Monika Wehner verabschiedet sich nach 62 Berufsjahren aus dem Geschäftsleben. Es ist das Ende einer Ära.
Das ist nicht zu glauben! 62 Berufsjahre! Monika Wehner lacht. Wer würde dieser Frau auch ansehen, dass sie schon 76 ist, so wie sie da vor einem steht: sportlich, quirlig, voller Energie. Knallroter Blazer, lässiger Kurzhaarschnitt, schicke Ohrringe, dezente Schminke.
Monika Wehner ist so etwas wie eine Institution in Zittaus Geschäftswelt. Ihr Name hat Klang. Ihr Modehaus ist DAS Modehaus schlechthin in der Stadt. Monika Wehner streicht mit der Hand über den schönen Stoff einer Bluse: Den Namen, sagt sie, den habe sie sich hart erarbeitet. Auch gegen viele Widerstände.
Aber jetzt ist Schluss. Nach 62 Berufsjahren hört Monika Wehner auf. Sie wird das traditionsreiche Geschäft in der Reichenberger Straße schließen. Es gibt niemanden, der es weiterführen will. Auch ihre Tochter nicht, die selbst zwei Modeläden in Kamenz betreibt. Kamenz ist Monika Wehners Heimatstadt. Hier hat sie Ende der 1950-er Jahre das Schneiderhandwerk von der Pike auf gelernt. Sie ist ausgebildete Herren- und Damenmaßschneiderin und Schneidermeisterin. Im Juni 1980 hat sie in Kamenz ihre erste kleine Schneiderwerkstadt eröffnet. "Was das für ein Kampf war zu DDR-Zeiten, überhaupt eine Gewerbegenehmigung zu bekommen", sagt sie und schüttelt den Kopf, als würde sie immer noch darüber staunen, wie sie das geschafft hat.
"Ich war der glücklichste Mensch der Welt in meiner kleinen Werkstatt unterm Dach", erzählt sie. "Ich hatte meinen Traumberuf und volle Auftragsbücher". 1987 kommt Monika Wehner nach Zittau. Der Liebe wegen. Sie fragt im Rathaus, ob Bedarf an einer Schneidermeisterin bestehe. Keine zwei Wochen später steht sie in ihren neuen Zittauer Geschäftsräumen am unteren Ende der Reichenberger Straße. Sie stellt vier Maßschneiderinnen ein und schafft es sogar, für die Brautkleider, die sie näht, echte Plauener Spitze zu besorgen. "Das war auch nicht einfach zu DDR-Zeiten", erzählt sie schmunzelnd.
Mit der Wende eröffnen sich auch für Monika Wehner ganz neue Möglichkeiten. Schon im April 1990 eröffnet sie ihr erstes Modehaus mit einem Sortiment für gehobene Ansprüche. An den Ansprüchen hält sie ihr ganzes Geschäftsleben lang fest: an namhaften Marken, hochwertigen Stoffen, erstklassiger Verarbeitung. Sie weiß genau, wo sie hinsehen muss, um zu erkennen, ob ein Kleid seinen Preis Wert ist. Kein Vertreter konnte ihr je etwas vormachen.
Monika Wehner hat 20 Lehrlinge zu Maßschneidern und Einzelhandelskaufleuten ausgebildet. Sie fährt zu den großen internationalen Modemessen nach Köln und Düsseldorf. Neben zwei Standorten in der Reichenberger Straße eröffnet sie ihr Modehaus am Markt, beste Lage, zwei Etagen, über 350 Quadratmeter Verkaufsfläche. Sie initiiert Modenschauen und Hochzeitsmessen im Hörnitzer Schlosshotel und im Zittauer Rathaus. "Es war eine schöne Zeit", sagt sie. "Oft turbulent und manchmal auch schwer". Nur ein bisschen klingt da Wehmut mit. "Ich habe meinen Beruf ja auch geliebt", sagt sie fast entschuldigend. Aber jetzt freut sie sich darauf, ihr Zuhause genießen zu können und mehr Zeit für Sport und Bewegung zu haben. "Und ich muss mich auch endlich mal um meine Blumen kümmern", schmunzelt sie. Rentnerleben? Das Wort will Monika Wehner lieber nicht hören.
Sie hat ein Schild vor die Tür ihres Geschäfts an der Reichenberger Straße gestellt. "50 Prozent auf alles". Ab sofort beginnt bei ihr der Schlussverkauf. Zuerst die Winter-, dann die Sommerware. Bis zum 30. Juni sollen alle Bestände verkauft sein. An dem Tag schließt sie endgültig. In Zittau wird dann auch eine Ära enden.
Von Jana Ulbrich
Foto: Rafael Sampedro