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210.000 Klicks auf ein Video: Das ist Dresdens Instagram-Bäckerei

350.000 Menschen erreicht der Dresdner Bäcker René Krause über seinen vor wenigen Monaten gestarteten Instagram-Kanal. Wie ihm das gelungen ist.

Lesedauer: 5 Minuten

Man sieht Dresdner Bäckermeister Juan Rüdrich und René Krause
Björn Buhle (v. r.) filmt die beiden Dresdner Bäckermeister Juan Rüdrich und René Krause. © Sven Ellger

Von Dirk Hein

Dresden. Es sind beeindruckende Zahlen, die Bäckermeister René Krause fast schon nebenbei erwähnt: 55.000 Brötchen verlassen jeden Tag seine Backstube, zwölf eigene Fachgeschäfte werden beliefert. Jedes einzelnes Brot und Brötchen, darauf legt der 47-Jährige Wert, wird dabei in handwerklicher Qualität hergestellt: „so wie ich es von meinem Vater und der von seinem gelernt hat“, sagt er. Das klingt nach Tradition – aber der Bäcker überrascht. Denn zeitgleich ist er auf Instagram aktiv – und erreichte dort mit seinem Account bereits etwa 350.000 Menschen.

Dresdner Bäcker startete in Berlin „Pop-up-Stores“

120 Mitarbeiter beschäftigt die Bäckerei. Gerade aktuell ist Krause, gelernter Bäckermeister, Konditor und Betriebswirt des Handwerks, dabei, nach Berlin zu expandieren. Mit seinem ersten Geschäft auf der Friedrichstraße will er die sächsische Kuchen- und Kaffeetradition den Berlinern und deren Gästen nahebringen. In der Weihnachtszeit war er dort ohnehin schon vor Ort, mit eigenen „Pop-up-Stores“, also zeitlich befristeten Läden, und auf den Weihnachtsmärkten der Region. Verkauft wurde da hauptsächlich Stollen. „Wir sind eine Institution in Berlin als Stollenbäcker“, sagt René Krause.

Obendrein ist er Mitglied der Nationalmannschaft der Bäcker. „Das ist schon ein bisschen so wie im Fußball“, schmunzelt Krause, nur um dann zum eigentlichen Thema überzuleiten. Binnen Monaten hat Krause zusammen mit seinem „Instagram-Gesicht“, dem jungen Bäckermeister Juan Rüdrich und einer kleinen Agentur im Hintergrund, die sozialen Medien in der Landeshauptstadt aufgemischt.

55.000 Brötchen pro Tag: Die Bäckerei Krause hat ihre Büros samt Backstube auf der Dresdner Bismarckstraße. Vier- bis fünfmal am Tag wird von hier geliefert.
© Sven Ellger

Über 30 Videos hat Krause, meist zusammen mit dem 29-jährigen Juan Rüdrich, in kurzer Zeit gepostet: hauptsächlich auf Instagram. Andere Plattformen, wie Facebook, würden eher nebenbei mitlaufen. Gute Videos werden dabei im Schnitt 50.000- bis 60.000-mal geklickt.

Charmantes Lächeln trotz Backstuben-Hektik

Um zu verstehen, wie Dresdens Instagram-Bäcker tickt und warum er aus dem Stand erfolgreich ist, reichen eigentlich zwei Videos aus. Im ersten Video steht Bäckermeister Juan Rüdrich in der Backstube und fertigt Mitte Januar unter Hochdruck Pfannkuchen. Eine Stimme aus dem Hintergrund fragt mit leicht sächsischem Akzent: „Wie lange brauchsde für eenen Pfannkuchen.“ Die Antwort des leicht genervten, aber dennoch freundlich weiterarbeitenden Bäckers: „Ich kann dir sagen, dass ich für 1.000 Pfannkuchen eine Stunde brauche, das kannst du dir dann selber ausrechnen.“

Während des Videos ist im Hintergrund die Hektik in der Backstube zu hören und zu sehen. Juan Rüdrich füllt mit schneller Präzision zwei Pfannkuchen gleichzeitig mit Marmelade – und hat am Ende doch noch Zeit für ein Lächeln in die Kamera. In den Kommentaren im Netz setzt sofort eine muntere Diskussion ein. Es wird gerechnet, wie viele Pfannkuchen das pro Minute oder pro Sekunde sind, es wird gestritten, ob es nun Pfannkuchen oder anders heißt und immer wieder kommt der Einwurf: „Geiler Typ“.

430 Kommentare kommen so zusammen. „Wir haben gemerkt: Wir fühlen uns bei den Videos am wohlsten, in denen wir uns so zeigen, wie wir sind. Wenn ein Baggerfahrer mit höchster Konzentration sprichwörtlich versucht einen Zwirn in ein Nadelöhr zu fädeln, dann will der auch nicht von der Seite angequatscht werden“, erklärt Krause. Die Nutzer im Internet hätten das Gefühl des Videos sofort verstanden: „Den kotzt das grad ein bisschen an, dass er gefilmt wird. Der ist auf einer Mission, der muss Pfannkuchen backen, da stört es, wenn jemand reinquatscht.“

So viel Liebe zum Backen wird honoriert: Noch immer ist dieses Video mit 200.000 Aufrufen eines der am meisten geklickten in der jungen Historie.

