Nora Miethke und Florian Reinke
Dresden. Sachsens neuer Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) will mehr Rüstungsfirmen in den Freistaat holen. Er werde sich „vehement dafür einsetzen, dass wir Investitionen in die Rüstung auch nach Sachsen holen. In die Industrie, in den Mittelstand und auch in Start-ups“, sagte er am Mittwoch in seiner ersten Fachregierungserklärung im Dresdner Landtag.
Es würden dreistellige Milliardenbeträge in die Sicherheit fließen werden. „Sollen diese Gelder wirklich alle in den anderen Bundesländern investiert werden? Wollen wir das?“, fragte der Sozialdemokrat. Ihm ist bewusst, dass viele Menschen in Sachsen Rüstung kritisch sehen. „Ich erinnere an die Reflexe, als der Rüstungskonzern Rheinmetall darüber nachdachte, eine Fabrik in Großenhain zu errichten“, erklärte Panter.
Vereinzelt Kritik aus der Opposition
In Mecklenburg-Vorpommern hätte eine ähnliche Debatte einen anderen Ausgang gehabt. „Das Überleben der Werft in Wolgast war davon abhängig, ob man U-Boote oder andere Militärschiffe baut – und das passiert jetzt“, sagte Panter. Im Unterschied zu Sachsen, wo die Wirtschaft 2024 schrumpfte, konnte die Wirtschaftsleistung an der Ostsee leicht wachsen, dank der Aufträge aus der Rüstungsindustrie.
Panter bezeichnete es als einen „Segen”, dass der Rüstungskonzern KNDS den Standort des Schienenfahrzeugherstellers Alstom in Görlitz übernimmt. Damit würden gut bezahlte Industriearbeitsplätze erhalten bleiben.
Sollen diese Gelder wirklich alle in den anderen Bundesländern investiert werden? Wollen wir das? – Dirk Panter (SPD), sächsischer Wirtschaftsminister
Aus der Opposition gab es vereinzelt Kritik. „Wir halten ihr Plädoyer für die Rüstungsindustrie für befremdlich“, sagte der BSW-Landtagsabgeordnete Ralf Böhme.
Neuansiedlungen wie auch Rüstungsaufträge
Im Fokus stehen Neuansiedlungen, aber gleichwertig auch Aufträge für bestehende Firmen, hieß es auf Nachfrage im Wirtschaftsministerium. Die Staatsregierung ist bereits ins Gespräch mit Unternehmen getreten, die Aufträge auch nach Sachsen bringen oder sich hier ansiedeln könnten. Weitere Details wurden nicht genannt.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden begrüßt die Ankündigung des Ministers „ausdrücklich“. „Es ist ein richtiges Zeichen zur richtigen Zeit, allein schon, weil jetzt die Weichen hinsichtlich der Verteilung der Sondermittel des Bundes in Milliardenhöhe gestellt werden“, sagt IHK-Dresden-Präsident Andreas Sperl.
Moderne Rüstungsindustrie ist mehr als reine Waffenproduktion. Häufig geht es um sogenannte Dual Use Produkte und Technologien, die sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden können – wie Drohnen, Fahrzeug- und Flugzeugtechnik oder Mikrochips. Laut der IHK Dresden sehen sächsische Unternehmen aus der Informations- und Kommunikationstechnologie Chancen darin, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Lösung für das VW-Problem in Zwickau?
Mit dem Wechsel in die Militärsparte könnten hochwertige Industriearbeitsplätze gesichert werden, wie das Beispiel Alstom zeige. „Eventuell kann dies auch eine Blaupause für den Automotivbereich etwa in Südwestsachsen sein“, erklärte Sperl.
Volkswagen will ab 2027 die Produktion der elektrischen ID-Fahrzeuge vom Werk in Zwickau nach Wolfsburg und Emden verlagern. Laut einem Artikel der „Wirtschaftswoche“ soll angeblich der Rüstungskonzern KNDS auch ein Auge auf die VW-Fabriken in Zwickau und Salzgitter geworfen haben.
Hoch qualifizierte Fachkräfte aus der Automobil- und Stahlindustrie könnten schnell für die Rüstungsindustrie qualifiziert werden, betont der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Lehmann. Es sei gut, wenn ein prominentes Mitglied der Landesregierung wie Panter das Potenzial der Wehrtechnik für den Freistaat entdeckt, sagte der Leipziger, der Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestags ist.
Leipziger Flughafen bringt sich in Stellung
Laut Lehmann sind derzeit 90 Prozent der Sicherheitsindustrie der Bundesrepublik in West- und Süddeutschland angesiedelt. Seine Forderung: „Sachsen und Mitteldeutschland dürfen hier nicht dauerhaft ins Hintertreffen geraten.“
In den Blick gerät auch der Flughafen Leipzig/Halle. „Wir bieten viele Potenziale: von Flächen bis hin zu logistischem Knowhow“, verlautet aus Airportkreisen. Ob auch die Ansiedlung von Produktionsfirmen aus dem Militärsektor denkbar ist, blieb offen. Bekannt ist, dass der Flughafen ein mehr als 100 Hektar großes Industriegebiet entwickeln möchte. In der Liste der potenziellen Branchen taucht unter anderem die „Luft- und Raumfahrt“ auf.
Ebenfalls auf dem Flughafengelände entsteht derzeit das neue Flugzeugwerk der Deutschen Aircraft. Denkbar ist, dass die dort produzierte D328eco auch beim Militär zum Einsatz kommt. Den Vorgänger Dornier 328 nutzt die US Air Force in einer modifizierten Version bereits für Spezialoperationen und den flexiblen Transport von Personal sowie Material.
SZ