Stefan Lehmann
Riesa. Riesas Stahlproduktion stellt sich für die Zukunft auf: Auf dem Werkgelände im Stadtteil Gröba hat Feralpi am Donnerstag sein neues Walzwerk eingeweiht.
Mit der Anlage will das Unternehmen effizienter arbeiten: Bislang produzierte das benachbarte Stahlwerk deutlich mehr Stahlknüppel, als sich im bestehenden Walzwerk weiterverarbeiten ließen. Diese Lücke ist nun geschlossen.

Quelle: Jan Woitas/dpa
Vor allem aber soll mit dem neuen Werk in Riesa erstmals „grüner Stahl“ produziert werden können ohne den Einsatz von Gas.
Voraussetzung dafür: Strom aus grüner Energie. Momentan beziehe das Werk noch einen Mix, erklärt der General Manager des Standorts, Uwe Reinecke. Für 2026 sind Verhandlungen mit dem Versorger geplant.
Feralpi hat mehr als 220 Millionen Euro investiert
Mehr als 220 Millionen Euro hatte Feralpi seit 2022 in Riesa in Produktion, Logistik und Schrottaufbereitung gesteckt. Auch ein neues Umspannwerk war errichtet worden, um sich auf den zusätzlichen Strombedarf einzustellen.
Zu sehen war schon in den zurückliegenden Monaten die Verbindung zwischen Altem und Neuem: Auf 300 Metern Länge führt ein Rollgang vom Stahlwerk zum neuen Walzwerk. Was als zwölf Meter langer Knüppel mit quadratischem Querschnitt von 16 Zentimeter Kantenlänge aus der grünen Halle kommt, wird in der blauen auf acht bis 25 Millimeter Durchmesser rundgewalzt und transportfertig aufgespult.

Quelle: Feralpi Stahl
Das neue Werk sei ein „Sprung in Richtung Digitalisierung“, weil sich viele Prozesse nun elektronisch überwachen und steuern ließen, so Uwe Reinecke. Darüber hinaus können in Riesa nun erstmals auch acht Tonnen schwere Stahl-Coils hergestellt werden. Das sei Weltneuheit, betonen die Verantwortlichen. Italiens Botschafter Fabrizio Bucci sprach von einer „Hightech-Investition, die nachgeahmt werden muss“.
Mit der Investition „stärken wir unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt und verfolgen eine immer nachhaltigere Produktion“, erklärte Feralpi-Präsident Giuseppe Pasini. Er hatte 1992 das Stahlwerk quasi gerettet, bekennt sich nach wie vor zum Stahlstandort Deutschland.
Mahnungen aus der Stahlbranche
Und das, obwohl es die Branche in den vergangenen Jahren alles andere als leicht hatte. Die Baukonjunktur schwächelt, hohe Energiepreise und Netzentgelte sind ein Problem, lange Genehmigungsverfahren ebenfalls.
In vielen Reden beim offiziellen Festakt am Donnerstag schwingen deshalb mahnende Worte mit. Uwe Reinecke bedient sich einer Fußball-Analogie: Man habe eine tolle Mannschaft. „Aber die Spielbedingungen entscheiden über Sieg und Niederlage. Wir brauchen faire Rahmenbedingungen, damit die Stahlindustrie in Deutschland nicht abgehängt wird.“

Quelle: Feralpi Stahl
Die Feralpi-Verantwortlichen hoffen auf die neue Bundesregierung, ähnlich wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Er sei zuversichtlich, dass die neue Bundesregierung zügig handle, um den Stahlstandort Deutschland zu stärken, sagte Kretschmer – insbesondere durch niedrigere Energiepreise und kürzere Genehmigungsverfahren.
Es dürfe aber nicht nur bei Worten und klugen Gedanken bleiben, sagte Italiens Minister für EU-Angelegenheiten Tommaso Foti in Riesa. Er forderte konkrete Maßnahmen, damit Europa nicht abgehängt werde.
Uwe Reinecke als Leiter des Riesaer Standorts beschäftigt neben der zäh voranschreitenden Energiewende noch die Logistik: Auf dem eigenen Werkgelände werden die Verkehrsströme in den kommenden zwei bis drei Jahren weiter entzerrt. Die Bundesstraßen Richtung A14 und A13 dagegen würden einfach nicht schnell genug ausgebaut. „Den logistischen Anschluss suchen wir schon viel zu lange“, sagt Reinecke mit Blick auf B169 und B98.
Probebetrieb im Walzwerk läuft schon länger
Im Probebetrieb läuft das neue Walzwerk schon seit einigen Monaten. Am 11. Februar lief der erste Knüppel durch die Anlage, Ende März war der weltweit erste Acht-Tonnen-Coil hergestellt worden. „Das ist die Zukunft“, erläuterte Projektleiter Bernd Fischer bei einer Führung durch die neue Anlage.
Was die Investition für die sächsische Kleinstadt an der Elbe bedeutet, fasste General Manager Uwe Reinecke zusammen. Mit dem neuen Werk entstehen mehr als 100 neue Arbeitsplätze, in Riesa würde Feralpi dann künftig etwa 950 Mitarbeiter beschäftigen. Betrachte man aber noch die Betriebe, die mittelbar vom Stahl- und Walzwerk profitieren, betreffe die Investition wohl um die 5000 Menschen, schätzt Uwe Reinecke.
Weil sich das Unternehmen auch in der Stadtgesellschaft vielfältig einbringt, wurde Feralpi-Chef Pasini am Schluss der Veranstaltung eine besondere Ehre zuteil: Oberbürgermeister Marco Müller überreichte ihm die Ehrenmedaille der Stadt Riesa. Die misst im Durchmesser etwa vier Zentimeter und ist hergestellt aus – Achtung – poliertem Riesaer Walzstahl.
SZ