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„Ohne Bergbau geht es nicht“

Darin sind sich Bergleute in Sachsen und Polen einig. Eine Ausstellung in Nochten wirbt seit Donnerstag für Akzeptanz.

Lesedauer: 3 Minuten

Ohne aktiven Bergbau wäre der Findlingspark in Nochten nicht das, was er ist. Eine simple Feststellung. Ulrich Klinkert hob sie am Donnerstag dennoch ausdrücklich hervor. Der Vorsitzende des Trägervereins machte auch keinen Hehl daraus, was er vom schnellen Kohleausstieg im Lausitzer Revier hält. „Ohne existierenden Bergbau kein Park, aber etliche Probleme mehr“, fasste er es zusammen. Der Findlingspark Nochten, den seit der Eröffnung 2003 mehr als 1,3 Millionen Menschen besuchten, ist ein gelungenes Beispiel für die Rekultivierung bergbaulich genutzter Flächen.

Diese Woche wurde im dortigen Besucherzentrum eine Ausstellung zum Bergbau eröffnet. Der fand sich schon vorher auf Informationstafeln wieder. Schließlich stammen etliche, der im Park platzieren Gesteinsbrocken aus dem Tagebau Nochten. Die neue Ausstellung dokumentiert die Entwicklung des Bergbaus in der sächsisch-niederschlesischen Grenzregion. Sie ist nicht zufällig Teil eines gemeinsamen Projekts des Sächsischen Oberbergamts Freiberg, der Bergämter Katowice und Wroclaw, der Wojewodschaft Niederschlesien.

Anliegen des Projekts in der Zeit von April 2017 bis März 2020 ist es vor allem, die Zusammenarbeit der Bergbaubehörden dies- und jenseits der Grenze zu fördern. Dem dienen Exkursionen ins jeweilige Nachbarland und andere gemeinsame Veranstaltungen. „Nachbarschaft lebt ja von der Kenntnis des Nachbarn“, begründete es Martin Herrmann. Als Projektleiter hat er beim Sächsischen Oberbergamt die Fäden von „Minelife“ in der Hand. Heute wisse man sehr viel besser über die Bergbauregion Niederschlesien Bescheid, so die Erfahrung nach den ersten anderthalb Jahren.

Behörden lernen voneinander

„Polen ist das größte Bergbauland Europas. Fast die gesamte Energieproduktion basiert dort auf Steinkohle“, so Martin Herrmann. Der Bergbaukonzern sei viertgrößter Steuerzahler des Nachbarlandes. Doch wie vor 30 Jahren im Ruhrgebiet würden jetzt in Niederschlesien unwirtschaftliche Tagebaue und Kraftwerke geschlossen. Für die polnischen Partner sei daher die Entstehung des Lausitzer Seenlands im Ergebnis der Rekultivierung einstiger Tagebaue sehr interessant. Anders herum könnten sächsische Behörden von den polnischen Partnern viel über Technik und rechtliche Vorschriften im Kupfer- und Silberbergbau lernen, um im Erzgebirge „einen kleinen Erzbergbau“ vorbereiten zu können. Ob den Probebohrungen in der Lausitz ein Kupferbergbau folgt, dazu wollte sich Martin Herrmann nicht äußern. Er beschränkte sich auf die Aussage, dass es eine Frage der Wirtschaftlichkeit sei und der Schatz nicht verlorengehe, wenn er im Boden bleibt.

Sachsens Rohstoffstrategie

Zur Stärkung des Bergbaus arbeitet der Freistaat an einer eigenen Rohstoffstrategie. Neben den vier Braunkohletagebauen in Sachsen gibt es 300 Betriebe im Bereich Steine/Erden, die wichtige Rohstoffe wie Kaolin und Kies liefern. In Niederschlesien gilt der Abbau von Kupfer- und Silbererz im Liegnitz-Glogauer Revier als ein Schwerpunkt. Zudem werden feuerfeste Baurohstoffe wie Ton gewonnen. Die sächsisch-niederschlesische Grenzregion sei in der Vergangenheit stark durch den Bergbau geprägt gewesen und werde das auch heute noch. Darin sind sich die Projektpartner einig. Oder wie es Dr. Mata Ptak gestern formulierte: „Ohne Bergbau geht es nicht. Wir machen viele kleine Schritte, um dem Bergbau eine Zukunft zu ermöglichen.“ Aus den Kontakten zum Sächsischen Oberbergamt erhofft sich die Vizedirektorin des Bezirksbergamts Wroclaw „Inspirationen für weitere gemeinsame Projekte“.

