verschiedene Plasteteile. Dazwischen laufen einige Mitarbeiter. Bekleidet sind sie mit Helmen, Mundmasken und Schutzanzügen. „Wir arbeiten unter Reinraumbedingungen“, erklärt Werksleiter Clemen. Eine aufwendige Technik, die sich in der obersten Etage der Halle befindet, sorgt dafür. Sie hält die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und den Druck konstant.
Futuristischer Neubau: Der Baukörper der neuen Fabrik im Gewerbegebiet Hühndorfer Höhe ist 143 Meter lang, 62 Meter breit und zwischen acht und 14 Metern hoch.
Die Fertigungshalle ist der Kern einer der modernsten Fabriken Deutschlands. Diese steht im Wilsdruffer Gewerbegebiet Hühndorfer Höhe und gehört zum hessischen Pharma- und Medizinbedarfs-Konzern B. Braun Melsungen. Der hat hier mehr als 100 Millionen Euro investiert und die Fabrik nach zweihalb Jahren Bauzeit am Dienstag offiziell in Betrieb genommen. Zur Eröffnung konnte Werksleiter Clemen den Aufsichtsratsvorsitzender Ludwig Georg Braun, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (beide CDU) begrüßen. Die beiden Politiker lobten das Engagement des Familienbetriebes. „Diese Investition ist ein klares Bekenntnis für den Standort Deutschland, für Sachsen und Wilsdruff“, so Spahn. B. Braun leiste einen wichtigen Beitrag zur qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung nierenkranker Menschen. Kretschmar lobte, dass hier 140 neue Arbeitsplätze entstanden sind.
Rundgang mit Minister: Markus Strotmann (li.), Vorstand der Sparte B. Braun Avitum, führte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) durch die neue Dialysatorenfabrik.
In dem neuen Wilsdruffer Werk werden Dialysatoren hergestellt. Diese sind das Herzstück von Dialyseapparaten. An diese müssen sich regelmäßig rund 100 000 nierenkranke Deutsche anschließen. Das sind vor allem ältere Menschen, die an Diabetes und Bluthockdruck leiden. Mit den Apparaten unterziehen sie sich drei- bis viermal in der Woche einer Blutwäsche. In den Dialysatoren, die etwa 25 Zentimeter lang sind, werden dem Blut Schadstoffe entzogen. Das ist eine Funktion, die die Nieren der Patienten nicht mehr vollständig erfüllen können.
Mit zunehmendem Wohlstand steigt auch die Zahl der Nierenkranken, und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Deshalb nimmt auch die Nachfrage nach diesen Patronen kontinuierlich zu. Jeder Dialysepatient benötigt im Jahr rund 150 Dialysatoren. Um diesen Bedarf auch in der Zukunft decken zu können, hat B. Braun das Werk in Wilsdruff errichtet. Nach Unternehmensangaben handelt es sich um Europas modernstes Dialysatorenwerk. Pro Sekunde geht hier ein Dialysator vom Band. „Eine solche Patrone verlängert das Leben eines Nierenkranken im Schnitt um drei Tage“, erklärt Werksleiter Clemen.
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Obwohl die offizielle Eröffnung erst am Dienstag erfolgte, läuft die Produktion bereits seit dem Frühjahr, erklärte Vorstandsmitglied Markus Strotmann. Inzwischen habe sich die Belegschaft gut eingearbeitet. Viele der Mitarbeiter sind Mechatroniker, Kunststoffverfahrenstechnologen und Industriemechaniker. Diese haben zuvor in der Halbleiter- und Solarindustrie gearbeitet und wurden in den beiden anderen sächsischen Werken des Konzerns eingearbeitet. Denn nach der Übernahme einer Produktionsstätte in Radeberg und eines Zulieferers in Berggießhübel ist B. Braun seit 2004 im Freistaat Sachsen aktiv. Anders als an diesen beiden Standorten produzieren die Nordhessen in Wilsdruff alle Teile der Dialysatoren selbst. Und unter einem Dach. Das sei das Besondere an dieser Fabrik, sagt Strotmann. „Hier steckt sehr viel Computertechnologie drin“, sagt er. Aber auch sehr viel Know-how. Um sich vor Industriespionage zu schützen, gilt für die Montage und die Fertigung der Kapillare ein Film- und Fotografierverbot.
Patrone mit megadünne Kapillaren: Die Dialysatoren sind etwa 25 Zentimeter lang. Im Inneren befinden sich 200 Mikrometer dicke Kapillare mit einer Gesamtlänge von drei Kilometern.
Im Wilsdruffer Werk sollen laut Plan jährlich 13 Millionen Dialysatoren hergestellt werden. In der 143 mal 62 Meter große Produktionshalle ist noch Platz für weitere Maschinen, sagt Clemen.
Wilsdruffs Bürgermeister Ralf Rother (CDU) wünscht sich, dass sich die noch freien Flächen in der Halle bald füllen. Denn die Stadt hat vorgesorgt. Gleich nebenan gibt es noch Erweiterungsflächen.
von Maik Brückner
Bildquelle: Andreas Weihs, PR