„Alles begann ohne Kontrolle, ohne Plan“

Wichtigster Antrieb sei es nicht, „unbedingt mehr Reichweite zu haben, um so mehr Brot zu verkaufen. Wir wollen die Möglichkeit nutzen, den Spaß am Handwerk zu zeigen. Wenn ein Fehler im Video ist, dann bleibt der drinnen. Gestartet ist das alles ohne Kontrolle, ohne Plan. Noch heute weiß niemand, ob wir morgen drei Videos machen, nächste Woche dafür keines“, sagt Krause. Vielleicht deshalb hat das Konzept Erfolg.

Mittlerweile lässt sich der in Zahlen messen. Knapp 350.000 Konten erreicht der Bäcker auf Instagram. Die Zahl der Profilaufrufe stieg in einem Monat um 330 Prozent. 96 Prozent davon kommen aus Deutschland, darunter 35 Prozent aus Dresden, danach folgen Leipzig, Berlin und Chemnitz. 1,5 Prozent aller Nutzer kommen aus Österreich, andere aus der Schweiz und Spanien.

Luft nach oben ist da dennoch. Erst vor wenigen Monaten ernsthaft gestartet, habe man jetzt schon vergleichbare Abonnenten-Zahlen wie andere Dresdner Bäcker, die in den sozialen Medien aktiv sind. „Ich denke, in einem halben Jahr haben wir die überholt“, sagt Krause.

Vor wenigen Monaten schien das noch undenkbar. Ganz am Anfang stand der Plan von Juan Rüdrich: „Mir war klar, wir müssen das mit den sozialen Medien irgendwann machen.“ Starten sollte alles im Herbst 2023. „Kurz vor Weihnachten mit Social Media um die Ecke zu kommen, das war nicht die schlauste Zeit, ich musste also was finden, was nicht viel Arbeit macht.“

Spezielle Workshops und Kurse hat dafür in der Bäckerei niemand gebraucht. Was gemacht wird, entsteht spontan; am Anfang mit kleinen Kunstgriffen. „Wichtig ist, dass sich die Leute wohlfühlen. Am Anfang stört die Kamera. Ich habe dann gesagt, dass die aus ist, meist sind dann die besten Szenen entstanden“, sagt Björn Buhle – die Stimme, die im Pfannkuchen-Video die erste Frage stellt.

Björn Buhle filmt, bearbeitet, schneidet und veröffentlicht die Videos.
© Sven Ellger

Dessen Firma filmt, bearbeitet und veröffentlicht für Krause die Videos. So war Björn Buhle auch hinter der Kamera, als René Krause und Juan Rüdrich vor wenigen Tagen am Blauen Wunder das zweite für das junge Team so wichtige Video aufnahmen.

Das Meisterstück am Blauen Wunder

Mitten in der höchsten Empörungswelle um die versuchsweise aufgemalten Radwege am Blauen Wunder, baute René Krause eine Rampe aus Brot und stellte diese auf die Brücke, um symbolisch den Radfahrer den holprigen Weg vom Bürgersteig auf die Brücke zu ebnen.

„Ich wollte die Lage am Blauen Wunder mit Humor nehmen und zeigen: Das Handwerk kann helfen“, sagt der 47-Jährige. Am Ende hat auch das geklappt. Unter den fast 300 Kommentaren, sei ein einziger negativer gewesen. Innerhalb weniger Tage kamen weitere über 210.000 Zugriffe zustande.

Das Video zeigt: Der Bäcker wagt sich auch an Themen, die stadtweit verbissen diskutiert wurden. Während andere sich in den sozialen Medien verkämpfen, ist der Auftritt im Video so entwaffnend fröhlich, dass am Ende ein Lächeln zurückbleibt.

Das Blaue Wunder war dennoch eher ein Ausreißer. Im Zentrum soll die Arbeit der Bäcker stehen, das Verständnis dafür, dass Handwerksarbeit und hochwertige Materialien Geld kosten. „Wir müssen uns so oft erklären: Warum kostet das Brötchen mehr als im Discounter? Das kann man erklären. Besser ist, wenn man es zeigt.“

Bisher passierte das in vielen hunderten Einzelgesprächen in den Läden. „Mit einem Video erreichen wir so viele Menschen, da reicht ein Leben an einzelnen Gesprächen gar nicht aus.“ Eine Botschaft sei: „Leute, ihr schlaft gerade, wollt morgen aber 30.000 Pfannkuchen haben. Die müssen erst hergestellt werden.“

„Die schön fotografierte Eierschecke, die funktioniert nicht“

Wichtig im hektischen Alltag ist dabei dennoch, so wenig wie möglich extra Zeit zu investieren. „Einfach festzulegen: Jeden Mittag um 13 Uhr machen wir jetzt Instagram, das funktioniert nicht. Es darf keine Belastung und Aufwand sein“, sagt der Bäcker. Auf echte Drehbücher wird verzichtet; je authentischer die Szenen seien, umso besser würden sie angenommen. „Nicht die schön fotografierte Eierschecke funktioniert, sondern die echten Videos.“

Und: Sowohl Juan Rüdiger als auch René Krause freuen sich über die Wertschätzung. „Es motiviert, so wahrgenommen zu werden. Unglaublich, dass wir in unseren Beruf so etwas überhaupt machen können.“

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