Verantwortung für Folgelandschaft

Mit dem aus dem EU-Programm Interreg geförderten Projekt „Minelife“ wollen die Beteiligten einer breiten Öffentlichkeit die Bedeutung des Bergbaus bewusst machen. „Wir brauchen die Akzeptanz dafür“, betonte Martin Herrmann. Nicht ohne Grund hätten sich in der Vergangenheit Menschen in Regionen mit Bodenschätzen angesiedelt, würden auch Ortsnamen darauf verweisen. Allerdings sei Bergbau heute eben nicht mehr ohne Weiteres möglich. Dazu bedürfe es unzähliger Genehmigungen. Und es sei eben auch nicht damit getan, nach dem Ende die Grube oder den Stollen einfach zu verschließen.

Die Ausstellung „Leben mit dem Bergbau“ im Findlingspark stellt exemplarisch vor, was aus Flächen geworden ist: Wie dem alten Kohlebahnhof Oelsnitz, wo man sich nach mehr als 50 Jahren anlässlich der Landesgartenschau 2015 erstmals vernünftig um die Hinterlassenschaften des Bergbaus gekümmert habe. Oder aus dem Tagebau Merzdorf, wo 1839 die erste Grube eröffnet, 1997 der Tagebau eingestellt, 2002 mit der Flutung begonnen und 2018 das erste Hotel eröffnet wurde. Oder aber aus der Alten Grube Walbrzych (Waldenburg), wo aus dem bis 1996 aktiven Bergwerk 2014 ein multikulturelles Wissenschafts- und Kunstzentrum wurde.

Bürgerinteressen mehr beachten

„Leben mit dem Tagebau“ bedeutet aber auch Ärgernisse wie Lärm, Staub und Erschütterungen. „Bloße Rechtsvorschriften helfen da nicht weiter. Deshalb müssen wir viel intensiver mit betroffenen Bürgern ins Gespräch kommen, auch wenn das mühsam ist“, sagte Martin Herrmann. Die Schau möchte Aspekte des Bergbaus im Bezug zur Gesellschaft darstellen – und sie möchte neugierig machen auf die Region. So soll im Rahmen des Projekts „Minelife“ auch eine Broschüre entstehen mit sechs bekannten touristischen Zielen dies- und jenseits der Neiße, die dem Bergbau folgten wie etwa die Energiefabrik Knappenrode.

Ulrich Klinkert hofft indes, dass die Ausstellung zum Nachdenken anregt über den Bergbau, der über viele Generationen der Lausitz Wertschöpfung und Wohlstand brachte. Auf das Auslaufen von Lagerstätten könne man sich normalerweise in einem langen Prozess vorbereiten. Schwierig sei es, wenn der Bergbau aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen plötzlich eingestellt wird. Wie Anfang der 90er Jahre, als die marode DDR-Wirtschaft von der Energieeffizienz her den Erfordernissen nicht mehr gewachsen war. Jetzt bestehe mit dem beabsichtigten schnellen Kohleausstieg aus politischen und ideologischen Gründen die Gefahr, dass die Lausitz zum zweiten Mal in wirtschaftliche Schieflage gerät. „Das hätte gravierende Auswirkungen auch auf unseren Findlingspark“, so Ulrich Klinkert. Man sei sich aber mit vielen einig, „dass es den aktiven Bergbau in der Lausitz noch lange geben soll“.

Von Constanze Knappe

Foto: © Joachim Rehle

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